Hamburg. Senat räumt Probleme bei der Umstellung auf Digitalisierung der Anträge ein. Welche Gründe für die Dauer außerdem verantwortlich sind.

Seit dem 22. Januar 2024 können Familien in Hamburg den Antrag auf Elterngeld online stellen. Doch der digitale Service hat nicht zu einer kürzeren Bearbeitungszeit geführt, jedenfalls noch nicht. Im Gegenteil: Wie der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll und Silke Seif mitteilte, dauerte es im ersten Quartal dieses Jahres in fast allen Bezirken länger als im Vorjahr, bis über einen Antrag entschieden wurde.

Besonders große Geduld müssen Familien im Bezirk Harburg aufbringen: Die ohnehin schon lange durchschnittliche Bearbeitungsdauer schnellte von 54 Tagen (2023) auf 74 Tage (erstes Quartal 2024) in die Höhe – der negative Spitzenwert. Auch in den Bezirken Altona mit 58 Tagen (2023: 46) und Hamburg-Nord mit 55 Tagen (43) hat sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit deutlich erhöht. Etwas geringer fallen die Zuwächse in Eimsbüttel mit 54 Tagen (45), Wandsbek mit 43 Tagen (33) und Hamburg-Mitte mit ebenfalls 43 Tagen (36) aus. Allein im Bezirk Bergedorf konnte die Zeitdauer bis zur Entscheidung über den Elterngeldantrag verkürzt werden: von 56 auf 37 Tage.

Hamburger Verwaltung: Viele Familien müssen monatelang auf das Elterngeld warten

Eine Ursache für die längeren Bearbeitungsdauern dürfte in der gestiegenen Zahl von Anträgen liegen. Im ersten Quartal 2024 wurden in den sieben Bezirken 8753 Fälle registriert. Rechnet man die Zahl auf das Jahr hoch, so ergibt sich eine Summe von 35.012 Anträgen. Das würde einen Anstieg um rund 50 Prozent gegenüber 2023 bedeuten, als Familien insgesamt 23.248 Anträge auf Elterngeld stellten. Besonders hoch würde der Anstieg im Bezirk Harburg mit einem Plus von 87 Prozent, in Altona mit 66,6 Prozent und in Wandsbek mit 53,6 Prozent ausfallen. Den niedrigsten Anstieg der aufs Jahr hochgerechneten Anträge verzeichnet der Bezirk Bergedorf mit einem Plus von lediglich 6,9 Prozent.

Ein weiterer Grund dafür, dass Eltern länger auf eine Entscheidung der Verwaltung warten müssen, kann im Einzelfall an einem deutlich gestiegenen Krankenstand der Sachbearbeiter liegen. Aber hier ist der Trend nicht einheitlich. So ist die Fehlzeitenquote in der Elterngeldstelle des Bezirks Harburg (mit der längsten durchschnittlichen Bearbeitungszeit von Anträgen) von 9,7 Prozent (2023) auf 14,1 Prozent (erstes Quartal 2024) gestiegen. Andererseits fiel der Krankenstand im Bezirk Hamburg-Nord von 16,4 auf fünf Prozent. Dennoch hat sich die Dauer bis zur Entscheidung der Anträge deutlich erhöht, obwohl der hochgerechnete Anstieg der Fallzahlen mit 11,5 Prozent moderat ausfiel.

Senat räumt technische Probleme bei Umstellung auf digitalisiertes Verfahren ein

Bemerkenswert ist, dass nur ein sehr kleiner Teil der Familien das neue Angebot nutzt, den Antrag auf Elterngeld digital zu stellen: 581 Online-Anträge waren es im ersten Quartal 2024 gegenüber 8172 Anträgen in Papierform. Was die Digitalisierung dieses Bereichs angeht, gibt sich der Senat gemessen an der generellen Tonlage bei Antworten auf Kleine Anfragen ungewohnt selbstkritisch. „Die Umstellung eines solchen Verfahrens birgt neben Vorteilen für die Anspruchsberechtigten auch Herausforderungen für die anwendenden Verwaltungseinheiten mit sich. Die Auswirkungen der Fachverfahrensumstellung belasten in der gegenwärtigen Übergangsphase die Arbeitsabläufe in den bezirklichen Elterngeldstellen und führen zu gegenwärtig häufig zu geringfügig längeren Bearbeitungszeiten“, schreibt der Senat.

