Hamburg. Günstige Werkswohnungen und Schwesternwohnheime sind selten geworden – aber es gibt sie noch. Wo noch neue entstehen sollen.
Wenn man Unternehmen nach ihren Problemen fragt, dann wird neben überbordender Bürokratie, teurer Energie und dem Fachkräftemangel gerade in Hamburg ein Punkt häufig gleich mitgenannt: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Häufig scheitere eine Einstellung daran, dass die Bewerber für sich und ihre Familie keine geeignete Wohnung in der Hansestadt fänden.
„Wenn wir mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Hamburger Handwerk gewinnen möchten, brauchen wir bezahlbaren Wohnraum und auch mehr Kapazitäten in Azubi-Wohnheimen“, hatte der Präsident der Handwerkskammer Hamburg, Hjalmar Stemmann, erst kürzlich in Anwesenheit des Bürgermeisters gefordert.
Mieten in Hamburg: Werkwohnungen sind eine Seltenheit – aber es werden wieder mehr
Insbesondere im Niedriglohnsektor und für Auszubildende ist das ein Problem. Die Stadt reagiert darauf bereits und kündigte kürzlich den Bau eines Azubi-Wohnheims am Campus Ausschläger Weg in Borgfelde an. Zunächst muss ein Investor gefunden werden. Weitere Projekte dieser Art sollen folgen. Doch auf der anderen Seite könnten die Unternehmen dieses Problem auch selbst angehen – und ihrerseits für Wohnraum sorgen.
Vor einigen Jahrzehnten war es noch üblich, dass größere Firmen ihrer Mitarbeiterschaft Werkswohnungen stellten und Krankenhäuser Schwesternwohnheime betrieben. Heutzutage ist das dagegen eine Seltenheit. Einige solcher Angebote gibt es aber noch, und manche Unternehmen denken inzwischen darüber nach, ihr Angebot auszubauen oder neues zu schaffen – so könnte der Fachkräftemangel zu einer Renaissance der Werkswohnungen führen.
Allein die Hamburger Hochbahn bietet mehr als 2000 Werkswohnungen an
Einen Überblick, welche Firma in Hamburg noch eigenen Wohnraum hat, hat selbst die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen nicht. Aber vermutlich dürfte die Hochbahn der größte Anbieter sein: Das städtische Unternehmen vermietet über seine Tochter Hanseatische Siedlungs-Gesellschaft (HSG) nach eigenen Angaben aktuell 2041 Wohnungen im gesamten Großraum Hamburg. „Von Sülldorf bis Reinbek und von Hummelsbüttel bis Harburg“, reiche das Angebot, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Diese Streuung korrespondiere mit den Hochbahn-Standorten, „sodass nach Möglichkeit auch ein arbeitsplatznaher Wohnort angeboten werden kann“.
Die Mieter stammten zu 74 Prozent aus dem Hochbahn-Konzern und zu sechs Prozent von dem Verkehrsunternehmen VHH. 19 Prozent seien „Fremdmieter“, wobei das zum Beispiel auch Verwandte von Hochbahn-Mitarbeitenden sein können. Ein Prozent entfallen auf Leerstand, der aber ausschließlich auf Nutzerwechsel und Wohnungsmodernisierungen zurückgehe.
Bei der Hochbahn beträgt die Durchschnittsmiete 7,20 Euro pro Quadratmeter
„Erklärtes Ziel“ sei es, den Anteil an Mitarbeitenden der Hochbahn unter den Mietern zu steigern, teilte das Unternehmen mit. Die Vergabe der Wohnungen erfolge nach betrieblichen, sozialen und wirtschaftlichen Kriterien in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung und dem Betriebsrat. „Erst wenn die interne Ausschreibung nicht erfolgreich ist, gehen wir mit den Wohnungen an den Markt“, hieß es.
Interessenten zu finden, dürfte nicht schwer sein, denn die Durchschnittsmiete in den Wohnungen der HSG beträgt 7,20 Euro (kalt), was dem Niveau von Sozial- und Genossenschaftswohnungen entspricht und deutlich unter dem allgemeinen Mietniveau in Hamburg liegt. Das Verkehrsunternehmen will diesen Weg weitergehen, denn eine Wohnung anbieten zu können, sei „ein durchaus attraktiver benefit, der gerade auch bei Wohnortwechsel einen wesentlichen Einfluss darauf haben kann, sich für die Hochbahn als Arbeitgeberin zu entscheiden“.
