Hamburg. Ob beim Bau einer neuen Köhlbrandquerung oder bei der Cannabis-Freigabe – im Hamburger Senat ruckelt es zwischen SPD und Grünen immer häufiger.
Am 2. März 2025 wird in Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt. Hinter diesem Termin mag ein kleines Fragezeichen stehen, weil die Bürgerschaft noch zustimmen muss. Ein anderes Datum hingegen darf als gesetzt gelten. Am 1. April 2024 hat der Wahlkampf begonnen.
Dieser Tag stellt eine Zäsur dar: Mit der Legalisierung von Cannabis hat die Bundesregierung die politische Büchse der Pandora geöffnet. In der griechischen Mythologie traf Pandora die fatale Entscheidung, die gefährliche Büchse zu öffnen, und damit Krankheit, Hass, Neid und Leid in die Welt gelangen zu lassen. Das mag für manchen angesichts der Teilfreigabe von Cannabis übertrieben klingen, aber das Drogenproblem wird sich mit der Freigabe sicherlich nicht lösen lassen. Ganz im Gegenteil.
Das Cannabis-Gesetz hat gefährliche Langzeitfolgen – auch politisch
Die politischen Langzeitfolgen sind fatal: Jeder Vater, jede Mutter, deren Sprösslinge den Drogen verfallen oder gar Psychosen entwickeln, jedes Opfer eines Rasers im Cannabisrausch und jeder Ermittler gegen die wuchernde Drogenkriminalität wird sich erinnern, wer dieses bekiffte Gesetz verzapft hat. Grüne und FDP wollten die Änderung vor allem aus einem Grund: Es war die einzige Gemeinsamkeit einer Koalition, die weder zusammenfindet noch zusammenpasst.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat sich selten über ein Gesetz so geärgert wie über die Rauschfreigabe: Es werde die Probleme der Drogenpolitik in Deutschland weiter verschärfen, zürnte er. „Vor allem die jungen Menschen erhalten mit der Legalisierung ein völlig falsches Signal. Der Konsum von Cannabis gefährdet ihre Gesundheit sehr.“
Peter Tschentscher distanziert sich deutlich von den Grünen und der Ampel
Und damit nicht genug: Es werde große Anstrengungen von Bund und Ländern erfordern, „die mit dem Gesetz verbundenen Fehlentscheidungen zu korrigieren“, prophezeite der Mediziner. Seit fünf Jahren ist der besonnene, mitunter übervorsichtige Sozialdemokrat Bürgermeister – so scharf hat er sich nie zuvor gegen seinen Förderer Olaf Scholz und den grünen Bündnispartner gestellt. Katharina Fegebank (Grüne) hatte das Cannabis-Gesetz zuvor als „gut und richtig gelobt“ und die Entkriminalisierung von Cannabis als einen „wichtigen Schritt“ bezeichnet.
Gleichwohl konnte auch sie ihre Bauchschmerzen nicht ganz verheimlichen. Aber Fakt ist: Die SPD, vor allem in der Hansestadt, hatte sich stets gegen eine Legalisierung gewehrt und noch 2015 einen eigentlich vereinbarten „Modellversuch“ verhindert – und ist nun an den Grünen gescheitert.
Zerwürfnis auch beim Neubau der Köhlbrandbrücke
Da passt es ins Bild, dass der rot-grüne Senat auch beim Thema Köhlbrandbrücke tief zerstritten ist. Es ist nachvollziehbar, dass die Grünen eine neue und noch höhere Köhlbrandquerung kritisch sehen, während die SPD den Erfolg des Hafens in den Blick nimmt.
Aber dass Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) der Senatsdrucksache zum Neubau der Köhlbrandbrücke erst überraschend seine Zustimmung verweigerte und dann nach Diktat nach Mallorca entschwand, ist vielen Sozialdemokraten übel aufgestoßen. Da darf man nun den eher ungewöhnlichen Pressetermin am Ostermontag – ausgerechnet einen Tag vor der Abstimmung im Senat – durchaus als Retourkutsche der Wirtschaftssenatorin und SPD-Parteichefin Melanie Leonhard verstehen.
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Nachdem in den vergangenen Monaten das rot-grüne Bündnis in Hamburg relativ geräuschlos und deutlich professioneller als die Ampel in Berlin regierte, ist die Zeit der Harmonie vorbei. Die Parteien stellen nun wieder ihre Unterschiede ins politische Schaufenster. Am 9. Juni werden die Bezirke, im März 2025 die Bürgerschaft gewählt. Das Regieren wird holpriger.