Hamburg. Behörde soll komplett zum Michel ziehen. Doch die neuen Räume sind nicht fertig und zu knapp bemessen – die alten aber schon vermietet.
„Handlungsfähiger (Rechts-)Staat in schwierigen Zeiten“. Unter dieser Überschrift hat Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) jüngst vor dem Hamburgischen Richterverein über die Rahmenbedingungen für den Haushalt 2023/2024 mit Fokus auf die Justiz berichtet. Tenor: Die Justiz bekommt ausreichend Geld. Allerdings: Wie das Abendblatt aus Justizkreisen erfuhr, liegt die gute finanzielle Ausstattung nicht am Verhandlungsgeschick von Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Es war Dressel selbst, der der Senatorin aus einer Patsche geholfen hatte.
Darum geht es: Allein bei den Gerichten ist die Zahl der Stellen seit 2017 um 165 auf 2757 angestiegen. Die eine Hälfte des Zuwachses entfällt auf Richterinnen und Richter, die andere auf das nicht richterliche Personal. Hinzu kommt ein beträchtlicher Stellenaufbau bei der Staatsanwaltschaft und deren Geschäftsstellen. Aber: Für viele der Posten gab es nur eine Anschubfinanzierung, sie waren nicht dauerhaft im Stellenplan des Haushalts abgesichert. „Wir wären ohne Verstärkung in der Justiz zum Jahresende in eine deutliche Unterfinanzierung gelaufen“, sagt Dressel jetzt dem Abendblatt.
Justiz Hamburg: Personalkostendefizit wurde ausgeglichen
„Auf der Zielgeraden der Haushaltsberatungen des Senats ist es jedoch gelungen, das Personalkostendefizit mit dem Haushalt 2023 vollständig auszugleichen — ähnlich wie bei Bezirken, Polizei und Schule. Das war am Anfang nicht abzusehen“, sagt Dressel. Es seien jetzt sogar für die Folgejahre Steigerungsraten und damit eine Dynamisierung vorgesehen. Verantwortlich für die positive Entwicklung war ein unerwarteter Geldsegen: die überraschend hohe Dividende aus dem Hapag-Lloyd-Anteil sowie die deutlich höheren Einnahmen aus dem HSH-Portfolio.
Dressel will nun von den Mehreinnahmen jährlich zunächst 250 Millionen Euro und aufwachsend 400 Millionen Euro bis 2026 zum Ausgleich von Defiziten in die Personaletats mehrerer Behörden stecken. Allein die Justizbehörde erhält 86 Millionen Euro mehr 2023 – das ist eine Steigerung um 12,5 Prozent gegenüber dem letzten Vor-Corona-Haushalt 2019 auf dann 687 Millionen Euro.
„Grüne kümmern sich nicht um Justiz und Polizei“
Zum Einschreiten des Finanzsenators zugunsten der Justiz sagt der Personalratsvorsitzende der Staatsanwaltschaft, Boris Bochnick: „Der Finanzsenator ist offensichtlich ein größerer Freund der Justiz als die Justizsenatorin.“ CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker meint: „Die Mittel für unsere dauerhaft überlastete Justiz sind dringend nötig. Dass nicht die grüne Behördenleitung auf die Idee kam, sondern die SPD die Steuerung übernehmen musste, ist ein Armutszeugnis und ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Grünen nicht um Justiz und Polizei kümmern.“
Dressel äußert sich zurückhaltend. „Wir haben diese gute Lösung im großen Einvernehmen mit der Justizbehörde gefunden“, sagt der Sozialdemokrat. Und Senatorin Gallina betont: „Ein starker Rechtsstaat braucht eine starke Justiz. Dazu ist ein solides finanzielles Fundament notwendig. Der vom Senat beschlossene Doppelhaushalt ist ein klares Bekenntnis dazu. Eine Steigerung um mehr als 15 Prozent im Haushaltsentwurf für die Justiz – das ist dringend benötigtes und gut angelegtes Geld.“
Zu wenig Räume für die Staatsanwaltschaft
Erhebliche Probleme gibt es indes nach Abendblatt-Informationen weiterhin bei den Büroräumen für die Staatsanwaltschaft. Eine deutliche Entlastung und mehr Platz für die Ermittlungsbehörden sollte es dadurch geben, dass schon zu Zeiten von Justizsenator Till Steffen (Grüne) Ende 2019 gegenüber dem Tower am Michel, in dem unter anderem die Generalstaatsanwaltschaft und die Wirtschaftshauptabteilung V ihre Büros haben, zusätzlich das Michaelisquartier an der Ludwig-Erhard-Straße 11–17 angemietet wurde.
