Hamburg. Vergleich zwischen Anästhesistin und Krankenhauskonzern. Verfahren wurde erbittert geführt, Gewerkschaft sieht Ärzte als Sieger.

  • Einigung im Streit zwischen Helios Endo-Klinik und Hamburger Ärztin
  • Vermeintlicher Arbeitszeitbetrug von 28 Minuten hatte zu juristischer Schlacht mit Schriftsätzen und Anschuldigungen auf beiden Seiten geführt

Hamburg. In einem erbitterten Streit zwischen einer Hamburger Ärztin und der Helios Endo-Klinik um einen vermeintlichen Arbeitszeitbetrug von 28 Minuten und eine Kündigung hat es nun einen Vergleich gegeben. Bei einem Termin vor dem Arbeitsgericht erklärte Helios am 23. Januar: Man werde der Anästhesistin, die seit Jahren in der Tarifkommission der Ärztegewerkschaft Marburger Bund sitzt, 400.000 Euro zahlen und das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar ordentlich beenden. Sie soll ein „sehr gutes“ Zeugnis erhalten, das Bedauern über ihr Ausscheiden solle formuliert werden sowie gute Wünsche für die Zukunft.

Man wolle den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges nicht mehr aufrechterhalten, erklärte die Anwältin des Krankenhaus-Konzerns. Gleichzeitig verpflichtete sich die Ärztin, ihre Vorwürfe nicht zu wiederholen.

Der Hamburger Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Pedram Emami, wertete den Vergleich als Erfolg: „Von Gewerkschaftsseite ist es so, dass wir immer auf der richtigen Seite gelegen haben. Dieses Verfahren hat eine Konsequenz, und zwar die, dass sich Ärzte nicht mehr verstecken oder in Sorge sein müssen, das gefährde ihre Karriere.“ Er kündigte zudem an: „Wir werden als Gewerkschaft weiterhin genau beobachten, wie Helios mit seinen Mitarbeitenden umgeht und uns für ihre Rechte einsetzen – wenn nötig vor Gericht.“ Ein Helios-Sprecher sagte dem Abendblatt, „Wir haben uns mit der Klägerin auf einen gerichtlichen Vergleich geeinigt und das Verfahren damit zu einem einvernehmlichen Abschluss gebracht.“

Helios Endo-Klinik vor Gericht mit Hamburger Ärztin: Vergleich und 400.000 Euro Zahlung

Mit dem Vergleich endet eine über Monate mit harten Bandagen geführte Auseinandersetzung zwischen einem Krankenhaus und einer Ärztin, die ihresgleichen sucht. Es hatte einen ersten Gütetermin gegeben – gescheitert. Ein Verhandlungstermin im November war geplatzt. Zwischenzeitlich haben sich beide Seiten eine juristische Schlacht mit Schriftsätzen und Anschuldigungen geliefert.

Die Anästhesistin Franziska Schlosser soll nach einer 24-Stunden-Schicht im April 2023 das Haus um 8.32 Uhr verlassen haben, obwohl sie 9 Uhr in ihrer Arbeitszeitdokumentation angegeben habe. Helios erklärte in dem Verfahren, es gebe eine Zeugin dafür.

Schlosser sagte vor dem Arbeitsgericht, sie arbeite seit fast 24 Jahren „ohne Tadel“ in dem Haus. Sie habe 830 Bereitschaftsdienste in der Zeit gemacht, sich regelmäßig verpflichtet, auch für andere einzuspringen. „Ich will meine Reputation zurück, ich will an meinen Arbeitsplatz zurück.“ Schlosser führte ihrerseits Zeugen an, dass sie nicht um 8.32 Uhr gegangen sei. Die wurden am Ende nicht gehört.

Sie argwöhnte im Prozess, was sie nun nach dem Vergleich nicht mehr sagen darf, was aber ihre Anwältin Katharina von der Heyde und Emami sagten: Helios habe eine gewerkschaftlich engagierte Ärztin loswerden wollen, die auch schon Warnstreiks in einem Tarifkonflikt organisiert habe.

Helios Endo-Klinik gegen Hamburger Ärztin: Besonnene Richterin sorgt für Vergleich

Helios wies das in der Verhandlung von sich. Das sei nicht die Absicht, sondern einen von einer Zeugin der Geschäftsführung glaubhaft versicherten Arbeitszeitbetrug zu ahnden. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört. „Sie versuchen, eine andere Geschichte daraus zu stricken“, warf die Helios-Anwältin der Ärztin vor.

Der Vergleich und die Rücknahme der Vorwürfe kamen am Ende auch deshalb zustande, weil Richterin Carla Coutinho in einer bemerkenswert offenen Art der Klägerin und dem Krankenhauskonzern darlegte, welche Folgen ein Urteil für die jeweilige Seite hätte und wie sie den Fall rechtlich bewertet. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Arbeitsverhältnis fortgeführt würde“, sagte Coutinho, die von den vielen Ärzten im voll besetzten Saal wegen ihrer besonnenen Verhandlungsführung beinahe beklatscht worden wäre.

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„Wenn es Konflikte im Unternehmen gibt, strahlt das auf alle Arbeitsverhältnisse aus. Auch wenn es schwierig ist, müssten hier beide Seiten den Resetknopf drücken und das Vergangene bei einer weiteren Zusammenarbeit vergessen.“

Helios wollte Schlosser partout nicht weiterbeschäftigen. Schlosser ließ sich das schweren Herzens teuer abkaufen. Beide lassen künftig von ihren Vorwürfen.

Gewerkschaft: Ärzte müssen im Krankenhaus nicht kuschen

Gewerkschafter und Ärztekammer-Präsident Emami jedoch machte klar, dass Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus nicht kuschen müssten. Schlosser sei bereits vor einigen Jahren während eines Tarifkonfliktes von TV-Dokumentaren begleitet worden. Auch damals habe ihr der Konzern laut Emami bereits eine Täuschung unterstellt.

Die Ärztin selbst sagte: „Wer traut sich noch, auf die Straße zu gehen, wenn er danach geschasst wird?“ Sie sprach den Geschäftsführer der Endo-Klinik direkt an: „Noch nie haben Sie mich mal zum Gespräch gebeten. Es nimmt mir die Luft zum Atmen.“ Helios erklärte im Gericht, es sei nicht darum gegangen, eine Ärztin an den Pranger zu stellen. Dem Geschäftsführer habe „eine glaubhafte Zeugin“ berichtet, Schlosser sei früher gegangen. Schlossers Anwältin von der Heyde erklärte, dass eine von der Klinik benannte Zeugin Arbeitszeiten von Ärzten nicht korrekt von Zetteln übertragen habe. Dadurch gebe es finanzielle Nachteile.

Die gegenseitigen Vorhaltungen sollten nun juristisch beendet sein. Franziska Schlosser sagte am Ende, sie sei „emotional leer“. Und: „Mir fällt ein Stein vom Herzen.“ Doch sie muss sich damit arrangieren, dass ein großer Teil ihres Berufslebens nun Geschichte ist. „Ich habe von meinem Ex-Arbeitgeber vor Gericht gehört, dass die Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist.“ Da schwang tiefe Bitternis mit.