Hamburg. Bürgermeister erhält beim Landesparteitag nicht nur Lob. SPD will mehr Dienstwohnungen in Hamburg, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Wie wird die Arbeit im öffentlichen Dienst der Hansestadt wieder attraktiver, welche Anreize motivieren Fachkräfte, sich auf städtische Stellen zu bewerben? Ein Lockmittel könnten Dienstwohnungen sein, findet die Hamburger SPD. Sie fordert den rot-grünen Senat nun dazu auf, mehr günstigen Wohnraum für Beschäftigte der Stadt zu schaffen. Einen entsprechenden Antrag hat eine Mehrheit der 281 Delegierten des SPD-Landesparteitags am Sonnabend in Wilhelmsburg verabschiedet.

Während die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in München eine Ballungsraumzulage und die Beschäftigten in Berlin eine Hauptstadtzulage erhielten, gingen die Bediensteten in Hamburg leer aus, heißt es in dem Antrag, den die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen vorlegte. Zahlreiche Beschäftigte insbesondere des öffentlichen Dienstes könnten sich das Wohnen innerhalb der Stadtgrenzen nicht mehr leisten und würden ins Umland ziehen. „Nach dem Umzug kommt dann immer häufiger auch ein Arbeitsplatzwechsel in Wohnortnähe. Hamburg verliert dadurch ausgebildetes Fachpersonal.“ In der Hansestadt gebe es nur etwa 700 Dienstwohnungen.

SPD Hamburg: „Günstiger Wohnraum für alle öffentlich Beschäftigten unverzichtbar“

Außerhalb des öffentlichen Dienstes sei es längst wieder normal geworden, mit Wohnungen um Mitarbeiter zu werben, heißt es in dem Antrag. So stellten etwa Haspa, Hochbahn, Budnikowsky und sogar das Universitätsklinikum Eppendorf Mitarbeitern Wohnungen zur Verfügung, um diese nach Hamburg zu holen oder sie hier zu halten. „Bereits jetzt merken wir, dass der Staat seine unmittelbaren Aufgaben immer schlechter wahrnehmen kann, weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen.“

Gerade angesichts des bevorstehenden Ruhestands der Babyboomer-Generation sei es „höchste Zeit zu handeln“, so die Antragsteller. „Günstiger Wohnraum für alle öffentlich Beschäftigten, insbesondere für die unteren Einkommensgruppen bei den Gerichten, der Polizei oder Feuerwehr, ist unverzichtbar, wenn Hamburg nicht abgehängt werden soll.“

SPD-Delegierte: „Wir dürfen nicht so tun, als sei alles gut“

Mit dem Landesparteitag stimmte sich die Hamburger SPD auf die Europawahlen und die Bezirksversammlungswahlen ein, die beide am 9. Juni stattfinden. „In diesen Zeiten ist die SPD die beste Garantin dafür, dass das Leben bezahlbar bleibt“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher. Die Sozialdemokraten zeichne aus, dass sie Hand in Hand mit der Wirtschaft, mit Verbänden, Kirchen und anderen gesellschaftlichen Institutionen zum Wohl der Stadt arbeite. Wohnungsbau, Kitaversorgung und Schulbau – all das müssten Senat, Behörden und Bezirke gemeinsam umsetzen. Dies hinzubekommen, sei die Stärke der Hamburger SPD.

Für seine Rede erntete Tschentscher einen längeren, aber nicht überschwänglichen Applaus. Einige Delegierte mochten nicht in das Selbstlob einstimmen. Es gebe einen „Haufen an Großprojekten“ in Hamburg, darunter der Elbtower, die nicht gut liefen, sagte Alf-Thomas Epstein vom SPD-Kreisverband Hamburg-Nord. Der Jungfernstieg werde „luxussaniert“. Aber: „Osdorf wartet immer noch auf einen U- oder S-Bahn-Anschluss“, sagte Epstein. „Wir müssen aufpassen, dass wir auf die große Mehrheit der Bevölkerung achten.“

Ähnlich äußerte sich Inge Maltz vom Kreisverband Eimsbüttel. „Wir dürfen nicht so tun, als sei alles gut“, sagte sie – und wandte sich kurz in Richtung des Bürgermeisters auf dem Podium. „Ich möchte, dass wir die Art, wie wir reden, ändern.“ Es gebe eine Politikverdrossenheit im Land. Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass Hamburg eine gute Schul- und Kitaversorgung habe. Aber derzeit hörten auch Eltern von ihrer Kita, sie sollten ihr Kind zu Hause lassen, weil es nicht genügend Personal gebe.

