Hamburg. Patienten fordern bei Lauterbachs Krankenhausreform hohe Behandlungs-Qualität. Techniker Krankenkasse mit Vorschlag für Zusammenlegung.
Die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und den Bundesländern wird erhebliche Auswirkungen auf die Medizin-Metropole Hamburg haben. Nur welche – das ist wegen des Stillstandes in den Verhandlungen und der Streitigkeiten über vorgezogene Finanzspritzen für das Überleben der Krankenhäuser im Jahr 2024 noch völlig unklar. Aufseiten der Patienten scheint sich der Nebel zu lichten.
Nach einer neuen repräsentativen Umfrage der größten deutschen Krankenkasse, der Techniker, legen die Menschen in Norddeutschland einen besonderen Wert auf die Qualität der Krankenhausbehandlung. Dafür sind sie nach den Ergebnissen auch bereit, längere Strecken zum Beispiel für Operationen oder Untersuchungstermine in Kliniken in Kauf zu nehmen.
Die Antworten aus den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Niedersachsen zeigen, dass den Befragten bei der Auswahl eines Krankenhauses die Erfahrung bei der Behandlung (100 Prozent) und die Qualität sowie die Verfügbarkeit von Fachpersonal (97 Prozent) „sehr wichtig“ oder „wichtig“ seien. Lauterbach plant ein neues Internet-Portal, auf dem Krankenhäuser und ihre Qualitätsberichte einzusehen sind. Die gesamte Reform soll auch nach dem Wunsch der Länder Behandlungen und Operationen dort konzentrieren, wo es Zentren zum Beispiel für bestimmte Eingriffe gibt.
Krankenhaus Hamburg: Führt Lauterbachs Reform zu Zusammenlegungen?
Das helfe, die Ergebnisqualität der Krankenhaus-Medizin im Sinne der Patientinnen und Patienten zu verbessern und bundesweit auf ein höheres Niveau zu heben. 71 Prozent der Norddeutschen sind die bisherigen Qualitätsberichte, die es auch in Hamburg gibt, nicht bekannt. Nur 14 Prozent aller Befragten haben bereits einmal einen solchen Qualitätsbericht gelesen. Ein bundesweites „offizielles“ Internetportal dazu würden laut Umfrage 76 Prozent der Norddeutschen nutzen.
Die Hamburger Landeschefin der TK, Maren Puttfarcken sagte dem Abendblatt: „Die Umfrageergebnisse zeigen uns, dass für die Menschen in Norddeutschland eine hohe Qualität im Krankenhaus besonders wichtig ist. 65 Prozent der Befragten sprechen sich außerdem dafür aus, dass komplizierte Behandlungen nur noch in dafür spezialisierten Kliniken durchgeführt werden sollen, selbst wenn dies längere Anfahrtswege für manche Patientinnen und Patienten notwendig machen würde.“ Sie forderte: „Deshalb darf die Politik den Qualitätsaspekt in der Krankenhausreform nicht aus den Augen verlieren.“
Asklepios, Albertinen, Agaplesion: Hamburger Krankenhäuser müssen sich stärker profilieren
Dieser Satz ist mehr als ein Gemeinplatz. Dem eigentlichen Gesetz zur Krankenhausreform soll ein anderes „vorgeschaltet“ werden. Hier sollen schon einmal Qualitätsaspekte festgeschrieben werden und das von Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) federführend verhandelte Extra-Geld für alle Kliniken, um den Weg zur Reform wirtschaftlich bestreiten zu können.
Den von Lauterbach eingeschlagenen Weg sehen unionsgeführte Länder allerdings sehr skeptisch. Während Schlotzhauer glaubt, einen vertretbaren Kompromiss mit Lauterbach gefunden zu haben, pochen andere Länder darauf, dass am Ende der Bund formal ja ohnehin kein Mitspracherecht habe.
Der Bau und der Betrieb von Krankenhäusern ist überwiegend Ländersache. Jedoch buttern die Krankenhausträger, ob private (zum Beispiel Asklepios), frei-gemeinnützige (Albertinen oder Agaplesion Diakonie) oder lokale, zum Bau und der Instandhaltung hohe Anteile hinzu. Die Kosten der Behandlungen tragen die Krankenkassen.
Techniker Krankenkasse: Diese Stationen können konzentriert werden
Die TK-Landesvorsitzende sagte: „Es ist unbestritten: Qualität geht mit Spezialisierung einher. Daher müssen sich die Kliniken stärker spezialisieren und auf einzelne Leistungen konzentrieren. Die Ergebnisse der Befragung zeigen uns, dass die Patientinnen und Patienten diesen Weg mitgehen würden.“ Zur Qualität der Versorgung zähle ausreichend vorhandenes Personal. Bei Ärzten sowie im Pflegebereich wird es aber immer knapper (das Abendblatt berichtete).
Puttfarcken sagte: „Wir können es uns perspektivisch einfach nicht mehr leisten, dass insbesondere das Pflegepersonal an zu viele kleine Standorte gebunden ist, an denen dann oft die Personalvorgaben nicht erfüllt werden können. Auch das ist ein wesentlicher Faktor beim Thema Qualität in der stationären Versorgung.“
Die Häuser der Immanuel Albertinen Diakonie und der Verband freigemeinnütziger Krankenhäuser in Hamburg haben eine Kampagne gestartet, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Geschäftsführer Jörn Wessel (Agaplesion) sieht eben diese Qualität der Versorgung in Gefahr: „Die derzeitige Politik des Zuschauens, wie alle Krankenhäuser immer tiefer in eine unverschuldete Notlage geraten, ist unverantwortlich und trifft die freien Krankenhäuser als gemeinnützige Unternehmen ohne große Finanzpolster oder staatliche Sonderzahlungen in besonderer Weise.“ Wessel plädiert für das „Vorschaltgesetz“, um die Häuser finanziell zu entlasten.
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Krankenhaus-Pleiten bereits vor der Reform?
Matthias Scheller (Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung Immanuel Albertinen Diakonie) fürchtet vor der Reform Pleiten, die dann unumkehrbar seien. „Die Lage für die Krankenhäuser ist dramatisch und wird bundesweit jeden Tag schlechter.“ Dass eine Reform komme, sei selbstverständlich, wie eine Reduzierung der Zahl an Kliniken. „Aber ein solcher Strukturwandel muss politisch verantwortlich mit allen Beteiligten gemeinsam organisiert und nicht dem Insolvenzrecht überlassen werden!“
Wo man in Hamburg die Kliniklandschaft bereinigen könnte, das legt TK-Landeschefin Puttfarcken bereits nahe. „In Hamburg findet zwar eine Diskussion über die Weiterentwicklung der stationären Versorgungsstrukturen statt, aber die Anpassung an die tatsächlichen Bedarfe ist bislang unzureichend. Das sehen wir am Beispiel der Level 1-Perinatalzentren.“
Von diesen hoch spezialisierten und im Unterhalt teuren Geburtszentren mit permanenter (Not-)Arztbereitschaft und Hebammen vor Ort gebe es in Hamburg fünf. Puttfarcken sagte, alle fünf Zentren hätten Schwierigkeiten, „ausreichend Pflegekräfte dauerhaft bereitzustellen“. Einige dieser Häuser hätten sehr geringe Fallzahlen. „Eine stärkere Konzentration auf weniger Standorte könnte hier Abhilfe schaffen.“