Hamburg. 8,24 Millionen Euro Miete für leeres Gebäude: Die Kosten für den neuen Standort im Michaelisquartier laufen aus dem Ruder.
Eigentlich hätten die rund 700 Beschäftigten der Staatsanwaltschaft bereits zum 1. September 2022 in die neuen Räume im Michaelisquartier an der Ludwig-Erhard-Straße (Neustadt) ziehen sollen. Doch offensichtlich unvorhergesehene Nachrüstungen vor allem im Bereich der Sicherheitstechnik und externe Faktoren wie die Baukrise haben immer wieder zu Verzögerungen geführt. Während die Justizbehörde jetzt davon ausgeht, dass der räumliche Wechsel der Anklagebehörde an den neuen zentralen Standort bis Ende dieses Jahres vollzogen sein kann, laufen die Kosten immer weiter aus dem Ruder.
Die zuständigen Senatoren Anna Gallina (Justiz, Grüne) und Andreas Dressel (Finanzen, SPD) haben nun in einer dem Abendblatt vorliegenden Senatsdrucksache eine ernüchternde Zwischenbilanz zur Finanzierung des Projekts vorgelegt, die der rot-grüne Senat in seiner Sitzung am Dienstag beschließen wird. Danach sind zunächst Mehrkosten in Höhe von 2,833 Millionen Euro aufgelaufen, deren Begleichung aus dem laufenden Haushalt die Bürgerschaft bewilligen muss. Davon entfallen 1,239 Millionen Euro auf einmalige Ausgaben. Der hierfür ursprünglich vorgesehene Kostenrahmen von 4,096 Millionen Euro reicht nicht aus.
Staatsanwaltschaft Hamburg: Eigentlicher Umzug soll bis Ende 2024 erfolgen und 1,5 Millionen Euro kosten
Laut Senatsdrucksache müssen für die Ausstattung des 8000 Quadratmeter umfassenden neuen Standorts der Staatsanwaltschaft allein knapp drei Millionen Euro für Büromöbel, die Möblierung der Konferenzräume, den Eingangsbereich und Aktenaufbewahrung sowie weitere Posten der Ausstattung ausgegeben werden. Der eigentliche Umzug wird jetzt mit 1,525 Millionen Euro veranschlagt, weitere Kostenfaktoren sind der IT-Umzug (389.000 Euro), die Baustellensicherung und Baureinigung (160.000) sowie Dienstleistungen wie Planung und Controlling (294.000).
Hinzu kommen laufende Mehrkosten in Höhe von 1,594 Millionen Euro für das Jahr 2024. Dazu zählen Kostensteigerungen bei der Wartung, der Bauunterhaltung und der Reinigung des Gebäudekomplexes sowie die Einrichtung einer Sicherheitsleitstelle. Außerdem muss die Stadt der Vermieterin, der Bayerischen Ärzteversorgung, 554.000 Euro pro Jahr dafür zahlen, dass sie einen Teil der sogenannten Betreiberpflichten übernimmt.
Hinzu kommt eine sogenannte Investitionsmiete in Höhe von 278.000 Euro (2024), die sich von 2025 an auf 576.000 Euro jährlich erhöht. Hiermit werden Mehrkosten bei den Umbauten (etwa im Bereich der Sicherheitstechnik) abgegolten, die auf Wunsch der Stadt zurückgehen. Von 2025 an steigen die laufenden jährlichen Mehrkosten nach jetziger Planung sogar von 1,594 auf 2,630 Millionen Euro.
Staatsanwaltschaft hätte am 1. September 2022 in das Bürogebäude einziehen sollen
Im Bürgerschaftsteil der Senatsdrucksache wird auf die geplante Übergabe zum 1. September 2022 verwiesen. „Die Fertigstellung der Mietflächen verzögerte sich allerdings“, heißt es in der nüchternen Behördensprache. Verantwortlich dafür seien „äußere Faktoren wie die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit ihren besonderen auch für das Baugewerbe weitreichenden Folgen wie Personalausfall …, dem Baustoffmangel und den unterbrochenen Lieferketten etc.“.
