Hamburg. 16-Jährige starb nach zwei Pillen. Was in ihrem Körper passierte, woher die Droge kam und wie das überraschende Gerichtsurteil lautete.

Sie wollte feiern. Sie wollte in Partystimmung kommen. Doch statt Spaß und Unbeschwertheit kam der Tod: Eine 16-Jährige starb in Hamburg, nachdem sie Ecstasy konsumiert hatte. Es war ein wirklich tragischer Todesfall.

„Eigentlich firmiert Ecstasy als sogenannte Partydroge“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel in „Dem Tod auf der Spur“, dem Crime-Podcast des Hamburger Abendblattes mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Partydroge: Das klingt harmlos. Das klingt nach Spaß. Tatsächlich aber birgt Ecstasy extreme Gefahren. Die größte ist, dass es zu viele unbekannte und immer wieder neue Inhaltsstoffe gibt. Da sind teilweise toxische, also giftige Substanzen verarbeitet.“

True Crime Hamburg: So gefährlich ist die „Partydroge“ Ecstasy

„Besonders kritisch ist es, wenn man bedenkt, unter welchen Namen manche dieser Ecstasy-Tabletten angeboten werden“, überlegt Mittelacher. „Da gibt es welche, die heißen zum Beispiel Super Mario oder Hello Kitty. Solche Namen kennen Kinder und Jugendliche eigentlich aus dem Zeichentrickfilm oder dem Spielzeugladen.“ „Das ist natürlich extrem irreführend“, bestätigt Püschel. „Das assoziiert eine absolute Harmlosigkeit. Nach dem Motto: Für Kinder geeignet. Eigentlich müsste auf den bunten Pillen eher ein Totenkopf prangen.“

Wie gefährlich Ecstasy sein kann, zeigt ein Fall aus Hamburg. Es ist der Abend des 12. September 2020. Im Stadtteil Winterhude treffen sich mehrere Jugendliche und feiern eine Party. Ein Gast hat Ecstasy dabei und überreicht zwei 16-Jährigen je eine Tablette. Sie konsumieren sie. Die beiden Schülerinnen haben vermutlich angenommen, dass die sogenannte Partydroge hält, was der Name verspricht. Also Vergnügen und Heiterkeit, endlos tanzen, ohne müde zu werden.

Ecstasy: Nach Einnahme der Droge wälzte sich 16-Jährige auf dem Boden – und starb schließlich

Über mögliche Risiken haben sie sich wahrscheinlich keine Gedanken gemacht. Aber nach der Einnahme der Drogen erlebte eine 16-Jährige statt bester Partystimmung eine quälende, leidvolle Zeit, bei der sie sich auf dem Boden wälzte und schließlich kollabierte. Kurze Zeit später war die Hamburgerin tot.

Der True-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Rechtsmediziner Klaus Püschel und Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher
Der True-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Rechtsmediziner Klaus Püschel und Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher © Hamburger Abendblatt | Hamburger Abendblatt

„Dieser viel zu frühe Tod einer 16-Jährigen schockiert umso mehr, als noch wenige Stunden vorher nichts darauf hindeutete, dass sie sterben würde“, sagt Püschel. Ella (Name geändert) war zwar übergewichtig, aber ansonsten eine gesunde, junge Frau. Ihre Mutter sagte später über ihre Tochter: „Sie hatte noch so viel vor.“ Noch Jahre nach dem Tod von Ella erinnert sich die Mutter daran, wie fröhlich die 16-Jährige gewesen sei. Und dass sie viele Pläne gehabt habe. Alles vorbei. „Ihr Tod ist immer noch so schlimm für uns“, sagte die Mutter. „Es gibt keine Worte für unseren Schmerz. Er begleitet uns jeden Tag.“

Notärzte kämpften um das Leben der Jugendlichen. Aber sie war nicht mehr zu retten

Auf jener schicksalshaften Party schluckten Ella und ihre Freundin zunächst jeder eine Ecstasy-Tablette. Aber offenbar stellte sich bei Ella nicht die Wirkung ein, die sie erwartet hatte. Also bat Ella um eine zweite Ecstasy-Pille. Wenig später passierte es: Ella ging es sehr schlecht, ihre Körpertemperatur stieg deutlich an. Nicht lange danach kollabierte sie und wälzte sich auf dem Boden. Einige ihrer Freunde standen geschockt in der Nähe. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie den Notruf tätigten. Als dann die Notärzte in die Wohnung kamen, bemühten sie sich mehr als eine halbe Stunde lang um Ella. Sie kämpften regelrecht um ihr Leben. Aber die Jugendliche war nicht mehr zu retten.

