Hamburg. Der Hells Angel wurde Opfer eines Anschlags. Auch der Vater des Hauptangeklagten sowie der Schütze müssen viele Jahre in Haft.
Sie wollten den Mann tot sehen. Oder noch besser: Er sollte den Rest seines Lebens schwer leiden. Dieses Schicksal hatten sich nach Überzeugung des Landgerichts der frühere Mongols-Rocker Arasch R. und seine ihm blind ergebene Freundin für den verfeindeten Hells-Angels-Boss Dariusch F. überlegt – und den Plan konsequent verfolgt. Am Ende hockte ihr Opfer da, von fünf Kugeln in den Oberkörper getroffen, blutend, mit schwersten Verletzungen. Der 38-Jährige wird den Rest seines Lebens auf einen Rollstuhl angewiesen sein.
„Es handelt sich bei den Schüssen um einen feigen Racheakt, basierend auf kulturell geprägten und übersteigerten Ehrvorstellungen“, sagte die Vorsitzende Richterin am Donnerstag im Prozess vor dem Landgericht, in dem drei Männer sich wegen des Attentats vom 26. August 2018 verantworten mussten.
Vater des Hauptangeklagte zu neuneinhalb Jahre Haft verurteilt
Die Kammer verhängte gegen den angeklagten früheren Mongol Arasch R. eine lebenslange Freiheitsstrafe unter anderem wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung. Der Vater des 29-Jährigen, der 73 Jahre alte Toryali R., bekam neuneinhalb Jahre Haft. Und ein 27-jähriger Bulgare, der die Schüsse abgefeuert und dazu ein umfangreiches Geständnis abgegeben hatte, wurde zu sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem ordnete das Gericht die Unterbringung des unter Schizophrenie leidenden und drogensüchtigen Mannes in einer psychiatrischen Klinik an. Die Freundin von Mongol Arasch R., die 25 Jahre alte Lisa S., wurde bereits in einem früheren Verfahren rechtskräftig zu zwölfeinhalb Jahren verurteilt.
Arasch R. und Lisa S. waren im Juni 2016 in ihrer Wohnung in Schnelsen Opfer eines Anschlags geworden, bei dem sie beide durch Schüsse schwer verletzt wurden. Die Täter wurden nie gefasst, doch das Pärchen war überzeugt davon, dass Hells-Angels-Boss Dariusch F. die Schüsse in Auftrag gegeben hatte. Dafür hatten sie sich rächen wollen, ist das Gericht überzeugt. Insbesondere Arasch R. sei eine Vergeltung wichtig gewesen.
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„Er entschied sich, Selbstjustiz zu verüben“, sagte die Vorsitzende. Als ehemaliger Mongols-Boss habe er sich gedemütigt gefühlt und auf ein „archaisch anmutendes Wertesystem“ bezogen, „bei dem vor allem Stärke und Männlichkeit im Vordergrund stehen“ Er habe auf keinen Fall als Schwächling dastehen“ wollen. Die Vergeltungsmaßnahme habe aber, betonte die Richterin, „mit unserem Rechtssystem nichts, aber auch gar nichts zu tun, auch wenn er selber Opfer eines solchen Verbrechens geworden ist“.
Schütze sollte für die Tat 10.000 Euro bekommen
Schließlich setzte das Pärchen demnach seinen Racheplan um. Arasch R., der mittlerweile unter anderem wegen Drogenvergehen im Gefängnis saß, konnte nicht selber zur Tat schreiten. Über Mittelsleute fand er nach Überzeugung des Gerichts den Bulgaren Angel I., der zunächst nur erfahren hatte, dass er für einen „Auftrag“ 10.000 Euro bekommen solle. Tatsächlich erhielt er seinen Killerlohn nie. Zwei Abende wurde der 27-Jährige über den Kiez gefahren, erst vom Vater von Arasch R. und dann von Lisa S., um den Hells-Angels-Boss aufzustöbern.
Erst während der Autofahrt, so hatte der spätere Schütze dem Gericht erzählt, sei ihm mitgeteilt worden, dass er auf jemanden schießen solle. Toryali R. und Lisa S. hätten ihn aufgefordert, alle fünf Kugeln, mit denen eine von ihnen besorgten Waffe geladen war, auf den Oberkörper des Opfers abzufeuern. Ihm sei gesagt worden, der 38-Jährige solle danach „nur noch ein halber Mann sein, ein Krüppel“, oder getötet werden. Der 73-jährige Toryali R. habe noch erzählt, dass er die Tat gern selber verüben würde — wenn er jünger wäre.
Rockerboss ist seit dem Attentat querschnittsgelähmt
Am ersten Abend, an dem die Rache vollzogen werden sollte, konnten sie das Opfer nicht finden. Dann aber, am 26. August 2018, entdeckte Lisa S. den Bentley von Dariusch F. vor einem Lokal auf dem Kiez. Dass sie ihr Ziel aufgestöbert hatten, teilte Lisa S. ihrem Freund Arasch R. in einer verschlüsselten Nachricht direkt in die Zelle mit: „Schatz, ich habe das schönste Kleid überhaupt gefunden. Ich liebe dich.“ Schütze Angel I. zielte nun aus nächster Nähe auf das Opfer, traf den 38-Jährigen in Brust und Schulter. Die Querschnittslähmung und die Organverletzungen, die der Hells-Angels-Boss dadurch erlitt, seien ein „ganz schreckliches und verheerendes Verletzungsbild“, sagte die Richterin.
Arasch R. hatte im Prozess eingeräumt, den Schützen mit organisiert zu haben. Sein Vater hatte die Verantwortung für die Schüsse zurückgewiesen. Allein Lisa S., die nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung in diesem Prozess als Zeugin ausgesagt hatte, hatte versucht, die Schuld auf sich zu nehmen: für Arasch R., dessen Namen sie sich in die Haut hat tätowieren lassen. Den Mann, den sie abgöttisch liebt. Ein bisschen so wie Bonnie und Clyde.