Hamburg. Gewerkschaften kritisieren den Entwurf des Hamburger Senats für die „amtsangemessene Alimentation“ – und stellen Forderungen.
Der Streit zwischen der Stadt Hamburg und ihren rund 40.000 Beamten um die „amtsangemessene Alimentation“ geht in die nächste Runde.
Nachdem der Senat in einem Gesetzentwurf eingeräumt hatte, dass er seine Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und andere verbeamtete Mitarbeiter seit Jahren nicht angemessen bezahlt, und das im Kern mit einer „Angleichungszulage“ über insgesamt 230 Millionen Euro heilen will, haben die Gewerkschaften dieses Angebot nun massiv kritisiert und Nachbesserungen gefordert.
Hamburger Beamte sehen Zulage als nicht geeignet an
Diese Zulage „sei als Lösung zur Beseitigung der verfassungswidrigen Unteralimentation nicht geeignet“, schreibt der Beamtenbund dbb in seiner Stellungnahme an den Senat. „Nicht hinnehmbar“ sei vor allem, dass die Pensionäre leer ausgehen sollen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB schreibt, er lehne „die Nichtberücksichtigung und die daraus folgende Benachteiligung der Versorgungsempfänger*innen entschieden ab“.
Und der Hamburgische Richterverein bemängelt, dass sich die „insgesamt verfassungswidrige“ Entlohnung von Richtern und Staatsanwälten mit dem Gesetzentwurf „nicht auf ein angemessenes Niveau heben“ lasse. Dass der Senat als Vergleichsmaßstab nicht die Löhne und Lebenshaltungskosten in Hamburg heranziehe, sondern die (niedrigeren) im Bund, sei „abwegig“.
Streit zieht sich seit einem Jahrzehnt
Wie berichtet, zieht sich der Streit über mehr als ein Jahrzehnt hin. Ausgangspunkt war 2010 die geplante Streichung des Weihnachtsgeldes für Beamte durch den damaligen schwarz-grünen Senat. Diese hatte der neue Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) 2011 zwar etwas abgemildert: Für die meisten Beamten sollte es noch pauschal 1000 Euro geben und für Pensionäre 500 Euro. Für die Gewerkschaften war das dennoch „staatlich organisierter Lohnklau“, sie zogen vor Gericht.
Dort lagen die Fälle viele Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht 2020 anhand von fünf Parametern eine „amtsangemessene Alimentation“ definierte: Demnach darf die Beamtenbesoldung unter anderem nicht zu weit von den Tarifergebnissen abweichen, muss sich an Verbraucherpreisen orientieren und einen Mindestabstand zur staatlichen Grundsicherung gewährleisten.
Rathaus verweigert weitere Zugeständnisse
Kriterien, gegen die Hamburg zum Teil klar verstößt, wie der Senat einräumen musste. Das damalige Versprechen von Scholz, die Tarifergebnisse stets auf die Beamten zu übertragen, hat er zwar bislang eingehalten, aber das konnte die Kürzung des Weihnachtsgeldes nicht kompensieren. Daher nun das Angebot einer Angleichungszulage: Für die Jahre 2021 und 2022 soll jeweils ein Drittel eines Monatsgehalts gezahlt werden, für 2023 bis 2025 jeweils ein Fünftel.
Legt man die 230 Millionen Euro auf die 40.000 Beamten um, erhält jeder von ihnen rein rechnerisch insgesamt 5750 Euro. Der Senat sagt auch die Übernahme des letzten Tarifergebnisses zu: plus 2,8 Prozent zum 1. Dezember 2022. Weitere Zugeständnisse will man im Rathaus aber nicht machen, sehr zum Ärger der Gewerkschaften.