Damit soll die Hamburger Staatsanwaltschaft, die bisher auf vier Standorte in der Stadt verteilt ist, zentralisiert werden. Nach einer „beispiellosen Personaloffensive“ solle nun auch die Infrastruktur Schritt halten. Dies sei durch die geplante Anmietung des etwa 17.600 Quadratmeter großen Gebäudekomplexes gelungen, so der Senator damals.
Alte Räume sind bereits neu vermietet
Dies geschah nach Informationen des Abendblatts allerdings, ohne zuvor den Bedarf zu ermitteln. Heute sei klar, so ist aus informierten Kreisen zu hören, dass insgesamt rund 17.000 Quadratmeter Büroflächen fehlten. Das Argument, mit der Einführung der E-Akte sinke der Platzbedarf, verfange nicht, heißt es intern. Die E-Akte werde zwar offiziell 2026 eingeführt, tatsächlich sei ein Effekt aber wohl erst 2030 spürbar. Und: Damit seien Zigtausende Kubikmeter von Papierakten nicht weg. Denn eine Aufbewahrungspflicht bestehe mindestens fünf Jahre, in etlichen Fällen auch bis zu 30 Jahren.
Hinzu kommt: Die Umbauten im Michaelisquartier, wohin die Abteilungen der Staatsanwaltschaft, die bislang in Büroräumen am Gorch-Fock-Wall und an der Kaiser-Wilhelm-Straße sowie im Michel-Tower arbeiten, eigentlich im dritten Quartal 2022 umziehen sollen, sind noch nicht abgeschlossen. „Die Bestandsimmobilie wurde vom Immobilien-Service-Zentrum (ISZ) für die Stadt angemietet und muss entsprechend hergerichtet werden“, sagt dazu ein Sprecher der Justizbehörde. „Bei diesen vermieterseitigen Baumaßnahmen kam es zu Verzögerungen. Grundsätzlich sind die Justizimmobilien langfristig angemietet. Sollte es zu Engpässen kommen, können auch kurzfristig weitere Räume vorübergehend angemietet oder hergerichtet werden.“
Kapazität für 6700 laufende Aktenmeter
Der anders bemessene Platz im Michaelisquartier ergebe sich daraus, dass viele Fragen zu den späteren Nutzungsbedarfen seinerzeit erst nach Vertragsabschluss hätten geklärt werden können, darunter auch die Aktenmenge, so der Behördensprecher weiter. Nach aktuellem Stand müssten circa 9000 laufende Aktenmeter untergebracht werden, das Gebäude habe aber nur Kapazität für 6700 laufende Aktenmeter. Das führe dazu, dass mehr Bürofläche für die Aktenaufbewahrung aufgewendet werden muss und dementsprechend weniger Beschäftigte untergebracht werden könnten.
Einen Termin für die Übergabe der Räume gibt es nach Senatsangaben noch nicht. Allerdings sind Büroräume im fünften und sechsten Stock des Michel-Towers, in denen Teile der Staatsanwaltschaft untergebracht sind, zum Frühjahr neu vermietet. Das heißt: Staatsanwälte und Geschäftsstellenmitarbeiter müssen dann ihre Büros räumen. Für die davon betroffene Abteilung würden „sich Übergangslösungen beziehungsweise Lösungen im Bestand finden“, heißt es dazu auf Anfrage aus der Justizbehörde.
Justiz Hamburg: Kritik an Anna Gallina
„Frau Gallina agiert gegenüber ihren Mitarbeitern in der Staatsanwaltschaft völlig intransparent“, kritisiert Personalrat Bochnick. „Die Mitarbeiter wissen, sie müssen im Frühjahr raus, aber sie wissen nicht, wohin“, sagt Bochnick. Darüber hinaus seien die geplanten Flächen im Michaelisquartier zu gering bemessen, heißt es. Nach einer Senatsrichtlinie habe ein Staatsanwalt Anspruch auf 18 Quadratmeter Bürofläche, soll aber nur 10 bis 12 bekommen.
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Bochnick: „Das wurde als Wertschätzung verkauft, weil jeder sein eigenes Büro bekommen sollte. Jetzt ist aber klar, dass alle Halbtagskräfte Doppelbüros bekommen.“ Das sei schwierig, weil Staatsanwälte naturgemäß mit hochbrisanten Daten und vertraulichen Ermittlungen umgingen. Bochnick: „Dafür braucht man Einzelbüros oder zumindest Büros, in den sicherstellt werden kann, dass man mal die Tür zumachen kann.“