Hamburg. 22-Jähriger wegen Handels mit Betäubungsmitteln vor dem Schöffengericht. Hinterbliebene des Mädchens sprechen sich mit Angeklagten aus.
Sie war jung. Sie wollte besonderen Spaß haben. Dabei setzte sie auf die Wirkung einer Pille, die von manchen als Partydroge bezeichnet wird. Doch statt Vergnügen und Heiterkeit erlebte Celina nach der Einnahme von Ecstasy eine quälende, leidvolle Zeit, bei der sie sich auf dem Boden wälzte und schließlich kollabierte. Kurze Zeit später war die Hamburgerin tot. Sie wurde 16 Jahre alt.
„Es gibt keine Worte für unseren Schmerz“, hatte Celinas Mutter knapp drei Monate, nachdem sie durch diesen furchtbaren Schicksalsschlag ihre Tochter verloren hatte, gesagt. „Wir denken immerzu an sie.“ Jetzt sitzt die Frau als Zuhörerin im Prozess gegen einen jungen Mann, der indirekt dafür gesorgt haben soll, dass Celina überhaupt Zugang zu Ecstasy hatte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 22-jährigen Tobias G. (Name geändert) gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln sowie ein weiteres Drogendelikt vor.
Prozess Hamburg: Jugendliche nahm zwei Ecstasy-Tabletten
Laut Anklage verkaufte der Hamburger an einen weiteren jungen Mann im September 2020 drei Ecstasy-Tabletten. Dieser Abnehmer, Mehmet L. (Name geändert), übergab je eine der Tabletten auf einer Party in Winterhude an die 16-jährige Celina und eine weitere Jugendliche. Beide konsumierten die Drogen auch. Doch weil sich bei Celina zunächst keine Wirkung bemerkbar machte, soll die Jugendliche Mehmet L. um eine weitere Tablette gebeten haben. Kurze Zeit später starb Celina an Hyperthermie, also an Überhitzung, die durch die Einnahme der beiden Tabletten verursacht wurde.
Mehmet L. stand in dieser Sache bereits im November 2022 wegen Abgabe von Betäubungsmitteln vor Gericht. Das Urteil des Jugendschöffengerichts gegen den zur Tatzeit 20-Jährigen erfolgte seinerzeit nach dem Jugendrecht: Der junge Mann, der selber ein Drogenproblem hatte, sollte nachweisen, dass er seine bereits begonnene Therapie fortführt. Außerdem musste er 800 Euro als Geldauflage zahlen, an einen Sammelfonds für Suchtgefährdete. Das Urteil entsprach im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Notarzt wurde erst alarmiert, als es der Jugendlichen sehr, sehr schlecht ging
Eigentlich hätte in jenem Prozess zusammen mit Mehmet L. auch Tobias G. auf der Anklagebank sitzen sollen. Doch damals wurde Tobias G. wegen einer psychischen Erkrankung, die mit intensivem Drogenkonsum zusammenhängen soll, als nicht verhandlungsfähig eingestuft. Er kam zunächst in Therapie und deshalb erst jetzt vor Gericht.
Mittlerweile, sagt Tobias G. nun zum Prozessauftakt, sei er clean. Viel mehr ist an diesem Dienstag vor dem Amtsgericht Harburg von dem Angeklagten, einem Mann mit Vollbart und kurz geschorenem Haar, nicht zu hören. Der 22-Jährige wirkt in sich gekehrt und vermeidet den Blickkontakt mit den Zeugen. Zeugen wie den bereits verurteilten Mehmet L., der erzählt, er und der Angeklagte seien damals beide auf der Party gewesen, die mit dem Zusammenbruch von Celina ein jähes Ende nahm. Erst eine ganze Weile, nachdem die 16-Jährige bereits deutliche Anzeichen von Beschwerden gezeigt hatte, hätten damals andere Gäste der Feier einen Notarzt alarmiert.
Für die Jugendliche war jede Hilfe zu spät gekommen
Doch für die Jugendliche kam jede Hilfe zu spät. Ein Sachverständiger hatte im Prozess gegen Mehmet L. ausgeführt, dass Celina von dem Augenblick an, an dem sie die zweite Ecstasy-Tablette eingenommen hatte, nicht mehr zu retten gewesen sei. In einem Gutachten hieß es, dass Ecstasy, das in manchen Kreisen als „Partydroge“ gilt, zu schwersten gesundheitlichen Folgen führen könne, unter anderem zu Überwärmung und Herz-Rhythmus-Störungen. Die Gefahren würden „oft unterschätzt“, man könne „schnell überdosieren“.
So könnte es auch bei Celina gewesen sein. Eine Jugendliche in Feierlaune, die auf eine euphorisierende Wirkung von Ecstasy gehofft hatte? Die dann aber unwissentlich viel zu viel von der Droge einnahm – eine tödliche Dosis.
Wie das genau passieren konnte, darauf kennt auch die Familie von Celina keine Antwort. „Bis heute weiß ich nicht genau, was passiert ist“, sagt die Schwester der Verstorbenen als Zeugin. Sie habe seinerzeit erzählen hören, dass Celina zwei Ecstasy-Tabletten eingenommen habe. Deshalb habe sie mit dem jungen Mann, von dem ihre Schwester die Pillen erhalten hatte, reden wollen. „Das Gespräch war nur kurz. Ich bin sofort in Tränen ausgebrochen“, sagt die heute 25-Jährige. Nach der Party habe sie gehört, dass der heute Angeklagte selbst Drogen konsumiert habe und dass er auf der Feier auch Rauschgift dabei gehabt haben soll. „Was genau, weiß ich nicht.“
Prozess Hamburg: „Das Gespräch war kurz. Ich bin sofort in Tränen ausgebrochen.“
Bei einer früheren Aussage bei der Polizei hatte Celinas Schwester noch Details über einen mutmaßlichen Dealer angegeben, die auch auf den heute Angeklagten zutreffen, wie etwa den Vornamen und die Haarfarbe. Dieser Mann habe angeblich die Tabletten an jenen Bekannten verkauft, der das Ecstasy dann an Celina weitergab, so die Schwester damals. Heute jedoch, sagt die Zeugin, könne sie sich an diese Dinge nicht erinnern. „Ich weiß das nicht mehr. Ich war damals sehr durcheinander“, sagt die 25-Jährige. „Als meine Schwester verstorben war, habe ich Beruhigungstabletten genommen.“
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Später, in einer Verhandlungspause, stehen die Mutter und die Schwester von Celina zusammen mit den beiden jungen Männern, die laut Ermittlungen das Ecstasy zu der Party mitgebracht beziehungsweise es dort weitergegeben haben sollen. Man habe sich ausgesprochen, ist der Tenor dessen, was Celinas Mutter über die Begegnung mit Tobias G. und Mehmet L. sagt. Dauerhaften Zwist solle es nicht geben. „Celina hätte das nicht gewollt.“
Offenbar hat zumindest Mehmet L. Celina nahegestanden. In seinem Prozess vor rund anderthalb Jahren hatte der damals 20-Jährige über seinen Verteidiger erklären lassen, Celina sei für den Angeklagten „eine ihm sehr nahe stehende Freundin. Dass sie nicht mehr lebt, ist ihm unbegreiflich.“ Der Prozess gegen Tobias L wird fortgesetzt.