Hamburg. Umgestaltung der Reventlowstraße auf 700 Metern zur Veloroute wird Fall für den Verkehrssenator. Und der macht eine klare Ansage.
Wer an der umstrittensten Baustelle von Altona dieser Tage vorbeikommt, dem könnte es bereits aufgefallen sein: In der Reventlowstraße in Othmarschen tut sich gar nichts. Nach dem Streit um die Umgestaltung von 700 Metern zur Veloroute hatte Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) eigentlich ein Machtwort entgegen einem politischen Mehrheitsbeschluss gesprochen, die Baustelle sollte kommen.
Doch nachdem die Bäume gefällt, die Straße gesperrt wurde und die Baustelle eingerichtet war, wurde es plötzlich still. Jetzt hat ein anderer ein Machtwort gesprochen.
Baustelle in Othmarschen: Streitthema in Altona – jetzt soll Tjarks es richten
Am Dienstag teilte die Verkehrsbehörde von Anjes Tjarks (Grüne) mit, dass man dem Bezirk Altona die Entscheidungshoheit über die Baumaßnahme wegnimmt. Offenbar soll der Verkehrssenator den Streitfall nun richten. Anders ist kaum zu erklären, dass sich die Hamburger Verkehrsbehörde mit einer 700 Meter langen bezirklichen Baustelle herumschlägt und Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg noch am Dienstag ihre Beanstandung des politischen Beschlusses zurücknahm. Gleichzeitig teilte die Verkehrsbehörde mit, wie es mit der Geisterbaustelle weitergehen soll.
Es wird unverzüglich weitergebaut. In der Mitteilung hießt es dazu: „Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende hat entschieden, dass die Maßnahme Reventlowstraße im Bezirk Altona ohne weiteren zeitlichen Verzug fortgeführt wird. Sie wurde seit 2017 geplant, wurde in sämtlichen bezirklichen Ausschüssen und Gremien vorgestellt, ist verkehrlich koordiniert und ist zur Umsetzung bereit.“
Vorstoß ging eine Entscheidung des Senats am Dienstagvormittag voraus
Allerdings hätte die Verkehrsbehörde das schon vor Wochen tun können. Dem Vorstoß ging jetzt offenbar eine Entscheidung des Senats am Dienstagvormittag voraus, die Hoheit über das Straßenbauprojekt an die Verkehrsbehörde zu übertragen. Ziel sei es demnach: „Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende soll daher beauftragt werden, beide Teilmaßnahmen kostenoptimiert und vor dem Hintergrund der übrigen in der Region notwendigen Baustellen mit möglichst geringen Verkehrsbehinderungen umzusetzen.“
In der Senatsdrucksache, die dem Abendblatt vorliegt, heißt es als Begründung dazu offiziell: „Bezirksamt und Bezirksversammlung haben sich bisher nicht auf einen mit der Fachbehörde abgestimmten Zeitpunkt der Umsetzung der Baumaßnahme im Bereich der Bezirksstraße verständigt.“ Da aber die Arbeiten im südlichen Teil der Reventlowstraße mit den ebenfalls noch geplanten Arbeiten im nördlichen Teil zusammenhängen würden, der in der Verantwortung der Verkehrsbehörde liege, wolle man nun beides zusammen übernehmen. Das traut man offenbar nicht mehr dem Bezirk Altona zu.
Verkehr Hamburg: Ziel ist es, eine Doppelbelastung für die Menschen vor Ort zu vermeiden
Ziel ist es laut Verkehrsbehörde, mit der Fortführung der vor Ort sehr umstrittenen Baumaßnahme Reventlowstraße, eine Doppelbelastung für die Menschen vor Ort zu vermeiden. „Die politischen Entscheidungen in Altona hätten zur Folge gehabt, dass der Nordteil der Baumaßnahme ungehindert gebaut wird, der bezirkliche Teil der Baumaßnahme aber in der Schwebe war. Dies hätte in der letzten Konsequenz bedeutet, dass auf derselben Straße in unterschiedlichen Zeiträumen zweimal gebaut werden muss und sich somit die verkehrliche Belastung durch diese Baustelle vor Ort deutlich verlängert“, erklärt Behördensprecher Dennis Krämer.