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Auch bei politischen Maßnahmen zum Klimaschutz gelte es, „ehrlich zu sein“, sagte Maltz. „Alles was wir vorhaben, kostet Geld. Wir vertreten die Menschen im Land, die nicht so viel Geld haben – und das beißt sich im Moment, wir müssen dafür Lösungen auf den Tisch legen.“ Sie wünsche sich, dass es „weniger oberflächlich“ zugehe.

Initiativantrag von SPD-Mitgliedern gegen HHLA-Teilverkauf hat keinen Erfolg

Protest regt sich unter Hamburger SPD-Mitgliedern gegen den Einstieg der Schweizer Reederei MSC beim Hamburger Hafenkonzern HHLA. Vier Mitglieder stellten auf dem Landesparteitag einen Initiativantrag, der die SPD-Bürgerschaftsfraktion dazu auffordern sollte, den Verkauf von HHLA-Aktien aus dem Besitz der Stadt abzulehnen. Die Antragsteller bekamen am Sonnabend allerdings nicht die nötige Mindestzahl von 30 Stimmen zusammen, um ihr Anliegen auf dem Parteitag zur Diskussion stellen zu können.

Viel Zustimmung erhielt auf dem Parteitag der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), Andreas Babler, der in Hamburg zu Gast war. Er warnte eindringlich vor einem zunehmenden Einfluss rechtsextremer Parteien in Europa. Diese stellten die Demokratie infrage, griffen die Unabhängigkeit von Justiz und Medien an und schreckten auch vor einem Eingriff in Persönlichkeitsrechte nicht zurück, „wenn sie von Deportationsplänen oder Festnahmelisten wie in Österreich sprechen“, sagte Babler. Es sei an der Sozialdemokratie in Europa, sich „an die Spitze einer demokratischen Bewegung zu stellen, die die Grundpfeiler unserer Demokratie verteidigt“.

Ministerpräsident Stephan Weil: Umfragehoch der AfD „schwer zu ertragen“

Die Demokratie stehe „auf dem Prüfstand“, sagte Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil, der zweite prominente Gast auf dem Hamburger Parteitag. In Niedersachsen stehe die AfD in Umfragen bei 21 Prozent – „für uns schwer zu ertragen“, sagte Weil. Allerdings: „Nur auf die AfD zu schimpfen, das kann nicht die Antwort sein.“ Die SPD müsse sich fragen, wo sie besser werden könne – zum Beispiel mit Blick auf Arbeiter, die sich Sorgen um ihre Jobs machten. „Wir müssen unser Profil als Industriepartei wieder aufpolieren“, sagte Weil.

Die Hamburger SPD-Landesvorsitzende und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard schlug in die gleiche Kerbe. Angesichts der Krisen weltweit und zunehmender Verunsicherung müsse es für die SPD darum gehen, den Menschen „das Maß an Sicherheit zu geben, dass Hamburg weiter Hoffungsstadt ist“.

Junge SPD-Mitglieder: Partei muss sich viel mehr bei TikTok & Co. engagieren

Einiges nachzuholen hat die Hamburger SPD zumindest nach Ansicht etlicher junger Mitglieder in den sozialen Medien. Insbesondere auf dem Portal TikTok dominiert bisher wie berichtet die AfD. Ein größeres Engagement der SPD dort und bei anderen Online-Portalen würde die Partei „nahbarer für meine Generation machen“, sagte der 16-jährige Tobias Weber vom SPD-Distrikt Billstedt, der den Antrag „Die sozialen Medien nicht den Rechten überlassen!“ eingereicht hatte. Unterstützung erhielt er etwa von Laura Frick (32), der Hamburger Spitzenkandidatin auf der SPD-Bundesliste zur Europawahl. „Die jungen Leute sind nur noch auf TikTok“, sagte sie. Es sei enorm wichtig, dass die SPD hier „mehr PS auf die Straße bringe“. Sie habe „richtig Angst“, so Frick, „dass wir die jungen Menschen verlieren“.

In Webers Antrag ging es lediglich um eine zusätzliche Teilzeitstelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für Social Media bei der Hamburger SPD. Am Ende stimmte zwar eine Mehrheit der Delegierten dem Antrag zu – allerdings mit der vagen Formulierung, die Hamburger SPD solle „zusätzliche personelle Mittel“ für Social Media-Arbeit einsetzen.