Hamburg. Die Richterin sagte in der Urteilsbegründung, dass Cannabis die schwere psychische Störung bei dem Angeklagten ausgelöst habe.

Er versuchte, das viele Blut in den Zimmern mit Farbe zu überpinseln. Er bemühte sich nach Kräften, einen Leichnam zu zerteilen. Doch die Verbrechen, die Florian E. begangen hat, ließen sich bei aller Mühe nicht vertuschen: Der 29-Jährige hat seine Freundin und seine Mutter umgebracht; und die Wohnung, in der er die Taten begangen hat, bot eine Kulisse von unvorstellbarer Gewalt.

Von „wahrlich grauenvollen Taten“ spricht die Vorsitzende Richterin im Schwurgerichts-Prozess gegen den Mann, der diese Tötungen verübt hat. Für die Verbrechen vom Februar dieses Jahres wird Florian E. allerdings nicht ins Gefängnis kommen — sondern in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht, entscheidet das Gericht.

Freundin und Mutter erstochen: paranoide Schizophrenie

Florian E. ist schuldunfähig, weil er an paranoider Schizophrenie leidet. Diese massive psychische Störung hat ihn zum Mörder werden lassen. Und sie bewirkt, dass der 29-Jährige weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Allerdings, betont Richterin Jessica Koerner, sei Florian E. „nicht ein kaltblütiger, planerischer Mörder, sondern ein schwerst erkrankter Mensch“.

Vor Gericht sitzt ein Mann, der ruhig und still wirkt, ein Typ mit blondem Bürstenhaarschnitt, rotkariertem Hemd und zurückhaltendem, fast scheuem Blick. Einer, der bis Anfang dieses Jahres niemals gewalttätig geworden ist und den Freunde und Verwandte als freundlich und hilfsbereit beschrieben haben.

Massiver Gewaltausbruch: Freundin und Mutter brutal ermordet

Doch dann erfolgte dieser massive, erschütternde Gewaltausbruch, der sich ausgerechnet gegen die beiden Menschen richtete, die Florian E. emotional am nächsten standen. Am späten Abend des 5. Februar tötete der Hamburger seine Freundin Tarah A., indem er die 24-Jährige erstickte und ihr zusätzlich mit einem Messer einen langen, tiefen Schnitt in ihren Hals zufügte. Dann begann er, den Leichnam seiner Partnerin in der Badewanne mit Beil und Messer zu zerteilen und versuchte, ihn in geschmolzener Kernseife aufzulösen. Die Körperteile hatte er offenbar in einer Sporttasche wegschaffen wollen.

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Wenig später die nächste Schreckenstat: Seine Mutter, die sich um ihn Sorgen machte und die ihn in seinem Zuhause in Bramfeld besuchen wollte, griff Florian E. noch in der Wohnungstür mit einem Messer an und fügte ihr insgesamt 63 Stiche in die Brust und in den Bauchbereich zu, etliche davon von hinten. Kirsten E. verblutete. Dann fuhr ihr Sohn los und kaufte sich etwas zu essen.

Den kleinen Hund seiner Freundin, den er vorher bereits erschlagen hatte, hatte er da schon in einem Graben in der Nähe des Hauses entsorgt. Als die Polizei schließlich, alarmiert vom Vater, zur Wohnung des 29-Jährigen kam, probierte er gerade, in seiner Wohnung die Blutlache mit Farbe zu kaschieren. Bei seiner Festnahme schrie und weinte Florian E. schließlich, und er rief: „Mama, es tut mir so leid!“

Gericht wertet Taten als heimtückischen Mord

Das Gericht, vor dem sich der Beschuldigte in einem sogenannten Sicherungsverfahren verantworten musste, wertet die Tötungen von Freundin und Mutter jeweils als heimtückischen Mord, weil Florian E. die Arg- und Wehrlosigkeit seiner Opfer ausgenutzt habe. Obwohl er wegen seiner paranoiden Schizophrenie schuldunfähig sei, habe der Beschuldigte doch planvoll handeln können, hatte ein psychiatrischer Sachverständiger ausgeführt, dem Florian E. die Taten zudem gestanden hatte. Der 29-Jährige hatte dem Gutachter gegenüber selber geschildert, dass er die ahnungslosen Opfer habe „überrumpeln“ wollen.

