Hamburg. Zwei Brüder vor Gericht: Sie sollen in Sasel 24-Jährigen heimtückisch erschossen haben. Was laut Anklage ihr Motiv gewesen sein soll.
Für umstehende Menschen mag es ausgesehen haben wie eine Szene aus einem Actionfilm: Ein Mann liegt an der Saseler Chaussee am Boden, während ein anderer aus kürzester Entfernung mit einer Schusswaffe auf ihn zielt und immer wieder Schüsse abfeuert. Eine der Kugeln trifft das Opfer ins Herz. Der Mann stirbt noch am Tatort.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sind zwei Brüder für das Verbrechen verantwortlich, das sich am 1. Oktober vergangenen Jahres vor einer Shishabar an der Saseler Chaussee im Nordosten von Hamburg abspielte. Jetzt müssen sich der 31 Jahre alte Musa G. und sein 23 Jahre alter Bruder Hussein (Namen geändert) in einem Prozess vor dem Schwurgericht Hamburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern gemeinschaftlichen heimtückischen Mord vor. Darüber hinaus sollen sie aus niedrigen Beweggründen, nämlich aus Rache, gehandelt haben. Der ältere der beiden Männer muss sich zudem wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe verantworten.
Mord vor Shishabar: Statt einer Entschuldigung gab es Schüsse
Laut Anklage hatten sich das spätere Opfer und die beiden Brüder am Abend des 1. Oktober vor einer Shishabar in Sasel getroffen, um eine vorangegangene Auseinandersetzung zu klären. Bei dieser soll es zwei Tage zuvor zu einer Bedrohung des 24-jährigen Mohamed D. (Name geändert) durch den jüngeren der beiden Brüder gekommen sein. Als eine Art Wiedergutmachung sei dann vereinbart worden, dass der 23-Jährige sich vor der Shishabar bei Mohamed D. entschuldigt. Zudem solle er öffentlich von seinem älteren Bruder geohrfeigt werden.
Als der 24-Jährige dann vor die Bar trat, um die Wiedergutmachung in Empfang zu nehmen, hätten die beiden Brüder, wie von Anfang an geplant, den 24-Jährigen angegriffen, so die Anklage weiter. Der jüngere der beiden Männer habe den vollkommen überraschten und arglosen Mohamed D. geschlagen, der 31 Jahre alte Musa G. habe ihn dann zu Boden geschubst.
Rettungskräfte konnten nur noch den Tod des 24-Jährigen feststellen
Sodann, heißt es in der Anklage, habe Musa G., während er über dem 24-Jährigen stand, mit ausgestrecktem Arm und aus kurzer Distanz mit einer halbautomatischen Selbstladepistole Kaliber 9 mm Luger sieben oder acht Schüsse auf das Opfer abgegeben. Herbeigerufene Rettungskräfte konnten wenig später nur noch den Tod des Mannes feststellen.
Nach dem Verbrechen waren zunächst vier Männer festgenommen worden, nachdem es hieß, sie hätten sich in einem Fluchtfahrzeug vom Tatort entfernt. Wenig später kamen sie jedoch wieder auf freien Fuß. Aufgrund von Zeugenaussagen aus dem Umfeld der Shishabar wurde dann drei Tage nach den Schüssen der jetzt 31 Jahre alte Angeklagte festgenommen und kam in Untersuchungshaft. Sein jüngerer Bruder sitzt seit dem 11. Dezember im Untersuchungsgefängnis.
Den Angeklagten gegenüber sitzt die Schwester des Getöteten als Nebenklägerin
Name, Geburtsdaten, Wohnort: Nachdem sie die notwendigen Angaben zu ihren Personalien gemacht haben, hüllen sich die Angeklagten vor Gericht zunächst in Schweigen. Musa G. ist ein schlanker Mann mit Brille und Undercut, der mit durchgedrücktem Rücken dasitzt. Zwei Stühle weiter sitzt Hussein G. Ihnen gegenüber hat die Schwester des Getöteten im Saal Platz genommen. Sie ist als Nebenklägerin im Prozess, ebenso wie der Bruder und der Vater des 24-Jährigen.
Zum Auftakt des Verfahrens sagt Matthias Wisbar, einer der beiden Verteidiger von Hussein G., in einem sogenannten „opening statement“, bei der Anklage handele es sich um eine „Hypothese der Staatsanwaltschaft“, die auf „ausgesprochen unsicheren Füßen“ stehe. Dabei beruhe insbesondere die Aussage aus der Anklage, dass der jüngere der beiden Brüder an der Tat beteiligt gewesen sei, „auf reinen Spekulationen“. Ein „gemeinsamer Tatplan“ sei in die Anklage „hineinfabuliert“ worden. Die Staatsanwaltschaft habe weder hinreichende Konkretisierungen noch ausreichend Beweise gegen seinen Mandanten, so Wisbar.
Vor wenigen Tagen ging Prozess um Schüsse vor anderer Shishabar zu Ende
In den kommenden Wochen werden in dem Prozess, der auf zunächst 15 Verhandlungstage terminiert ist, unter anderem zahlreiche Zeugen gehört werden. Ein Urteil könnte nach vorläufiger Planung Mitte Juli verkündet werden.
Immer wieder Shishabars: Erst vor wenigen Tagen war ein anderer Prozess, in dem es ebenfalls um eine Schießerei im Umfeld einer Shishabar ging, zu Ende gegangen. Auch hier war ein Mann wegen Mordes angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, für die tödlichen Schüsse auf einen 27-Jährigen am 27. Juli 2022 verantwortlich zu sein. Hintergrund der Tat, so heiß es, seien Streitigkeiten im Drogenmilieu.
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Doch zwei wichtige Zeuginnen, die im Ermittlungsverfahren den späteren Angeklagten schwer belastet hatten, leben mittlerweile im Ausland und hatten sich nicht dazu bewegen lassen, zu einer Aussage vor Gericht nach Hamburg zu kommen. Außerdem gab es von anderen Zeugen Täterbeschreibungen, die eher nicht auf den Angeklagten zu passen schienen.
So kam es am Ende des Verfahrens zu einem Freispruch für den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes. „Das Ergebnis ist auch bitter für die Nebenklägerin“, hatte der Vorsitzende Richter in der Urteilsverkündung gesagt. Die Mutter des Getöteten habe sich „Aufklärung erhofft, warum ihr Sohn so kaltblütig erschossen wurde“.