Hamburg. Die 16-Jährige nahm auf einer Party Drogen. Am Mittwoch verurteilte das Gericht den Mann, der ihr die Pillen gegeben hatte.

Celina hatte noch so viel vor.“ Wenn Yvonne M. an ihre Tochter denkt, erinnert sie sich vor allem daran, wie fröhlich die 16-Jährige gewesen sei und wie hilfsbereit. Und dass sie viele Pläne gehabt habe. Alles vorbei. Celina wurde nur 16 Jahre alt. Sie starb nach der Einnahme von zwei Ecstasy-Tabletten, die sie vor mehr als zwei Jahren auf einer Party erhalten hatte. „Ihr Tod ist immer noch so schlimm für uns“, sagt die Mutter. „Es gibt keine Worte für unseren Schmerz. Er begleitet uns jeden Tag.“

Am Mittwoch waren die Mutter, deren Partner, weitere Angehörige und Freunde im Gerichtssaal, als das Urteil gegen jenen Mann verkündet wurde, der Celina auf einer Feier in Winterhude in der Nacht zum 13. September 2020 die beiden Ecstasy-Tabletten zur Verfügung gestellt hatte und sich nun wegen Abgabe von Betäubungsmitteln verantworten musste.

Prozess Hamburg: Ecstasy-Tod – Geldauflage für Angeklagten

Das Urteil des Jugendschöffengerichts: Mehmet L., (Name geändert) der selber ein Drogenproblem hat, muss nachweisen, dass er seine bereits begonnene Therapie fortführt. Außerdem muss er 800 Euro als Geldauflage zahlen, an einen Sammelfonds für Suchtgefährdete.

„Celina hat – und das ist durchaus traurig – die Gefahr unterschätzt“, die von dem Ecstasy ausgehe, sagte die Richterin in der Urteilsbegründung. Es sei bei ihr tatsächlich „um Leben und Tod gegangen, was keinem vor Ort klar war“. Auch dem Angeklagten, einem damals 20-Jährigen, sei dies nicht bewusst gewesen. Für den Tod von Celina sei er rechtlich nicht verantwortlich zu machen.

Gutachten: Celina nach zweiter Tablette nicht mehr zu retten

Auch sei ihm juristisch nicht vorzuwerfen, dass erst relativ spät von den Partygästen der Notruf getätigt wurde – nachdem Celina sich bereits auf dem Boden gewälzt hatte und schließlich kollabierte. Denn egal, wann die Rettungskräfte benachrichtigt worden wären: Celina sei „in dem Moment, als sie die zweite Tablette geschluckt hat, nicht mehr zu retten“ gewesen. Das hätten Gutachten bewiesen.

Laut Anklage hatte Mehmet L. an Celina und eine weitere Jugendliche auf der damaligen Feier unentgeltlich je eine Ecstasy-Tablette überreicht. Daraufhin hätten beide 16-Jährige die Drogen konsumiert. Etwa eine Stunde später habe Celina eine weitere Tablette haben wollen und die von Mehmet L. auch erhalten. Kurz darauf verstarb die 16-Jährige an Hyperthermie, also Überwärmung.

Angeklagte nicht wegen leichtfertigen Verursachens eines Todes verurteilt

In einem Gutachten hieß es, dass Ecstasy, das in manchen Kreisen als „Party-Droge“ gilt, zu schwersten gesundheitlichen Folgen führen könne, unter anderem zu Überwärmung und Herz-Rhythmus-Störungen. Die Gefahren würden „oft unterschätzt“, man könne „schnell überdosieren“.

Warum der Angeklagte nur wegen Abgabe von Drogen und nicht wegen leichtfertigen Verursachens eines Todes verurteilt wurde? Die Richterin stellte die Frage, die offenbar mehrere Zuhörer aus dem Umfeld der Verstorbenen beschäftigt hatte – und beantwortete sie gleich selbst: Laut Gesetz müsse sich eine Leichtfertigkeit „immer auf die Tathandlung beziehen und nicht auf das, was danach passiert“.