Das UKE bietet seinen Mitarbeiterinnen 300 Ein-Zimmer-Apartements
Aktuell entstehen in Barmbek-Süd 34 Wohnungen, die zum 1. März bezugsfertig sein sollen. Sie werden öffentlich gefördert im 2. Förderweg, was einer Miete von 9,00 Euro pro Quadratmeter entspricht. Geplant sei zudem eine Nachverdichtung in Stellingen mit 28 Familienwohnungen, ebenfalls auf dem 2. Förderweg, die Ende 2025 fertig sein sollen. „Weitere Projekte befinden sich in der Planungsphase“, so die Hochbahn.
Ein relativ großer Anbieter von Wohnraum für das eigene Personal ist auch das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Es betreibt ein Personalwohnheim am Grandweg in Eimsbüttel, fußläufig zur Klinik. Die 300 Einheiten, jeweils rund 20 Quadratmeter große Ein-Zimmer-Apartments mit Badezimmer, verteilen sich auf fünf Häuser. Vermietet werden sie ausschließlich an UKE-Mitarbeitende und dabei vornehmlich an Auszubildende – „für ein geringes Brutto-Warm-Nutzungsentgelt“, teilte eine Sprecherin mit, ohne die genaue Summe zu nennen.
UKE und Budni denken über weitere Wohnungen für Mitarbeiter nach
Das UKE verwies darauf, dass es seiner Mitarbeiterschaft viele Angebote mache, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Das Personalwohnheim und eine eigene Plattform mit Wohnraumangeboten spielen dabei sicher eine wichtige Rolle, denn auch die Uniklinik plant schon weiter: „Ein Neu-/Erweiterungsbau des bestehenden Wohnheims ist ein erklärtes Ziel des UKE.“
Offen für weitere Projekte ist man auch im Hause Budnikowsky. Die Hamburger Drogeriemarktkette hat vor einigen Jahren in Wandsbek 45 öffentlich geförderte Wohnungen errichtet, die von der Familie Wöhlke, den Inhabern der Iwan Budnikowsky GmbH, vermietet werden. Knapp 90 Prozent der Wohnungen seien an Menschen „aus der Budni-Sphäre“ vermietet, dies könnten auch Budni-RentnerInnen oder Angehörige von Mitarbeitenden sein.
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Die durchschnittliche Kaltmiete der Sozialwohnungen liegt bei 6,80 Euro pro Quadratmeter. Aufgrund der öffentlichen Förderung ist zwar ein Wohnberechtigungsschein erforderlich, doch es gibt genug Mitarbeitende, die diese Voraussetzung erfüllen. Weil Budni die eigenen Wohnungen als Wettbewerbsvorteil sehe, der eher noch an Bedeutung zunehmen werde, halte man die Augen offen, hieß es. Wenn sich eine gute Gelegenheit in einem geeigneten Radius zu mehreren Filialen ergebe, sei ein weiteres Projekt dieser Art gut vorstellbar.
Budni-Chef: Wir wollen die Tradition der Werkswohnungen wiederbeleben
„Wir hoffen, dass weitere Unternehmen die sinnvolle Tradition der Werkswohnungen wieder aufleben lassen und für ihre Mitarbeiter Wohnraum schaffen“, hatte Cord Wöhlke, geschäftsführender Budni-Gesellschafter, schon 2020 bei der Grundsteinlegung für die Wohnungen in Wandsbek gesagt. Doch bislang ist daraus noch kein großer Trend geworden.
Indes: So manches Unternehmen würde gerne Wohnungen schaffen, scheitert jedoch aus unterschiedlichen Gründen daran. Ein Beispiel ist der Klinikkonzern Asklepios, mit 16.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der größte Arbeitgeber der Stadt, und mit rund 1500 Ausbildungsplätzen auch der größte Ausbilder. Vor der Privatisierung gehörten zum damaligen Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) noch etliche Schwesternwohnheime, die jedoch im Zuge des Verkaufs bei der Stadt blieben und heute nicht mehr existieren oder anderweitig genutzt werden.