Das klingt für die Kritiker fast zynisch, die sich doch gerade aufgrund der zahlreichen Baustellen in dem Quartier gegen diese weitere gewehrt hatten. So fürchten auch die Kaufleute in der nahe liegenden Waitzstraße um ihr Geschäft. Doch nicht nur dort kommt die aktuelle Wendung in dem Fall überhaupt nicht gut an.
Bezirkspolitik aus Altona reagiert empört: „Einfach nur peinlich“
Auch die Bezirkspolitik aus Altona reagiert auf das Vorgehen empört. Die FDP-Fraktionschefin Katarina Blume, die mit einem Antrag auf einen Baustopp die Sache ins Rollen mitbrachte, findet sehr klare Worte: „Einfach nur peinlich! Dieser neue Stresstest für Grüne in Verantwortung ist hausgemacht und hätte vonseiten der Bezirksamtsleitung leicht vermieden werden können.“ Mit etwas Verständnis für die geplagten Anwohner und die besorgten Gewerbetreibenden wäre der Konflikt nicht derart eskaliert, so Blume. „Jetzt steht man vor einem Scherbenhaufen. Der Kollateralschaden ist groß. Dabei wiegt der Vertrauensverlust in demokratische Prozesse im Bezirk am schwersten.“
Altonas CDU-Fraktion Fraktionschef Sven Hielscher sprach von einem Taschenspielertrick, zudem der Senat nun mit seiner Macht greife, um die katastrophale Baustellenpolitik fortzusetzen. „Planung klappt vorn und hinten nicht. Flottbek-Othmarschen gleicht jetzt schon einem Labyrinth. Für 700 Meter Veloroute Existenzen aufs Spiel zu setzen, ist unverhältnismäßig und unverantwortlich“, so Hielscher, der einen erneuten Antrag für den Hauptausschuss ankündigte. Die CDU fordert von der Bezirksamtsleiterin jetzt, dass sie sich bei der Verkehrsbehörde für den politischen Mehrheitsbeschluss aus Altona für einen Baustopp einsetzt.
CDU: „Zementiert Verkehrschaos und schadet dem Stadtteilzentrum Waitzstraße“
Dass man sich über einen Mehrheitsbeschluss aller Partei außer den Grünen in der Bezirksversammlung Altona einfach hinwegsetzt, verärgert auch die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling: „Damit machen SPD und Grüne deutlich, welchen geringen Stellenwert die Bezirksversammlungen unter diesem Senat haben. Diese zusätzliche Baustelle in Othmarschen gleichzeitig mit einer Vielzahl von anderen Baustellen im Umfeld zementiert das Verkehrschaos und schadet dem Stadtteilzentrum Waitzstraße. Für dieses Desaster trägt ab sofort der Senat aus SPD und Grünen die Verantwortung.“
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Auch vom SPD-Kreisvorsitzenden Sören Platten gab es daher am Dienstag Kritik. Die SPD Altona ist selbst gegen die Baumaßnahme und setzt sich für eine Aussetzung ein, bis andere Baustellen wie der Trassenbau der Fernwärme fertig sind. „Verkehrsbehörde und Bezirksamt machen hier Politik gegen die Menschen in Altona. Denn trotz eines rechtmäßigen Beschlusses der Bezirksversammlung einfach Baustellen einzurichten, als wäre nichts gewesen, ist nicht in Ordnung. Die Diskussionen um die Baustellen an der Reventlowstraße und anderswo sind längst zu einer Frage des Respekts vor der Willensbildung in den Stadtteilen und vor der lokalen Demokratie geworden.“