Richterin: Er hätte als Älterer besser auf Celina aufpassen müssen

In Bezug auf die Strafe, die gegen den Angeklagten ausgesprochen wurde, gebe es eine „Kluft bei dem Ausmaß, was angerichtet wurde“, so die Richterin. „Aber es ist keine rechtliche, sondern eine menschliche Kategorie.“ Man könne den Angeklagten nicht dafür bestrafen, „dass er hinterher nicht“ für Celina dagewesen sei, „um ihre Hand zu halten, als sie gestorben ist“. Er sei wohl nicht der beste Freund gewesen. Aber das sei „keine Kategorie, die vor diesem Gericht verhandelt wird. Dafür gibt es keine Absolution.“

Zugunsten des Angeklagten müsse beim Urteil unter anderem berücksichtigt werden, so die Richterin, dass ihm die Tat leicht gemacht worden sei, weil das Opfer „die Drogen wollte“. Negativ sei zu werten, dass er als der um mehrere Jahre ältere als Celina „besser auf sie hätte aufpassen müssen“.

Prozess Hamburg: Ecstasy-Tod – „eigenverantwortliche Selbstschädigung“

Die Entscheidung, welche Strafe auszusprechen ist, erging für den damaligen Heranwachsenden Mehmet L. nach dem Jugendgerichtsgesetz, welches den Erziehungsgedanken ganz klar in den Vordergrund stellt. Auch die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer ein ähnliches Urteil beantragt, dabei aber die zu verhängende Geldauflage bei 600 Euro angesetzt.

Es handele sich, als Celina das Ecstasy genommen und eine zweite Tablette eingefordert habe, um eine „eigenverantwortliche Selbstschädigung“, so der Staatsanwalt. „Der Angeklagte hat die Ursache dafür gesetzt“, dass die 16-Jährige die Tablette einnehmen konnte. Aber dies reiche nicht dafür aus, dass ihm eine fahrlässige Tötung angelastet werden könne.

Verteidiger: „Dass sie nicht mehr lebt, ist ihm unbegreiflich“

Dass er die Drogen abgegeben habe, sei „völlig falsch und völlig daneben“, aber man könne dem damals 20-Jährigen keine schädliche Gesinnung vorwerfen. Das Abgeben von Betäubungsmitteln sei „eine üble Sache“, betonte der Ankläger. „Es ist ein Mensch verstorben. Aber eine Erwartung, dass nun eine hohe Strafe ausgesprochen werden müsse, ist rechtlich falsch.“

Der Angeklagte Mehmet L. hatte am ersten Verhandlungstag eingeräumt, Celina Ecstasy gegeben zu haben. Dies sei auf ihren ausdrücklichen Wunsch geschehen. Nach dem Konsum der ersten Tablette habe sich Celina erneut an ihn gewandt mit der Bitte um eine weitere, weil die erste Tablette keine Wirkung entfaltet habe, so der 20-Jährige. Er habe ihr gesagt, sie solle warten, weil sich eine Wirkung erst später einstelle.

Celina habe aber „von ihrem Begehren nicht abgelassen“ und habe Mehmet L. überredet, ihr doch eine zweite Tablette zu geben. Zu diesem Zeitpunkt sei er schon ziemlich alkoholisiert gewesen. Celina sei für den Angeklagten „eine ihm sehr nahe stehende Freundin“, ließ Mehmet L. weiter über seinen Verteidiger erzählen. „Dass sie nicht mehr lebt, ist ihm unbegreiflich.“

Prozess Hamburg: Nach Urteil – Celinas Mutter fassungslos

Wie vor ihm der Staatsanwalt hatte sich Verteidiger Siegfried Schäfer in seinem Plädoyer vor allem der rechtlichen Einordnung des Falles gewidmet. Dass Celina starb, hatte Schäfer als „tragisches Ereignis“ bezeichnet, für das sein Mandant aber im „engeren Sinne nicht verantwortlich“ sei. Den Tod der 16-Jährigen habe der Angeklagte „nicht gewollt“.

Während der Verteidiger sprach, äußerten einige Angehörige im Saal laut ihren Unmut, drei von ihnen verließen schließlich den Saal. Celinas Mutter aber blieb sitzen, hörte bis zum Ende zu. Nach der Verkündung wirkte sie fassungslos. Das Urteil halte sie „für nicht gerechtfertigt“, sagte Yvonne M. später am Telefon. „Celina wäre nicht gestorben, wenn er ihr nicht die zweite Tablette gegeben hätte. Mit ihrem Tod werde ich nie abschließen können.“