Hamburg. Schüsse am Millerntor: Den drei Angeklagten wird Beihilfe zum versuchten Mord vorgeworfen. Hinter der Tat steckte eine Rockerfehde.
Der Mann saß am Steuer seines Bentley an einer roten Ampel. Plötzlich wurden aus einem Auto neben dem Luxuswagen Schüsse auf den Fahrer abgefeuert. Fünf Kugeln trafen den Rockerboss und verletzten ihn lebensgefährlich. Seit diesem Angriff vom August 2018 ist der damals 38 Jahre alte Dariusch F. querschnittsgelähmt.
Mehrere Menschen sind wegen dieser spektakulären Tat auf den Hells Angel bereits verurteilt worden. Hintergrund des Angriffs war eine persönliche Fehde zwischen Mitgliedern der 2016 aufgelösten Rockergruppe Mongols und den Hells Angels. Seit Dienstag stehen nun drei weitere mutmaßliche Beteiligte vor Gericht.
Prozess in Hamburg: Die angeklagten Frauen sollen Beihilfe geleistet haben
Den Frauen im Alter von 56, 36 und 35 Jahren wird in dem Prozess vor dem Landgericht Hamburg vorgeworfen, sie seien in die Planung für das Verbrechen eingebunden gewesen und hätten dadurch Beihilfe geleistet. Das Gesetz sieht bei einer Verurteilung einen Strafrahmen von drei bis 15 Jahren vor.
Vor Prozessbeginn, als Fotografen und Kamerateams Bilder machen wollen, stellen sich die Verteidiger vor ihre Mandantinnen und schirmen sie so vor den Fotos ab. Danach nehmen die Frauen neben ihren jeweiligen Anwälten Platz und scheinen einander keines Blickes zu würdigen. Dabei stehen sie sich zumindest offiziell sehr nahe. Bei den Angeklagten handelt es sich um die Mutter und die beiden Schwestern des Auftraggebers der damaligen Tat.
Drahtzieher wurde in Hamburg bereits zu lebenslanger Haft verurteilt
Dieser Drahtzieher, Arasch R., wurde bereits zu lebenslanger Freiheitsstrafe unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilt. Ebenfalls rechtskräftig sind die Urteile gegen den damaligen eigentlichen Schützen, der sechs Jahre und neun Monate Haft erhielt, sowie gegen den Vater des Auftraggebers, gegen den neuneinhalb Jahre Freiheitsstrafe verhängt wurden. Die Freundin des Auftraggebers und Haupttäters, die am Steuer des Autos gesessen hatte, aus dem die Schüsse abgegeben wurden, hatte zwölfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe erhalten.
Den nun angeklagten drei Frauen im Alter von wird Beihilfe zum versuchten Mord vorgeworfen. Bei dem Verbrechen vom August 2018 handelt es sich der Anklage zufolge um einen Racheakt für einen Anschlag auf Arasch R. und dessen Freundin Lisa S. Das Paar war am 15. Juni 2016 in einer Wohnung in Hamburg-Schnelsen angegriffen und durch Schüsse schwer verletzt worden. Nach Überzeugung von Arasch R. und dessen Vater war Rockerboss Dariusch F. für diese Tat verantwortlich. Um sich zu rächen und seine Ehre wiederherzustellen, so die Anklage, habe Arasch R. entschieden, dass der Hells Angel sterben müsse.
Der eigentliche Schütze sollte 10.000 Euro für seine Tat bekommen
Also hätten Arasch R. aus der Haft heraus, wo er mittlerweile eine Strafe unter anderem wegen eines Drogendeliktes verbüßte, zusammen mit seinem Vater die Erschießung von Dariusch F. geplant. Dafür heuerten sie über einen Mittelsmann einen Mann an, der gegen eine Bezahlung von 10.000 Euro den Anschlag ausüben sollte und letztlich auch die fünf Schüsse auf den Rockerboss abfeuerte. „Es handelt sich um einen feigen Racheakt, basierend auf kulturell geprägten und übersteigerten Ehrvorstellungen“, hatte seinerzeit die Vorsitzende Richterin im Urteil gegen Arasch R., dessen Vater sowie den Schützen gesagt.
Der Hauptangeklagte entstamme „einem archaischen Wertesystem, bei dem vor allem Stärke und Männlichkeit im Vordergrund stehen“. Er habe als ehemaliger Anhänger der „Mongols“ nach dem Angriff auf ihn und seine Freundin nicht als Schwächling dastehen, sondern als Sieger aus der Situation hervorgehen wollen.
Angeklagte sollen sich an Suche nach Hells Angel beteiligt haben
Im Zuge der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Verbrechen an dem Hells Angel gerieten neben den damals Verurteilten auch die drei jetzt angeklagten Frauen ins Visier der Ermittler. Laut der Anklage in dem neuen Prozess waren die 56-Jährige, die 36-Jährige sowie die ein Jahr jüngere Frau in die Planungen für das Attentat eingebunden. Auch diese machten demnach Dariusch F. für die Tat vom Juni 2016 verantwortlich.
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Im Einzelnen sollen sich zwei der Angeklagten am Vortag der Tat an der Suche nach dem späteren Opfer beteiligt haben, die jedoch zunächst erfolglos blieb. Zudem sollen sie telefonisch mit der dritten Frau in Kontakt gestanden haben. Als am nächsten Tag der Hells Angel, den die späteren Täter ins Visier genommen hatten, an der Seilerstraße entdeckt wurde, sollen die 56-jährige und die 35-jährige Angeklagten die Freundin des Auftraggebers angerufen haben, um zu fragen, ob das spätere Opfer bereits gefunden wurde – und die Tat zu Ende gebracht ist. Dadurch, so die Anklage, hätten sie zum Ausdruck gebracht, dass sie weiterhin hinter der Tat stehen und diese befürworten.
Schüsse trafen das Opfer an Kopf und Oberkörper – querschnittsgelähmt
Als schließlich die Schüsse aus dem neben ihm haltenden Auto abgegeben wurden, so die Anklage, habe Hells Angel Dariusch F. sich „keines Angriffs versehen“, sei also arglos gewesen. Damit wäre das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt. Die Schüsse trafen das Opfer im Bereich des Kopfes und des Oberkörpers.
Er werde im Prozess als Zeuge nicht aussagen, ließ der Mann über seinen Anwalt mitteilen. Schon in den vorangegangenen Prozessen hatte Dariusch F. bereits im Vorfeld deutlich gemacht, dass er nichts sagen werde.
Umso mehr darf man auf die Aussage der vor Jahren verurteilten Freundin des Auftraggebers, Lisa S., gespannt sein. Die heute 29-Jährige, die längst ihre Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren verbüßt, gilt als eine Schlüsselfigur in dem Verfahren, weil sie in die damalige Tat erheblich eingebunden war. Aktuell ist sie im Zeugenschutzprogramm. Ihre Aussage wird am nächsten Verhandlungstermin, am kommenden Freitag, erwartet.