Hamburg. Fotograf Stephan Pflug wirft einen Szene-Blick auf die umkämpfte Kreuzung. Was die Sternbrücke zu einer Hamburger Ikone macht.
Die Brücke hat ihren festen Platz in Pop und Poesie: „Über sieben Brücken musst du geh’n“, wahlweise von Karat oder Maffays Peter, „Bridge over troubled water“ von Simon & Garfunkel und für die Generation hart und heftig gibt es die Red Hot Chili Peppers mit „Under the bridge“. Eine Brücke, die – neben Lombards-, Kennedy-, Landungs- und Elbbrücken – ihren festen Platz im Hamburger Straßenleben hat, ist die Sternbrücke.
Eigentlich eine reine Bahnbrücke. Aber was sie überbrückt, das ist das magisch Anziehende an ihr. Und bald ist sie weg. Wird neu gebaut. Anders, breiter, länger, höher, geschwungener. Die Deutsche Bahn hat im Auftrag der Stadt Hamburg ein Modell vorgestellt, das als „Monsterbrücke“ verunglimpft oder als Zweckbau für die nicht mehr zu sanierende Konstruktion aus den Jahren 1925/1926 bezeichnet wird.
Sternbrücke: Straßenkampf und Klage vor dem Verwaltungsgericht
Der Straßenkampf um diesen Neubau und die Klage der Initiative Sternbrücke vor dem Verwaltungsgericht dagegen sind bereits in die Annalen der Hamburg-Geschichte eingegangen. Nun hat der Fotograf Stephan Pflug ein Buch vorgelegt, das als nostalgischer Blick auf „Hamburgs letzten urbanen Ort“ (Untertitel) verstanden werden kann. Oder eben als ein poetischer Blick auf eine Szene, die die Stadt nicht minder prägte als angrenzende Quartiere der Sternschanze oder St. Paulis.
Kristina Sassenscheidt vom Denkmalverein schreibt in Pflugs Buch: „Wer schon mal einen Abend durch die verschwitzten Fenster der Astra Stube auf die orange beleuchtete Kreuzung geschaut hat, weiß, was er meint: Auf eine ungeplante und paradoxe Art führt das Übermaß an Verkehr im Aufeinanderprallen mit der Musikszene dazu, dass die Kreuzung fast ständig vibriert und voller Energie steckt.“
Clubs an der Sternbrücke als Teil Hamburger Geschichte
Stephan Pflug fängt das mit der Kamera ein. Manchmal ist es wie ein Stillleben mit Nebel oder pointillistisch wirkenden Schneeflocken an der Metallkonstruktion auf Backsteinen, die, sagt Sassenscheidt, sogar an die architektonische Hamburger Ikone Chilehaus erinnert. Auf anderen Bildern knistert die Spannung aus dynamisch verwischten Autos und Radfahrern, schummrigem Rotlicht und ausdrucksstarken Nachtschwärmern im Umfeld der Clubs wie Fundbureau oder Waagenbau.
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Jan Delay im Video: „Oh Jonny“ von „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“
Die Clubs ziehen während des Neubaus zwangsweise weiter – kann der Charme der alten Sternbrücke bleiben? Wird er von den Menschen an dieser hoch belasteten Kreuzung von Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee getragen oder von dem rotten Charme der Stein-Metall-Melange? Pflugs Blick sagt: Es ist beides. Deshalb wird der Wert dieser Fotos vielleicht erst in ein paar Jahren zu bemessen sein, wenn sich mit dem Neubau der Charakter des Quartiers gewandelt hat.
Wird es „schanziger“? Überzogen mit dem Makler-Neon gentrifizierender Neubauten? Die Generationen X, Y und Z werden älter. Ob überhaupt noch und wo sie chillen, tanzen und feiern, wird sich weisen. Ein Urhamburger Künstler, als Sohn einer protestaffinen Familie in einem einzigartigen Wohnprojekt in Eppendorf aufgewachsen, hat die Sternbrücke bereits als musikalisches Denkmal gefeiert. Jan Delay setzte ihren Stahl und die vibrierende Szene darunter auf das Cover seines Albums „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“.
Stephan Pflug: Die Sternbrücke. Hamburgs letzter urbaner Ort. Junius Verlag, Hardcover, 24,90 Euro.