Später im Prozess im November 2022, der wegen des Todes der 16-Jährigen vor dem Amtsgericht stattfand, wurde zunächst nur gegen den jungen Mann verhandelt, von dem Ella das Ecstasy erhalten haben soll. Ein zweiter Angeklagter, dem vorgeworfen wurde, die Tabletten ursprünglich zur Party mitgebracht und sie dort verkauft zu haben, galt zu dem Zeitpunkt wegen einer psychischen Erkrankung als verhandlungsunfähig.

Prozess Hamburg: Angeklagter sagt: „Dass sie nicht mehr lebt, ist unbegreiflich“

Laut Anklage im Prozess vom November 2022 hat der damals 20-jährige Sami A. (Name geändert) an Ella sowie eine weitere Jugendliche auf der damaligen Party unentgeltlich je eine Ecstasy-Tablette überreicht. Später gab er Ella demnach eine weitere Tablette, weil sie diese verlangt habe, so die Anklage weiter. Der Angeklagte räumte die Vorwürfe grundsätzlich ein. Aber in einer von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung wurde betont: Als Ella eine zweite Tablette haben wollte, weil die erste Tablette keine Wirkung entfaltet habe, habe Sami A. ihr gesagt, sie solle warten. Es hieß, Ella habe aber insistiert und Sami A. überredet, ihr doch eine zweite Tablette zu geben. Ella sei für den Angeklagten „eine ihm sehr nahe stehende Freundin“, ließ Sami A. über seinen Verteidiger weiter erzählen. „Dass sie nicht mehr lebt, ist ihm unbegreiflich.“

Laut Ermittlungen hat sich Ella nach dem Konsum der beiden Tabletten „plötzlich auf dem Boden gewälzt“ und sei „heiß“ geworden. Später sei die 16-Jährige kollabiert, heißt es laut Akte weiter. Ihre Freunde hätten noch versucht, sie zu duschen, damit sie zu sich komme. Schließlich alarmierten sie den Notarzt. Doch Ella war nicht mehr zu retten. „Rechtsmedizinische und toxikologische Gutachten sind eindeutig“, erklärt Püschel. „Bei der Obduktion der Toten wurde eine Körpertemperatur gemessen, die sich auf mehr als 42 Grad zum Zeitpunkt des Ablebens zurückrechnen ließ. Das verkraftet der menschliche Körper nicht.“

Körpertemperatur stieg nach Einnahme von Ecstasy auf mehr als 42 Grad

Unter anderem komme es zu Muskelkrämpfen und zu Herz-Rhythmus-Störungen. Eine Folge sei schließlich das Versagen mehrerer wichtiger Organe. „Es gibt gegen eine Intoxikation durch Ecstasy kein Gegenmittel, das man spritzen oder anderweitig verabreichen könnte“, warnt Püschel. „Ist die Droge im Körper, ist sie nicht mehr zu stoppen.“

Bei dem Urteil des Gerichts im Prozess gegen Sami A. spielte eine ganz wesentliche Rolle, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt, als es zu den folgenschweren Ereignissen kam, noch 20 Jahre alt war. In solchen Fällen wird in Hamburg für die Angeklagten, die als Heranwachsende gelten, das Jugendgerichtsgesetz angewandt. Hier spielt entscheidend eine Rolle, welche Maßnahme am sinnvollsten ist, damit der junge Täter in Zukunft möglichst nicht mehr straffällig wird. Und im Fall von Ella hieß es zudem, dass dem Angeklagten eine Verantwortung für ihren Tod nicht anzulasten ist.