Asklepios vermisst seine früheren Schwesternwohnheime schmerzlich
Heute vermisst man dieses Angebot schmerzlich und würde es gern reaktivieren. Doch die Areale der neun Asklepios-Kliniken sind inzwischen viel kleiner und stärker verdichtet, sodass dort kaum noch Platz für Wohnheime wäre. Zudem kämpfen bundesweit viele Krankenhäuser derzeit gegen rote Zahlen, was die Finanzierung solcher zusätzlichen Projekte fast unmöglich macht.
„Asklepios hat einen medizinischen Versorgungsauftrag, wir bekommen von den Krankenkassen Fallpauschalen für die Behandlung der Patienten und Patineninnen und von der Stadt Investitonsmittel für Um- und Neubauten der Kliniken“, sagte ein Sprecher. „Diese Gelder können wir nicht zweckentfremden, um Wohnungen zu errichten.“
Asklepios hat 150 Plätze in Wohnheimen anderer Anbieter reserviert
Der Klinikkonzern geht daher einen anderen Weg und kooperiert mit anderen Wohnheimanbietern. So hat man 2019 in einem neuen Auszubildendenwohnheim in Harburg, das von einer Stiftung betrieben wird, 40 der 190 Plätze für Asklepios-Auszubildende reserviert. Der Mangel an Fachkräften hänge „unmittelbar mit dem fehlenden Angebot von bezahlbarem Wohnraum zusammen“, sagte Joachim Gemmel, Sprecher der Geschäftsführung der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH, damals.
Dieser Weg wurde weiter beschritten: 2020 sicherte sich Asklepios in Altona 110 möblierte Apartments im „The Fizz“ an der Ecke Stresemannstraße/Holstenstraße. Die 19 bis 23 Quadratmeter großen Apartments mit Bad und Küche wurden damals für 335 Euro Monatsmiete warm vermietet – öffentliche Förderung machte es möglich. Für neue Mitarbeitende aus dem Ausland habe man zudem Zugriff auf mehr als 40 Wohnungen und unterstütze mit zinslosen Darlehen und bei der Wohnungsausstattung.
Etwas unentschieden ist die Lage noch bei Beiersdorf. Der Nivea-Hersteller hat derzeit keine werkseigenen Wohnungen und kooperiert lediglich vereinzelt mit Anbietern möblierter Apartments. Allerdings lässt der Konzern bekanntermaßen gerade sein ursprüngliches Firmengelände in Eimsbüttel, das seit 2023 sukzessive geräumt wird, überplanen. Die interne Pensionskasse TROMA will dort mehr als 800 Mietwohnungen errichten. Auch gezielt für Mitarbeiter? Dazu hält man sich noch bedeckt: „Es gibt Überlegungen, auch besondere Wohnformen anzubieten“, so eine Sprecherin.
Mieten in Hamburg: Airbus braucht keine Werkswohnungen – die Haspa baut ein Wohnheim
Keine Pläne in diese Richtung stellt dagegen der Flugzeugbauer Airbus an, mit rund 16.000 Mitarbeitern Hamburgs zweitgrößter Arbeitsgeber. „Unsere freien Stellen für Azubis und Mitarbeitende können wir besetzen, ohne dass das Thema Wohnraum dabei im Wege steht“, teilte ein Sprecher mit. Möglicherweise profitiert das Unternehmen von seiner Lage am Stadtrand in Finkenwerder, denn bekanntlich wohnen viele Airbus-Mitarbeiter im Umland – schon, weil sie von dort schneller zur Arbeit kommen.
Ein anderes bekanntes Unternehmen steigt dagegen demnächst in den Wohnungsmarkt ein: die Haspa. Hamburgs größte Sparkasse baut gerade ein Azubi-Wohnheim am Alsenplatz in Altona. In rund 70 Apartments soll dort Wohnraum für 140 Azubis und Studierende entstehen, zu Mieten von 235 Euro monatlich plus Nebenosten. Mitte Februar wird groß Richtfest gefeiert – vielleicht wird dann erneut von der Renaissance der Werkswohnungen gesprochen.