Hamburg. 38-jährige Angeklagte wollte, dass der Mann „Hemmungen verliert“. Sie bestahl ihn um 34.000 Euro – stellte sich aber reichlich dumm an.

Er hatte sich von dem Abend Sex versprochen. Zuvor ein gemeinsames Glas Sekt zum Entspannen, dann sollte es ins Bett gehen. Doch das Date, das Werner Z. (alle Namen geändert) übers Internet mit einer Frau verabredet hat, endete für den 68-Jährigen in einem Desaster. Nicht nur, dass er mit der Hamburgerin nicht intim wurde. Am Ende waren auch etliche seiner Wertsachen weg. Hatte die Besucherin dem Hamburger zuvor Kokain ins Getränk geträufelt, um ihn widerstandsunfähig zu machen?

Dieser für den Rentner in jeder Hinsicht unbefriedigende Abend hat jetzt ein juristisches Nachspiel. Wegen der Geschehnisse vom 21. März 2021 muss sich Svetlana A. im Prozess vor dem Schöffengericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der 38-Jährigen versuchten schweren Raub und gefährliche Körperverletzung vor. Laut Anklage hatte sich die Frau mit dem Rentner, der über eine Internetplattform auf ihre sexuellen Dienste aufmerksam geworden war, auf einen Hausbesuch in dessen Wohnung in Eppendorf verständigt. Um ihn gefügig und widerstandslos zu machen, gab die 38-Jährige dem Mann Kokain in sein Sektglas, so die Staatsanwaltschaft.

Prozess Hamburg: Opfer soll mit Kokain im Sekt betäubt worden sein

Schließlich soll Svetlana A. unbemerkt Uhren und Schmuck des Hamburgers im Wert von mehr als 34.000 Euro an sich genommen und unter dem Vorwand, sie wolle sich Zigaretten bringen lassen, zumindest einen Teil der Beute heimlich an einen Komplizen übergeben haben. Als das Opfer später über Atem- und Herzprobleme klagte, habe die 38-Jährige mit den übrigen Schmuckstücken die Wohnung verlassen, so die Ermittlungen.

Die Angeklagte räumte die Vorwürfe im Wesentlichen ein. Neben ihr Verteidiger Haydar Güler. 
Die Angeklagte räumte die Vorwürfe im Wesentlichen ein. Neben ihr Verteidiger Haydar Güler.  © Bettina Mittelacher | Bettina Mittelacher

Svetlana A. ist eine üppige Blondine mit türkisfarben lackierten Fingernägeln und deutlich erkennbarer Nervosität. Über ihren Verteidiger räumt sie die Vorwürfe im Wesentlichen ein. Allerdings habe es einen Komplizen nicht gegeben, nur ihren damaligen Freund. Dieser angebliche „Beschützer“ habe sie „unter Druck gesetzt“, von ihren Dates mit Fremden möglichst viel Geld nach Hause zu bringen. Das Kokain habe sie dem Freier in den Sekt gegeben, weil sie sich davon eine „euphorisierende Wirkung“ erhofft habe, also: mehr Lust auf Sex, mehr gemeinsame Zeit, mehr verdientes Geld. Dass das Kokain bei Werner Z. eher einschläfernd gewirkt habe, sei nicht beabsichtigt gewesen. „Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht, dass die Leute nach dem Konsum Hemmungen verlieren.“

Angeklagte: „Er wurde nicht locker, eher das Gegenteil“

Allerdings habe der 68-Jährige ganz anders reagiert. „Er wurde komisch, nicht locker, eher das Gegenteil.“ Zu sexuellen Handlungen sei es nicht gekommen. Aber während der Mann beispielsweise kurz zur Toilette gehen musste, habe sie den Schmuck, der überwiegend offen in der Wohnung herumgelegen habe, an sich genommen. „Ich bin dann gegangen, weil er nicht mehr wollte.“ Später habe sie die Uhren und Ketten in einem Pfandhaus versetzt und dafür etwa 2800 Euro erhalten. Diese Summe würde sie gern an den Geschädigten herausgeben, um dessen finanziellen Verlust zumindest ein Stück weit zu kompensieren.

Weil sie die Beute unter ihrem echten Namen verpfändet hatte und Werner Z. außerdem ihre Telefonnummer hatte, war es für die Polizei ein Leichtes, die Identität der Verdächtigen zu ermitteln. Und dass mit Svetlana A. die Richtige auf der Anklagebank sitzt, daran lässt ihr damaliger Kunde keine Zweifel. „Mit dieser Dame da“, sagt der 68-Jährige während seiner Zeugenaussage und zeigt auf die Angeklagte, habe er sich seinerzeit verabredet. Man habe geredet, was getrunken, und dann hätten sie eigentlich Sex haben sollen. „Aber dazu kam es nicht.“

Zeuge berichtet von Atemproblemen und kurzfristiger Ohnmacht

Sein Besuch habe ihn unter die Dusche geschickt. Was genau die 38-Jährige getan hat, während er im Bad war, weiß Werner Z. nicht. Aber dass ihm, nachdem er den Sekt getrunken hatte, „schummrig“ geworden sei. „Meine Atmung funktionierte auch nicht richtig, ich hatte eine kurzfristige Ohnmacht“, erzählt der Zeuge. Auch an Herzrasen habe er gelitten. „Das hat mir richtig Angst gemacht.“

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Den Verlust des Schmucks bemerkte Werner Z. laut seiner Darstellung, nachdem sein Besuch bereits gegangen war. „Ich dachte erst, ich hätte ihn verlegt.“ Aber dann habe er die 38-Jährige angerufen, um sie zu bitten, die Sachen wieder herauszugeben. Doch die Frau sei nicht ans Telefon gegangen. Nicht nur die Wertsachen, überwiegend „Erbstücke mit besonderem Erinnerungswert“, seien weg, sondern auch 800 Euro, die er in der Erwartung sexueller Dienste gezahlt habe.

Kein Sex: „Ich wurde um Honorar geprellt, weil nichts passiert ist“

„Ich wurde um Honorar geprellt, weil nichts passiert ist.“ Seit er diese schlechte Erfahrung gemacht habe, sei er „misstrauischer“ geworden, erzählt der Rentner. „Und ich lasse seitdem keine Unbekannten mehr in meine Wohnung.“

Der Inhalt des Sektglases wurde nach dem Vorfall in der Toxikologie des Instituts für Rechtsmedizin untersucht. Und tatsächlich fanden sich Spuren von Kokain, wie ein Sachverständiger im Prozess erklärt. Doch gerade diese Droge sei eigentlich nicht geeignet, die gesundheitlichen Probleme, die Werner Z. schilderte, zu verursachen. Üblicherweise beschleunige Kokain unter anderem die Atemtätigkeit und habe einen antriebssteigernden Effekt, erläutert der Toxikologe. Bewusstlosigkeit beziehungsweise Einschlafen seien keine typischen Auswirkungen. „Es ist nicht geeignet, jemanden widerstandsunfähig zu machen.“ Der Prozess wird fortgesetzt.