Hamburg. Abstand ihres Gehalts zu staatlicher Grundsicherung teils zu klein. 8000 Klagen anhängig. Jetzt entscheiden die Bundesverfassungsrichter.
Eine größere Zahl von Hamburger Beamten und Richtern verdient zu wenig Geld. Das Gehalt in den Besoldungsgruppen A7 bis A15 sowie R1 sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Zu diesem Schluss kommt das Verwaltungsgericht Hamburg nach mündlicher Verhandlung in fünf Verfahren. Die Verwaltungsrichter haben beschlossen, die Fälle dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, mit der Frage, ob sie mit Artikel 33, Absatz 5 des Grundgesetzes vereinbar sind, wie sie am Mittwoch bekannt gaben.
Die Vorsitzende des DGB, Tanja Chawla, spricht von einem „Warnsignal für den Senat“. Es räche sich nun, dass der Senat in der Vergangenheit zulasten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gespart habe. Das Personalamt der Stadt Hamburg hingegen hält an seiner Auffassung fest, wie es mitteilte.
Die Musterverfahren betreffen die Besoldung von aktiven Beamtinnen und Beamten mit einer Besoldung nach den Besoldungsgruppen A 7, A 8, A 9, A 12 und A 15 sowie von aktiven Richterinnen und Richtern mit einer Besoldung nach der Besoldungsgruppe R 1 in den Jahren 2020/21. Insgesamt sind bei dem Verwaltungsgericht etwa 8000 Klagen anhängig, mit denen die Feststellung begehrt wird, dass die Besoldung beziehungsweise das Ruhegehalt verfassungswidrig zu niedrig ist. Es handelt sich unter anderem um Polizisten, Feuerwehrleute, Teile der Verwaltung und bei A15 höhere Verwaltungsbeamte wie etwa stellvertretende Leiter weiterführender Schulen.
Verwaltungsgericht: Hamburgs Beamte verdienen zu wenig Geld
Die Verwaltungsrichter kamen zu dem Ergebnis, dass in den unteren Besoldungsgruppen bis einschließlich A 10 die Höhe der Bezüge trotz einer 2021 gewährten Ausgleichszulage in den Jahren 2020 und 2021 nicht den erforderlichen Abstand zur Höhe der Grundsicherung wahre. Das Gehalt liegt demnach also nicht hoch genug über der staatlich gewährten Grundsicherung. Geklagt hatten unter anderem ein Brandmeister der Feuerwehr, ein Polizeihauptkommissar und ein technischer Oberinspektor.
Wenn es jetzt um die Bezüge in den Jahren 2020 und 2021 geht, dann bedeutet das nicht, dass das Problem seither geheilt ist. Das Verwaltungsgericht hatte bereits im September 2020 Verfahren zu der amtsangemessenen Besoldung in Hamburg in den Jahren 2011 bis 2019 dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Bisher hat das Bundesverfassungsgericht darüber nicht entschieden. „Die Besoldungshöhe wird abschnittsweise geprüft“, sagt Max Plog, Sprecher der Hamburger Verwaltungsgerichte, im Hinblick auf die Jahrestranchen.
„Zur Verfassungskonformität der Hamburger Besoldung und Versorgung sind zahlreiche Fragen offen, die nun von den Gerichten schrittweise aufgearbeitet werden“, sagt DGB-Vorsitzende Tanja Chawla. Allein der DGB-Rechtsschutz vertrete etwa 4000 Verfahren vor dem Hamburger Verwaltungsgericht.
Angemessener Lebensunterhalt – dafür dürfen Beamte in Hamburg nicht streiken
Das Grundgesetz verpflichtet in Artikel 33, Absatz 5 den Dienstherrn, Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Diese Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position ist die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, wie es heißt.
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Die Hamburger Verwaltungsrichter kamen jetzt insbesondere bei der Besoldung in den höheren Besoldungsgruppen wie auch in der Besoldungsgruppe R 1 zu dem Ergebnis, dass der Nominallohnindex in Hamburg in den zurückliegenden 15 Jahren erheblich stärker gestiegen sei als die Hamburger Besoldung. Die Angleichungszulage, die im Jahr 2022 ohnehin lediglich für das Jahr 2021 gewährt worden sei, gleiche dies jedenfalls im Ergebnis nicht aus.
Personalamt: Hamburgs Beamte bekommen schon mehr
Das Personalamt der Stadt Hamburg betont, die jetzt vom Verwaltungsgericht verhandelten Fälle beträfen ausschließlich die Jahre 2020 und 2021. „Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass insbesondere im Hinblick auf die Besoldung für das Jahr 2021, für das erstmals zusätzlich die bis einschließlich 2025 eingeführte Angleichungszulage gewährt wurde, die seinerzeitige Besoldung in der Gesamtabwägung insgesamt amtsangemessen war“, wie Personalamtschef Volker Wiedemann sagte.
Und perspektivisch zu den Gehältern ab 2022: Nicht untersucht worden seien vom Gericht die Verbesserungen bei der Beamtenbesoldung, die im November 2022 beschlossen wurden. Dabei seien die finanziellen Leistungen rückwirkend ab 1. Januar 2022 im Hinblick auf den Abstand zur Grundsicherung und die Erhöhung der kinderbezogenen Familienzuschläge erheblich angehoben worden. „So wurde allein der Zuschlag für dritte und weitere Kinder zunächst um 340 Euro auf 725 Euro, ab 2023 auf 800 Euro pro Kind erhöht.“
Verwaltungsgericht: Wer nicht geklagt hat, geht leer aus
Unmittelbare Folgen hat die Entscheidung der Verwaltungsrichter erst einmal nicht für Hamburgs Beamtinnen und Beamten. Über Verfassungskonformität ihrer Besoldung muss das Bundesverfassungsgericht urteilen. „Dies wird absehbar mehrere Jahre dauern“, fürchtet Chawla. Den Verfassungsrichtern liegen bereits Verfahren zur amtsangemessenen Alimentation für die Jahre 2011 bis 2019 vor. „Auch hier ist aktuell der weitere Zeitplan offen.“
Eine Crux aus Sicht der Beamtinnen und Beamten ist ohnehin: Betroffen von der Entscheidung sind nur diejenigen, deren juristische Verfahren noch offen sind – also die 8000 Kläger. Wer gegen einen abschlägigen Bescheid nicht vorgegangen ist, hat das Nachsehen.