Rechtsmediziner: „Ist die Droge erst mal im Körper, ist sie nicht mehr zu stoppen“

Es handele sich, als die Jugendliche das Ecstasy genommen und eine zweite Tablette eingefordert habe, um eine „eigenverantwortliche Selbstschädigung“, sagte der Staatsanwalt. „Der Angeklagte hat die Ursache dafür gesetzt“, dass die 16-Jährige die Tablette einnehmen konnte. Aber dies reiche nicht dafür aus, dass ihm eine Tötung angelastet werden könne – auch keine fahrlässige Tötung. Das Abgeben von Betäubungsmitteln sei „eine üble Sache“, betonte der Ankläger. „Es ist ein Mensch verstorben. Aber eine Erwartung, dass nun eine hohe Strafe ausgesprochen werden müsse, ist rechtlich falsch.“

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Das Urteil des Jugendschöffengerichts lautete: Sami A., der selber ein Drogenproblem hat, muss nachweisen, dass er seine bereits begonnene Therapie fortführt. Außerdem muss er 800 Euro als Geldauflage zahlen, an einen Sammelfonds für Suchtgefährdete. Die 16-Jährige habe, sagte die Richterin, „die Gefahr unterschätzt“, die von dem Ecstasy ausgehe. „Und das ist durchaus traurig“, sagte die Richterin weiter. Es sei bei Ella tatsächlich „um Leben und Tod gegangen, was keinem vor Ort klar war“. Auch dem Angeklagten sei dies nicht bewusst gewesen. Für den Tod von Ella sei er rechtlich nicht verantwortlich zu machen.

Was die Richterin sagt: Der Angeklagte sei wohl nicht der beste Freund gewesen

Laut Gesetz müsse sich eine Leichtfertigkeit „immer auf die Tathandlung beziehen und nicht auf das, was danach passiert“. In Bezug auf die Strafe, die gegen den Angeklagten ausgesprochen wurde, gebe es eine „Kluft bei dem Ausmaß, was angerichtet wurde“, so die Richterin. „Aber es ist keine rechtliche, sondern eine menschliche Kategorie.“ Man könne den Angeklagten nicht dafür bestrafen, „dass er hinterher nicht“ für Ella dagewesen sei, „um ihre Hand zu halten, als sie gestorben ist“. Er sei wohl nicht der beste Freund gewesen. Aber das sei „keine Kategorie, die vor diesem Gericht verhandelt wird. Dafür gibt es keine Absolution.“

Im Frühjahr 2024 – also dreieinhalb Jahre, nachdem Ella nach dem Konsum von Ecstasy gestorben war – wurde gegen den zweiten jungen Mann verhandelt. Der 22-Jährige soll indirekt dafür gesorgt haben, dass Ella überhaupt Zugang zu Ecstasy hatte. Laut Anklage hatte Tobias G. (Name geändert) an Sami A. drei Ecstasy-Tabletten verkauft, die dieser wiederum an Ella und eine weitere Jugendliche weitergab.

Tod durch Ecstasy: „Bis heute weiß ich nicht genau, was passiert ist“, sagt die Schwester

Der Angeklagte selbst sagte vor Gericht, dass er mit dem Tod von Ella nichts zu tun habe. Und weil Zeugenaussagen wenig überzeugend waren, konnte dem Angeklagten im Ergebnis nicht nachgewiesen werden, dass die Ecstasy-Tabletten von dem mittlerweile 22-Jährigen stammten. Er wurde schließlich freigesprochen. „Bis heute weiß ich nicht genau, was passiert ist“, sagte zum Beispiel die Schwester der Verstorbenen als Zeugin. Sie habe seinerzeit erzählen hören, dass Ella zwei Ecstasy-Tabletten eingenommen habe. Deshalb habe sie mit dem jungen Mann, von dem ihre Schwester die Pillen erhalten hatte, reden wollen. „Das Gespräch war nur kurz. Ich bin sofort in Tränen ausgebrochen.“