Hamburg. Täter machen in Hamburg Millionenbeute. Welche Tricks deutlich zunehmen, welche seltener werden und was die Polizei Betroffenen rät.
Rund 2,5 Millionen Euro erbeuteten Betrüger mit sogenannten „Schockanrufen“ von Hamburger Bürgern. Opfer sind oft ältere Menschen. Die Masche ist besonders perfide. Durch eine angebliche Notsituation naher Verwandter wird das Opfer überrumpelt und in einen psychischen Ausnahmezustand gebracht. Es ist die einträglichste Masche solcher Betrüger. Dagegen registriert die Polizei in Hamburg kaum noch den sogenannten „Enkeltrick“.
Wie ein „Schockanruf“ abläuft, schilderte ein 83-Jähriger gegenüber dem Abendblatt. Ein angeblicher Polizist hatte den Mann angerufen, ihm vorgelogen, dass sein Enkel einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe. Dabei habe er ein Handy in der Hand gehabt, was strafverschärfend sei – und deshalb müsse der Enkel in Haft, wenn keine Kaution gezahlt werde. „Ich war wie in Schockstarre“, erzählt der 83-Jährige. Fast hätte er einem „Abholer“, angeblich ein Mitarbeiter der Gerichtskasse, Goldmünzen übergeben. Nur weil eine Bekannte, die bei der Behörde arbeitet, ihm vorher noch sagte, dass es so etwas nicht gibt, kam es zu keinem Schaden.
Täter erbeuteten im Schnitt von den Opfern ihrer „Schockanrufe“ 44.000 Euro
In 57 Fällen, sieben mehr als 2022, war das im vergangenen Jahr anders. Die Summen, um die es geht, sind enorm. Knapp 44.000 Euro erbeuteten die Täter im Schnitt von jedem der Opfer. Kein Wunder, dass bei diesen „Erfolgen“ die Masche boomt. Die Zahl der der Polizei bekannt gewordenen Fälle von Schockanrufen stieg in 2023 um rund 40 Prozent auf 1522 Taten. Von wie vielen Taten die Polizei nichts mitbekam – darunter sicher auch Fälle, bei denen Geld erbeutet wurde – lässt sich nicht abschätzen.
Bei der Polizei geht man davon aus, dass wegen der reichen Beute die Masche weiter in großem Umfang angewandt wird. Das untermauern auch die Zahlen. Lag die Höhe der Beute 2021 noch bei 1,4 Millionen Euro, lag sie 2022 bereits bei 2 Millionen und 2023 noch einmal eine halbe Million Euro höher.
Polizei rät: So geht man mit Schockanrufen am besten um
Das Bundeskriminalamt (BKA) rät, sich am Telefon am besten gar nicht erst in ein Gespräch verwickeln und unter Druck setzen zu lassen, sondern einfach aufzulegen. Außerdem sollten keine Details zu persönlichen oder finanziellen Verhältnissen preisgegeben werden. Geben sich Anrufer als eine vertraute Person aus, sollten Betroffene diese unter der bekannten Nummer anrufen.
Polizei oder vergleichbare Amtspersonen, die Betrüger in weiteren Anrufen gerne vortäuschen, würden niemals telefonisch um die Aushändigung von Bargeldbeträgen oder Wertsachen bitten, heißt es. Zudem empfiehlt das BKA, grundsätzlich keine Unbekannten in die eigene Wohnung zu lassen und ihnen auch niemals Geld oder Wertgegenstände auszuhändigen. Wer einen Schockanruf erhalten hat, sollte sich stattdessen umgehend an die örtliche Polizeidienststelle wenden, um den Vorfall anzuzeigen.
Bei Lovescam werden die Opfer durch „Liebe blind“ gemacht
Auf Platz zwei der erfolgreichsten Varianten der miesen Maschen kam der „Lovescam“. Zwei Millionen Euro erbeuteten die Täter im letzten Jahr von ihren liebestrunkenen Opfern, zumeist Frauen. Die Täter nehmen zu ihrem Opfer Kontakt über die sozialen Medien auf. Sie geben sich als amerikanischer Soldat im Auslandseinsatz, Arzt am Ende der Welt oder Ölarbeiter auf einer Plattform aus. Der Täter schwört die große Liebe, schreibt von einer gemeinsamen Zukunft. Dann braucht er Geld.
Bei dem angeblichen Ölarbeiter soll ein Feuer auf der Bohrinsel, auf der er angeblich arbeitet, Grund für eine kurzfristige finanzielle Schieflage gewesen sein. Das Opfer, eine 39-Jährige, überwies insgesamt 61.000 Euro. Auch in dem Fall machte „Liebe blind“. Das gilt auch für eine 56-Jährige, die ernsthaft geglaubt hatte, dass sich der amerikanische Schauspieler Brad Pitt unsterblich in sie verknallt habe und mit ihr den Rest seines Lebens verbringen wolle. 80.000 Euro für eine angeblich gemeinsame Wohnung kostete die Frau dieser Irrglaube.
In Hamburg wurden im vergangenen Jahr 130 Taten bekannt, die dem Lovescamming zugeordnet wurden. In 101 Fällen haben die Täter Geld erbeutet. Hinter der Masche stecken Täter, die im Ausland, oft in Afrika, sitzen und sich darauf spezialisiert haben, durch eine „Hintertür in die Herzen der Frauen zu kommen“. Die Chance, sie zur Rechenschaft zu ziehen, liegt bei nahezu null.
Der Betrug via Messenger-Dienste bringt Millionenbeute
Zugenommen hat der Betrug via Messenger-Dienste. Meistens läuft es über WhatsApp. Das Vorgehen: Auf dem Telefon erscheint unter einer unbekannten Nummer eine Nachricht, die angeblich vom Sohn oder der Tochter stammt. Dem Empfänger wird vorgegaukelt, dass der Nachwuchs das Handy verloren habe oder es defekt sei und er ein neues habe, samt neuer Nummer.
Geht das Opfer auf die Geschichte ein, kommt relativ schnell eine Nachricht, in der eine finanzielle Notlage geschildert und Geldtransfer, in der Regel eine Überweisung ins Ausland, gefordert wird. 1634 solcher Taten wurden im vergangenen Jahr bei der Polizei angezeigt. In 371 Fällen erlangten die Täter Beute. Der Schaden wird mit rund einer Million Euro beziffert.
Andere Phänomene sind auf dem Rückzug. Die Fälle des Trickbetrugs mit „falschen Polizisten“ nehmen ab. Deren Masche: Man habe Angehörige einer Einbrecherbande festgenommen. Bei dem Täter wurde die Adresse des Angerufenen gefunden. Der müsse sein Geld und Schmuck in Sicherheit bringen – am besten durch die schnelle Übergabe an einen „Kollegen“ des angeblichen Polizisten, der vorbeikommt. 859 bekannt gewordene Taten gab es 2023. Im Vorjahr waren es noch 1454.
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Beim „Enkeltrick“, einer Masche, bei der man sich der Täter als Verwandter ausgibt, der dringend Geld für einen angeblichen Immobilien- oder Autokauf braucht, ging die Zahl auf neun bekannt gewordene Fälle zurück.
Hinter beiden Vorgehensweisen stecken professionelle Täterstrukturen, die aus Callcentern die Opfer anrufen. Sitz dieser Callcenter war in der Vergangenheit immer das Ausland, oft die Türkei.