Hamburg. Das Verfahren offenbare „Abgründe“, sagte die Richterin. Die Angeklagten hätten den Tod des Opfers als „Konsumunfall“ verschleiern wollen.

Am Ende breiteten sie eine Decke über den Mann aus. Bis über den Kopf ragte der Stoff, sodass von dem Leichnam kaum noch etwas zu sehen war. Man könnte diese Geste als pietätvoll verstehen. Doch irgendwelche ethischen oder mitfühlenden Regungen hatten seine Bekannten mitnichten.

Es ging ihnen eher darum, die wahren Gründe für den Tod des Mannes zu verschleiern. Dass es Mord war – und sie die Täter. Martin R. (alle Namen geändert) war gestorben, weil man ihm heimlich Methadon ins Getränk gekippt hatte.

Mord in Hamburg: Tod durch Methadon-Überdosis! Lebenslange Haft für drei Täter

So lautet die Überzeugung des Landgerichts, das jetzt in einem Prozess gegen drei Männer im Alter von 26, 38 und 41 Jahren die Urteile verkündete: Die Angeklagten wurden jeweils zu lebenslangen Freiheitsstrafen wegen Mordes und Raubes mit Todesfolge verurteilt.

Nach Überzeugung der Kammer hatten die Täter am 13. April vergangenen Jahres dem Opfer das Methadon untergejubelt im Wissen, dass das Verabreichen von Methadon an einen Menschen, der diese Droge nicht gewohnt ist, zum Tode führen kann, sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. „Sie wussten um die Gefahren und kannten das Risiko.“ Somit hätten die Angeklagten den Tod des 39-Jährigen billigend in Kauf genommen. Das Motiv sei gewesen, dass sie an das Geld des Opfers kommen wollten.

Prozess Hamburg: „Dieses Verfahren offenbart Abgründe“

„Dieses Verfahren offenbart Abgründe“, sagte die Vorsitzende Richterin. Diese täten sich nicht nur wegen der Angeklagten auf, sondern auch wegen einer Vielzahl der Zeugen, die „aus falsch verstandener Solidarität“ zu den Angeklagten in dem Verfahren nicht die Wahrheit gesagt hätten. Mehrere Aussagen seien von einem „falsch verstandenen Ehrenkodex“ geprägt gewesen und von der Überzeugung, „in Steilshoop halte man zusammen. Aber alles Mauern war letztendlich vergeblich“, so die Richterin. Alle Angeklagten hätten überführt werden können, das Verbrechen im April begangen zu haben. Eigentlich hätten sie es so aussehen lassen wollen, als ob das spätere Opfer selber versehentlich das Methadon konsumiert habe.

„Der Plan wäre auch um ein Haar aufgegangen“, bilanzierte die Richterin. Doch tatsächlich werde der Tod des 39-Jährigen „nicht als tragischer Unglücksfall zu den Akten gelegt“, sondern als heimtückischer Mord entlarvt – und die Täter würden entsprechend verurteilt.

Kein tragischer Unglücksfall, sondern ein heimtückischer Mord

Nach Überzeugung des Gerichts hatte Martin R. in seinem Bekanntenkreis in Hamburg-Steilshoop die Legende verbreitet, er sei ein vermögender Mann. So nahmen die Geschehnisse demnach ihren Lauf: Von diesem angeblichen Reichtum erfuhren auch die 26, 38 und 41 Jahre alten Männer und fassten den Plan, Martin R. „auszunehmen“ und sich „so umfassend wie möglich an dem vermuteten Vermögen zu bereichern“, sagte die Richterin.

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Eine Weile funktionierte ihr Vorhaben gut. Zunächst war der 39-Jährige bereit, Überweisungen zugunsten seiner neuen Bekannten vorzunehmen. Doch schließlich wollte er nicht mehr, gab absichtlich falsche PIN-Nummern ein, damit die Zahlungen scheitern sollten. Doch die falschen Freunde wollten ihre bequeme Einnahmequelle nicht so einfach aufgeben.

Gericht: Die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wurde ausgenutzt

Also beschlossen sie nach Überzeugung des Gerichts, den 39-Jährigen mit Methadon zu sedieren, um dann in seinem Namen weitere Überweisungen tätigen zu können. Sie hätten, als sie in der Wohnung eines der Angeklagten zusammensaßen, dem Mann heimlich die Ersatzdroge in das Getränk mischen wollen. Damit, sagte die Richterin, hätten sie die Arg- und Wehrlosigkeit des Hamburgers ausgenutzt – ein Mordmerkmal. Das ahnungslose Opfer hatte demnach keine Chance, sich gegen die tückische Tat zur Wehr zu setzen. Es verstarb an einer Methadon-Intoxikation.

Zum Prozessauftakt hatte sich keiner der drei Männer mit serbischer, deutscher und syrischer Staatsangehörigkeit zu der Anklage äußern wollen. Später hatten sie alle bestritten, für den Tod des 39-Jährigen verantwortlich zu sein. Einer hatte unter anderem gesagt, er habe „einen Freund verloren“. Und einer gab an, er wisse nicht, wie es zu dem Tod des Opfers gekommen sei. Die Angeklagten stellten das Geschehen als „Konsumunfall“ dar. Doch bei diesen Schilderungen der Angeklagten handele es sich um „Schutzbehauptungen“, die „unplausibel“ seien, urteilte das Gericht.

Man kannte sich aus einer Kneipe, in der Drogen konsumiert wurden

Kennengelernt hatten sich das spätere Opfer und die drei Männer in einer Kneipe, von der es ein offenes Geheimnis war, dass dort in den Kellerräumen Drogen konsumiert wurden. In der Folgezeit hätten die späteren Täter den als labil geltenden 39-Jährigen dazu gebracht, Überweisungen zu ihren Gunsten zu tätigen. Später hätten sie seine Geldkarten an sich bringen und damit Bargeld beschaffen wollen. Schließlich nahmen sie nach Überzeugung des Gerichts auch die Wohnungsschlüssel des Hamburgers an sich und entwendeten von dort unter anderem ein Handy sowie weitere Wertgegenstände.

Nach einem anoymen Hinweis ermittelte die Mordkommission

Um an zusätzliches Bargeld zu kommen, orderten sie mehrere Gutscheine über 5000 beziehungsweise 10.000 Euro. Diese Bestellungen schlugen aber fehl, ebenso, wie die einer Rolex. Unterschiedliche Einzelheiten der Tat offenbarten die „Unverfrorenheit und Skrupellosigkeit“ der Angeklagten, sagte die Richterin.

Entdeckt wurde der 39-Jährige erst nach einem anonymen Hinweis bei Polizei und Feuerwehr am 15. April, also mindestens einen Tag nach dem Versterben des Mannes. Die Polizei habe die Tür aufbrechen müssen, um in die verdächtige Wohnung zu gelangen, hieß es seinerzeit. Zunächst hatte es nicht nach einem Verbrechen ausgesehen. Doch nach einem anonymen Hinweis übernahm die Mordkommission die Ermittlungen und deckte die heimtückische Tat auf.