DGB sieht die Angleichungszulage als „hochgradig problematisch“
Einer ihrer Hauptkritikpunkte ist, dass die Angleichungszulage nur aktiven Beamten zugestanden wird, nicht aber den Pensionären. Zudem sei sie nicht ruhegehaltfähig – wirke sich also nicht auf die künftigen Versorgungsansprüche aus. „Hochgradig problematisch“ sei das, schreibt der DGB. Und der dbb kritisiert in seiner Stellungnahme: „Mit dem Ausschluss der Versorgungsberechtigten durchbricht der Senat das Grundprinzip der lebenslangen Alimentation ohne nachvollziehbaren Grund. Vielmehr dürfte es sich hierbei um rein fiskalische Gründe handeln.“
Das würde im Rathaus kaum jemand bestreiten, schließlich ist die Haushaltslage angespannt. Da sich das Bundesverfassungsgericht zu diesem Punkt noch nicht klar geäußert hat, vertritt der Senat die Auffassung, dass es auch legitim ist, die Versorgungsansprüche nicht von den Tarifabschlüssen abzuleiten, sondern von den Renten. Und demnach bestehe „kein Handlungsbedarf“.
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Senat folgt laut DGB nur „formaler Logik“
Zweiter Knackpunkt ist die Dauer der Angleichungszulage: Die Befristung bis 2025 lehnen die Gewerkschaften ab. Der Senat folge damit nur „der formalen Logik“ des Bundesverfassungsgerichtes, wonach für die Alimentation ein Zeitraum von 15 Jahren rückwirkend zu betrachten sei, so der DGB. Demnach würde 2026 die Kürzung des Weihnachtsgeldes im Jahr 2011 aus der Wertung fallen – für den Senat würde damit der Grund für die Zulage entfallen, für die Gewerkschaften wäre das hingegen ein erneuter Einkommensverlust.
Der Beamtenbund dbb macht einen Gegenvorschlag: Er würde auf die Angleichungszuschläge verzichten, wenn dafür die Löhne in den Jahren 2022 bis 2025 zusätzlich um jeweils ein Prozent erhöht würden. Für manche Besoldungsgruppen müsste die Stadt dann sogar zunächst etwas weniger zahlen, dafür wäre dieser Betrag aber ruhegehaltsfähig und hätte „in der Besoldung einen dynamischen Effekt“. Das stößt im Rathaus aber auf wenig Gegenliebe. „Wir machen das, wozu wir durch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet sind“, sagt Volker Wiedemann, Leiter des Personalamts der Stadt.
Hamburger Beamte erzürnt – dbb-Chef wirft Senat Vertrauensbruch vor
Dritter Knackpunkt sind die Zulagen, die der Senat nur teilweise anheben will: „So sind beispielsweise die Stellenzulagen für die Polizei, Berufsfeuerwehren und den Justizvollzug in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein deutlich höher als in Hamburg und werden regelmäßig mit den Anpassungen der Besoldung und Versorgung erhöht“, schreibt der DGB. Dabei müsse Hamburg angesichts höherer Lebenshaltungskosten eigentlich besser besolden als das Umland.
Hamburgs dbb-Chef Rudolf Klüver macht aus seinem Ärger über die Haltung des Senats keinen Hehl: „Dieses Auf-Zeit-Spielen geht allen auf die Nerven.“ Hamburg habe durch die Kürzung des Weihnachtsgelds jährlich rund 50 Millionen Euro gespart – kumuliert bereits 600 Millionen. „Hätte der Senat diese Kürzung/Streichung nicht vorgenommen, wäre kein Beamter darauf gekommen, den Senat zu verklagen“, so Klüver.
Sauer sei man auch aus einem anderen Grund: 2012 hätten die Gewerkschaften nur Musterklagen geführt, weil es die senatsseitige Zusage gab, dass man die Ergebnisse auf alle Betroffenen übertragen werde. Doch nachdem die Klagen im Herbst 2020 vor dem Verwaltungsgericht Hamburg Erfolg hatten, „hatte der Senat nichts Besseres zu tun, als diese damalige Gleichbehandlungszusage zu widerrufen“, so Klüver. Das bewerte man als Vertrauensbruch: „Den Beamten blieb gar nichts anderes übrig, als den Senat erneut zu verklagen.“