Aber auch „projektspezifische Faktoren“ hätten zu Verzögerungen geführt, vor allem, was den „Umfang und die Komplexität des in den Mietflächen umzusetzenden Sicherheitskonzeptes und die damit einhergehende Sicherheitstechnik“ angeht. „Die Harmonisierung der vermieter- und mieterseitigen Baumaßnahmen gestaltete sich in der Planung, der Ausführung und im gesamten Bauablauf von Beginn als komplex und überplanmäßig zeitaufwendig“, heißt es an einer Stelle der Drucksache.
Michaelisquartier: Miete wird sich voraussichtlich auf rund 440.000 Euro monatlich erhöhen
Der damalige Justizsenator Till Steffen (Grüne) hatte den Mietvorvertrag mit der Bayerischen Ärzteversorgung am 17. Dezember 2019 geschlossen. Das Ziel: Die bislang auf drei Standorte verteilte Staatsanwaltschaft sollte im Michaelisquartier unter einem Dach zusammengefasst werden. Die eigentlichen Mietverträge wurden schließlich am 4. und 5. Februar 2021 unterzeichnet, nunmehr unter der Verantwortung von Steffen-Nachfolgerin Anna Gallina. Vereinbart wurde eine monatliche Bruttomiete von 392.530 Euro für das gesamte Gebäude.
Grundsätzlich sollte die Stadt den technischen Gebäudebetrieb „mit eigenem Personal und auf eigene Kosten“ übernehmen, wie es in der Senatsdrucksache heißt. Doch was das genau bedeutet, war offensichtlich nicht eindeutig im Mietvertrag geklärt, denn es bestand „Uneinigkeit zwischen den Mietparteien bezüglich der Verantwortlichkeit für einzelne technische Anlagen“, wie es in der Drucksache heißt.
Im Ergebnis muss die Stadt nun mehr Betriebskosten übernehmen. Da die Justizbehörde die Arbeiten aufgrund fehlender Kapazitäten nicht selbst ausführen kann, übernimmt das die Bayerische Ärzteversorgung. Dadurch erhöht sich die Miete von 392.530 Euro um 46.120 Euro monatlich rückwirkend vom 1. Januar 2024 an.
Obwohl noch kein Staatsanwalt eingezogen ist, hat die Stadt schon 8,2 Millionen Euro Miete gezahlt
Noch nicht exakt bezifferbar sind die Mehrkosten infolge der baulichen Sonderwünsche der Stadt als Mieterin, die über eine Investitionsmiete abgegolten werden soll. Laut Senatsdrucksache wird nach jetzigem Stand mit einem Mehraufwand von 4,6 Millionen Euro gerechnet.
„Die genaue Höhe wird erst nach endgültiger Abrechnung sämtlicher Baumaßnahmen feststehen“, heißt es in der Drucksache. Bezogen auf die Gesamtlaufzeit des Mietvertrages bis 2043 soll die Bürgerschaft für die erforderlichen Nachträge des Mietvertrages voraussichtlich eine zusätzliche Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 21 Millionen Euro bewilligen.
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Wie sehr der mit hohen Erwartungen hinsichtlich der Effektivität der Staatsanwaltschaft verkündete Umzug ins Michaelisquartier zu einem Millionengrab mutiert ist, zeigt auch dies: Obwohl bis auf den heutigen Tag kein einziger Staatsanwalt in das Bürogebäude eingezogen ist, zahlt die Stadt seit September 2022 die volle Miete oder formal korrekt die sogenannte Nutzungsausfallentschädigung. Bislang sind bereits 8,24 Millionen Euro aufgelaufen – gewissermaßen für nichts.
Noch laufen die Bauarbeiten auf Hochtouren, die „sich voraussichtlich bis ins zweite Quartal 2024 erstrecken“, wie es in der Drucksache heißt. „Im Anschluss daran soll mit den Umzügen der Staatsanwaltschaft aus den verschiedenen Liegenschaften in das Michaelisquartier begonnen werden“, heißt es weiter. Voraussichtlicher Abschluss des Umzugs soll „Ende 2024“ sein – fünf Jahre nach Unterzeichnung des Mietvorvertrages.