Hamburg. Polizei Hamburg muss offenlegen, welche Wandfarbe beim Übermalen verwendet wurde. In einem Fall gingen die Datenschützer noch weiter.

Datenschutz ist eine trockene Materie. Damit da mal etwas Farbe reinkommt, braucht es die Mitarbeit der Hamburgerinnen und Hamburger –und ihre Neugier. Damit schaffen sie es sogar in den aktuellen Bericht des Datenschutzbeauftragten zur Informationsfreiheit. Ein Bürger wollte zum Beispiel von der Polizei Hamburg wissen, mit welcher Farbe genau die vermeintlich bösen, gegen Innensenator Andy Grote (SPD) gerichteten Slogans an der Roten Flora übermalt wurden. Grote, der zunächst durch eine unglückliche Party während der Corona-Pandemie aufgefallen war, hatte ganz sicher nichts damit zu tun, als Polizisten bei einem Social-Media-Nutzer aufmarschierten, der ihn auf Twitter (heute X) „Du bist so 1 Pimmel“ genannt hatte.

Doch der Polizeieinsatz wegen einer vergleichsweise lächerlichen Beleidigung wurde zu „Pimmelgate“, einer Affäre, die das Vertrauen in die Verhältnismäßigkeit von Ermittlungen bei Bagatell- und schweren Delikten erschütterte. Die linke Szene rund um die Rote Flora am Schulterblatt hatte ihre eigene Interpretation. An dem alternativen Ex-Theater prangten immer wieder Aufschriften, die die Polizei ebenso immer wieder übermalen musste.

Bericht zur Informationsfreiheit 2022/2023 zeigt Versäumnisse bei Hamburgs Polizei

Die dabei eingesetzte Farbe interessierte nun genau einen Hamburger so sehr, dass er Näheres von der Polizei wissen wollte. Die aber stufte Informationen dazu als „Geheime Verschlusssache“ ein. Diese behördliche Vorzugsbehandlung dürften in der Geschichte der Hamburger Sicherheitsbehörden nur wenige Farbeimer genossen haben. Der malbesessene Bürger wandte sich jedoch an den Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und klagte ihm sein Informationsbedürfnis.

Behördenchef Thomas Fuchs und seine Verteidiger der Informationsfreiheit konnten helfen. Eher ironisch als böswillig schrieben sie im gerade erschienenen Report: Warum sollte eine Farbe „besonders geheimhaltungsbedürftig“ sein? „Welcher Nachteil hier drohte, ob möglicherweise durch Einsatz spezieller Lösungsmittel das Überstreichen verhindert oder erschwert werden könnte, wenn das konkret genutzte Produkt bekannt würde, leuchtete uns nicht ohne Weiteres ein.“

Geheime Verschlusssache Wandfarbe? Ein Irrweg

Genau begründen, warum die Farbe so geheim sei, das konnte die Polizei nicht. Also musste sie „gebührenfrei“, wie der Datenschutzbeauftragte betont, die Info an den Hamburger herausgeben. Fuchs lobte die große Einsicht der Polizei im Vergleich zu den Behörden in anderen Bundesländern. „Die Polizei Hamburg hat hier wieder einmal ihre Sonderstellung bewiesen, indem sie den Irrweg früh als solchen erkannt und sich gerade nicht verrannt hat. So ärgerlich es sein mag, dass zunächst überhaupt eine ablehnende Antwort erging, so sehr ist hervorzuheben, dass Fehler von der Polizei Hamburg bereinigt werden, wenn sie als solche erkannt wurden.“

Der Datenschützer und Offenheitsbeauftragte Fuchs hatte wie berichtet die HHLA vor dem Verwaltungsgericht verklagt, weil sie Informationen zu ihrem Organigramm und dem Geschäftsverteilungsplan nicht herausgeben wollte. Auch der Flughafen und die Universität gerieten bereits ins Visier der Transparenzbehörde, weil sie sich zu zugeknöpft gaben. Insgesamt jedoch zeigt der Transparenzbericht, dass die Zahl der Beschwerden zurückgegangen ist und die Behörden offenbar etwas geneigter sind, Informationen herauszurücken. Dazu sind sie wegen des Transparenzgesetzes in vielen Fällen verpflichtet. Die gewaltigen Datenmengen, die zum Beispiel bei der Mobilität von Menschen anfallen, lassen sich vielfältig nutzen. Google nimmt sie beispielsweise, um für Google Maps Staus anzuzeigen. Die Hochbahn könnte sie in Zukunft verwenden, um die Auslastung von Bussen und U-Bahnen in Echtzeit anzuzeigen.

Big Data von Google und Meta im Visier

Im Bericht heißt es: „Big Data im Gemeinwohlinteresse schafft eine Verpflichtung, Daten zur Verfügung zu stellen. Gerade im Mobilitäts- und Verkehrssektor ist augenscheinlich, wie viele (Geo-)Daten zur Verfügung stehen, die sinnvoll mit Marktteilnehmern geteilt werden können, um zum Beispiel den vernetzen Nahverkehr zu verbessern. Schnittstellenprobleme mit dem Schutz personenbezogener Daten sind zu beachten, aber lösbar.“

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Drei Milliarden Menschen nutzen täglich eine Meta-App

In diesem Bericht kommen die oft thematisierten Datenschutz-Probleme bei Google, Facebook (Meta) und anderen Netz-Schwergewichten kaum vor, die weltweit Milliarden Menschen betreffen können. Auch die Meta-Töchter WhatsApp und Instagram spielen keine Rolle. Zuletzt erst hatte die EU-Kommission ein Verfahren gegen Apple, Google und Meta eingeleitet. Wie es hieß, habe man Zweifel, ob immer die Zustimmung der Nutzer eingeholt werde, wenn die Konzerne personenbezogene Daten „über verschiedene zentrale Plattformdienste hinweg kombinieren“ wollten. Meta hatte zuletzt einen Quartalsgewinn von 14 Milliarden Dollar verkündet. Drei Milliarden Menschen nutzten täglich eine der Apps.

Auf eine Abendblatt-Anfrage zur Wandfarbe in der Affäre um „Pimmelgate“ und Innensenator Grote erklärte der Datenschutzbeauftragte: Die Polizei habe dem Antragsteller „auf unser Anraten hin mitgeteilt, dass es sich um eine ,lösemittelfreie Bitumenfarbe‘ handelt“. Hersteller und Einzelhandelspreis lägen nicht vor. Die Behörde betonte jedoch den „Charme der Informationsfreiheit“. In diesem Grundrecht sind alle gleich: „Welche Informationen man bekommt, hängt grundsätzlich gerade nicht davon ab, wer man ist und warum man das wissen möchte.“

Anmerkung der Redaktion: In einer Korrektur haben wir klargestellt, dass es sich bei dem Bericht noch nicht um den Datenschutzbericht handelt, der voraussichtlich im April vorgestellt wird.