Das Motiv von Florian E. für seine Bluttaten: In seinem Wahn hatte er geglaubt, dass seine Freundin ihn umbringen wolle. Als sie ihm erzählte, dass sie sich ein Tattoo mit einer „Schwarze Witwe“ stechen lassen wolle, habe er dies als Zeichen gesehen, „dass er in Lebensgefahr schwebe und sie ihm das Genick brechen wolle“, führt Richterin Jessica Koerner aus. Deshalb habe er seiner Freundin zuvorkommen müssen, hatte Florian E. beschlossen — und seine Partnerin ermordet.

Freundin und Mutter erstochen: Angeklagter versuchte, Verdacht abzulenken

Nach dem Verbrechen hatte er noch Chat-Nachrichten zwischen sich und seiner Partnerin simuliert, um vorzutäuschen, sie habe ihn verlassen. „Und um den Verdacht der Tötung von sich abzulenken“, wie die Richterin schildert.

Auch von seiner Mutter nahm Florian E. schließlich an, sie wolle ihn töten. Konkret fürchtete er, sie werde ihn erschießen. Auch dies habe er, so glaubte er, verhindern müssen. Als Kirsten E. über Stunden immer wieder versuchte, ihn zu erreichen, bat er sie schließlich ausdrücklich, allein und ohne den Vater zu seiner Wohnung zu kommen. Auf ihren Besuch und seine Bluttat bereitete er sich nach Überzeugung des Gerichts vor, indem er ein Küchenmesser in seinem Bademantel verbarg und der Mutter so die Tür öffnete. Noch während die 53-Jährige im Eingang stand, erstach er sie wie in einem Rausch.

Doppelmord Hamburg: Niemand ahnte, dass Florian E. zu solchen Taten fähig wäre

Erste Anzeichen für sein Umfeld, dass Florian E. ernsthaft erkrankt ist, hatte es im Januar dieses Jahres gegeben, als der Hamburger unter anderem erzählte, er höre Stimmen. Dass er tatsächlich Menschen umbringen könnte, hatte jedoch niemand aus seinem engsten Kreis geglaubt. Dabei fühlte er sich da schon insgeheim von seinem Vater bedroht. „Er nahm an, der Vater wolle ihn als Erben aus dem Weg räumen und trachte ihm nach dem Leben“, schildert die Richterin.

Angesichts der furchtbaren Tötungen seiner Liebsten durch Florian E. frage man sich unweigerlich, „wie es dazu kommen kann, dass ein Mensch, der vorher tatsächlich noch nie gewalttätig war“, plötzlich derartigen Taten begehen könne, sagt Richterin Koerner in der Urteilsbegründung.

Richterin: Cannabis löste Wahnvorstellungen bei Florian E. aus

Doch der Grund dafür sei offensichtlich: die paranoide Schizophrenie des Beschuldigten, „ausgelöst durch regelmäßigen Konsum von Cannabis“ und anderen Drogen im Jugend- und Heranwachsendenalter. „Der Konsum der angeblich doch so harmlosen Droge Cannabis ist — in Verbindung mit einer gewissen genetischen Disposition, von der man nicht weiß, ob man sie hat – dafür verantwortlich, dass ein bislang völlig unbestrafter, unauffälliger Mensch eine Schizophrenie und damit einhergehend Wahnvorstellungen entwickelt“, so die Richterin. Diese hätten Florian E. dazu veranlasst, ausgerechnet die beiden Menschen zu ermorden, die ihm am wichtigsten waren.

Die Verbrechen des Florian E. seien kein Einzelfall, betont Koerner. Es sei allein in ihrer Kammer in den letzten Monaten „bereits der dritte Fall, dem eine durch Drogenkonsum hervorgerufene Schizophrenie zugrunde liegt. Und dabei der zweite Fall, bei dem die eigene Mutter durch eine Vielzahl von Messerstichen getötet wurde“. Es müsse „ganz deutlich und unmissverständlich gesagt werden, welche Gefahr tatsächlich von einem regelmäßigen Cannabiskonsum durch Jugendliche und Heranwachsende ausgehen kann“, erläutert die Vorsitzende. Die Fälle nähmen zu, die Landgerichte würden davon „geradezu überschwemmt“.