Damit nicht genug. „Das neue Fachverfahren ist, trotz vorheriger umfangreicher Testung, noch fehleranfällig. Diese Fehleranfälligkeit führt unter anderem dazu, dass das Fachverfahren gegenwärtig nicht auswerten kann, wie hoch die Rückstandsmenge der Elterngeldanträge ist“, heißt es weiter. Mit anderen Worten: Es ist derzeit nicht klar, wie viele Anträge noch nicht abschließend bearbeitet sind. Auch diese Sätze finden sich in der Antwort auf die Kleine Anfrage: „Dem Senat ist es unverändert ein besonderes Anliegen, dass Hamburger Elterngeldberechtigte ihren gesetzlichen Anspruch schnellstmöglich nach der Geburt eines Kindes realisieren können. Deshalb wird der Prozess der Elterngeldbeantragung weiter digitalisiert.“

Wartezeiten bei Anträgen auf Kita-Gutschein weiterhin auf hohem Niveau

Aus den Senatsantworten auf die Anfrage der beiden CDU-Abgeordneten ergibt sich außerdem, dass sich die Wartezeiten bei Anträgen auf einen Kita-Gutschein jedenfalls nicht deutlich erhöht haben. Danach liegt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer hamburgweit im ersten Quartal 2024 bei 30,46 Tagen und damit auf dem gleichen hohen Niveau wie 2023 mit 30,34 Tagen. Am längsten dauert die Bearbeitung in Bergedorf mit 37,69 Tagen, gefolgt von Hamburg-Nord mit 36,02 Tagen Hamburg-Mitte mit 33,95 und Eimsbüttel 33,46 Tagen. Am „schnellsten“ erfolgt die Entscheidung über einen Kita-Gutschein-Antrag in Altona mit 20,67 Tagen.

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Anders als beim Elterngeld ist die Zahl der Anträge auf einen Kita-Gutschein sogar leicht gesunken. Im ersten Quartal 2024 wurden 37.590 Anträge gezählt. Rechnet man den Wert auf das ganze Jahr hoch, beläuft sich die Summe auf 150.360 Anträge, was einem Rückgang um 3,8 Prozent gegenüber 2023 entsprechen würde, als 156.341 Anträge eingereicht wurden. Kita-Gutscheine können schon länger online beantragt werden, was von Eltern offensichtlich auch zunehmend genutzt wird. Laut Senatsantwort wurden im vergangenen Jahr 60.903 Anträge digital gestellt. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es bereits 20.272 Anträge.

André Trepoll (CDU): „Senat bekommt die langen Bearbeitungszeiten nicht in den Griff“

„Noch immer brauchen junge Eltern in manchen Bezirken Hamburgs extrem viel Geduld und Nerven, wenn sie auf einen Kita-Gutschein oder ihr Elterngeld warten. Es ist absolut inakzeptabel, dass der Senat das Problem mit den Bearbeitungsdauern nicht in den Griff bekommt“, sagt der CDU-Abgeordnete Trepoll. Viele Eltern seien auf eine zügige Bearbeitung dringend angewiesen, da sie das Geld benötigten. „In Zeiten hoher Energiekosten und stark angestiegener Lebenshaltungskosten mehr denn je. Die Rechtfertigungsversuche des Senats sind nicht nachvollziehbar, er muss endlich die Ursachen für die teils weit überdurchschnittlichen Fehlzeitenquoten in den zuständigen Abteilungen mancher Bezirksämter eruieren und Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern. Eltern und Mitarbeiter dürfen nicht länger im Regen stehen gelassen werden“, sagte Trepoll.