Bergedorf. Gescheiterter Dreier: Die angeklagte Prostituierte konnte nicht überführt werden. Dennoch warnt die Staatsanwältin vor neuer Masche.

Staatsanwältin Gerbl wirkte frustriert. „Ich bin mir sicher, dass damals an der Alten Holstenstraße irgendwas vorgefallen ist. Aber aus irgendwas kann man kein Urteil machen“, sagte sie am zweiten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Hamburg – und beantragte Freispruch für die 23-jährige Cindy B. aus St. Pauli.

Wie berichtet, soll die Angeklagte den Bergedorfer René P. (27) in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 2020 zusammen mit einer zweiten Prostituierten in seiner Wohnung besucht haben. Doch zu dem im Internet vereinbarten Sex zu dritt kam es nicht – obwohl der Freier dafür wohl bereits 350 Euro bezahlt hatte. Stattdessen sollen die Damen ihn im Genitalbereich mit einer Kochsalzlösung verätzt haben. So die Version von René P. am ersten Verhandlungstag Anfang Februar.

Cindy B. soll auch einen Freier auf St. Pauli um sein Geld geprellt haben

Jetzt ist der Prozess fortgesetzt worden, zu dem auch ein zweites Verfahren gegen Cindy B. gehört: Auch im Sommer 2019 soll sie an der Herbertstraße mithilfe ihrer Kollegin Laurence D. (28) einen Freier um bereits vereinbarten Sex betrogen haben. Anschließend hob sie mit der EC-Karte des Kunden das Tageslimit von 990 Euro ab. Dem Duo wird deshalb gemeinschaftliche räuberische Erpressung und Freiheitsberaubung vorgeworfen, während es beim Bergedorfer Fall um gefährliche Körperverletzung und Nötigung geht.

Auch der Hamburger Fall lief ähnlich ab: „Ich wollte nur Sex und mehr nicht. Dafür habe ich 130 Euro bezahlt“, beteuerte Jacob R. (24), Sozialwirtschaftsstudent aus Nürnberg, jetzt vor dem Amtsgericht. Hamburgs Rote Meile besuchte er damals bei einem Junggesellenabschied. Auffallend höflich spricht er bei den beiden Angeklagten von „Damen“. Irgendwie will er nicht in das typische Freier-Klischee passen. Nach den Worten der beiden Prostituierten soll er aber die „ganz große Show“ gebucht haben – im Wert von 600 Euro.

Cindy B. soll 990 Euro vom Konto des Kunden abgehoben haben

„Es war ganz anders“, so der Nürnberger. Er erinnere sich an keine große Sex-Show, nicht mal an normalen Geschlechtsverkehr. Es habe lediglich „ein wenig Handverkehr“ von Cindy gegeben, während ihre Kollegin die Tür bewachte. Anschließend seien ihm Geldbeutel und Handy abgenommen worden. Als Jacob R. das falsche Spiel bemerkte und gehen wollte, stellte sich Laurence aggressiv vor die Tür. So die Version des Studenten.

„Wenn du nicht machst, was wir sagen, holen wir die Türsteher, und die schlagen dich grün und blau“, soll Laurence D. gedroht haben. Völlig verängstigt soll der junge Mann dann seine PIN herausgerückt haben. Anschließend, so der Vorwurf, hob Cindy B. 990 Euro ab, das beweisen die Kontoauszüge. Erst jetzt durfte der 23-Jährige das Zimmer an der Gerhardstraße auf St. Pauli verlassen. Sofort erstattete er Anzeige auf der Davidwache. Sein Alkoholtest ergab damals einen Wert von 1,9 Promille.

Der 23-Jährige habe „echte Opfer-Qualitäten“, so Cindys Verteidiger

Dieser Alkoholpegel wurde ihm vor dem Amtsgericht nun zum Verhängnis: Immer wieder gibt es Gedächtnislücken. Aus drei Stunden wird eine Stunde. Aus einem Bett direkt an der Tür, wird ein Bett am Fenster. Richterin Türmer will detailliert wissen, wer alles nackt war, als die erste Drohung ausgesprochen wurde. Er weiß es nicht mehr.

Ihm hilft nicht mal, dass auch Cindys Verteidiger im 23-Jährigen ein „gefundenes Fressen für Prostituierte auf dem Kiez“ sieht, „mit echten Opfer-Qualitäten“. Er sei allerdings überzeugt, dass Jacob einfach zu betrunken war, um die bezahlte Liebesshow in Anspruch zunehmen.

Es fließe viel Geld für einen Wunsch, der gar nicht erfüllt werden soll

Ganz so leicht will Staatsanwältin Gerbl die „Damen“ aber nicht davonkommen lassen: „Wer eine angebotene Leistung nicht erbringt, der kann auch nichts verkaufen. Das gilt in der Prostitution wie in jedem anderen Gewerbe.“

In ihrem Schlussplädoyer lässt es sich Staatsanwältin Gerbl nicht nehmen, vor den zwei „Damen“ auf eine Entwicklung hinzuweisen, die sie mit Besorgnis bei ihrer Arbeit im Gericht beobachte: Immer häufiger komme es vor, dass Freier auf dem Hamburger Kiez mit einer „großen Sex-Show“ gelockt würden. In der Realität stehe dann aber ein liebloses Fummeln auf dem Programm – „ganz ohne großes Finale“. Für die Staatsanwältin werde „das Bedürfnis der Kunden nach mehr Leistung taktisch manipuliert“. Es fließe viel Geld für einen Wunsch, der gar nicht erfüllt werden soll.

Freispruch für Cindy B. und ihre Komplizin, deren Identität nicht geklärt werden konnte

Von Geldabhebungen bis zum Tageslimit höre sie nicht zum ersten Mal. Deshalb lässt es sich die Staatsanwältin nicht nehmen, im Plädoyer allen Männern für den Besuch auf Hamburgs sündiger Meile einen Rat mitzugeben: „Alle EC- und Kreditkarten unbedingt zu Hause lassen!“

Am Ende wird dieses Verfahren gegen Cindy B. und ihre Kollegin gegen Zahlung von 1200 Euro eingestellt. Von der Summe erhält Jacob R. sein Geld zurück, der Rest geht an gemeinnützige Zwecke.

Weniger Glück hat der Bergedorfer René P. (27) mit seinem bestellten Dreier für 350 Euro. Seine Aussagen über die misslungene Sex-Nacht sind der Richterin zu widersprüchlich – auch zu seinen Angaben im Protokoll der Bergedorfer Polizei aus der Tatnacht. Sie folgt dem Antrag der Staatsanwältin: Freispruch für Cindy B. und ihre Komplizin, deren Identität im Prozess nicht geklärt werden konnte.