Hamburg. Leiche nach zehn Jahren gefunden. Amokläufer tötet sieben Menschen. Entführer legt Flughafen lahm. Diese Taten beschäftigten Hamburg.
Das Jahr 2023 war noch jung, gerade zehn Tage alt, als an der Stein-Hardenberg-Straße Ecke Am Pulverhof in Tonndorf die Kugeln flogen. Die Projektile durchschlugen die Seitenscheibe eines Q8 50 TDI Quattro. Der Fahrer (30) wurde von etwa zehn Kugeln getroffen, überlebte aber. Sein Beifahrer (26) erlitt einen Beinschuss.
Die Tat war eines von zahlreichen spektakulären Verbrechen dieses Jahres, die die Polizei und die Menschen in Hamburg beschäftigten. Wie in vielen anderen Fällen führte auch hier die Mordkommission die Ermittlungen. Die Tonndorfer Schießerei ordnete die Polizei in eine ganze Serie von Straftaten ein, die sich im Milieu von Dealern und „Gangsta Rappern“ ereignete. Eigens wurde dafür die Soko „Triniti“ gegründet.
Verbrechen Hamburg: Leichenteile eines Mordopfers von 2013 aufgetaucht
Ein Fall der Mordkommission war auch der gewaltsame Tod von Nargis S., die vermutlich schon 2013 umgebracht wurde. Am 15. Januar zog ein Angler einen Schuh mit einem skelettierten Fuß aus dem Ernst-August-Kanal. Polizeitaucher holten nach und nach weitere Leichenteile aus dem Wasser. Es waren die sterblichen Überreste der Bulgarin. Ihrer früherer Liebhaber, der schon 2013 im Verdacht stand, mit ihrem Verschwinden etwas zu tun zu haben, wurde festgenommen.
Ein bis dahin in dieser Dimension in Hamburg nicht gekanntes Verbrechen ereignete sich am 9. März. Der 35 Jahre alte Philipp F. lief Amok. Im Königreichssaal der Zeugen Jehovas an der Deelböge im Stadtteil Alsterdorf erschoss er sieben Menschen, darunter zwei Frauen und ein Kind im Mutterleib. Neun weitere Menschen verletzte er schwer. Kurz darauf eintreffende Polizisten, darunter für solche Lagen trainierte Bereitschaftspolizisten, verhinderten, dass der Mann noch mehr Menschen töten konnte. Philipp F. zog sich beim Anblick der Beamten in einen Raum im ersten Stock zurück und erschoss sich.
Polizei Hamburg: Amoklauf bei Zeugen Jehovas löst Diskussion über das Waffenrecht aus
Der Fall löste nicht nur Entsetzen aus. Er führte auch zu einer Diskussion um das Waffenrecht und dessen Verschärfung. Der Amokläufer hatte für seine Tat eine legal erworbene Pistole genutzt. Die erforderliche Erlaubnis für den Besitz der Waffe hatte er über einen Schießclub in der Hamburger Innenstadt erlangt.
Es muss aber nicht jeder Fall blutig sein, um als Verbrechen und als spektakulär eingeordnet zu werden. Es geht auch einfach dreist. Innerhalb eines Jahres sollen nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft mehrere Männer bei Aurubis sogenannte Rohsilberfegsel „abgezweigt“ haben. Die Mitarbeiter, teilweise von Subunternehmen, erbeuteten so Edelmetall im Wert von mindestens elf Millionen Euro vom Gelände des Kupfer produzierenden Unternehmens auf der Veddel.
Millionenschwerer Silberklau und Geiselnahme am Hamburger Flughafen
Einen Teil der Beute verkauften sie nach Erkenntnissen von Ermittlern in die Türkei. Der Diebstahl flog auf. Mitte Juni wurden sechs Männer im Rahmen einer großen Polizeiaktion verhaftet. Mittlerweile ist gegen fünf von ihnen Anklage wegen schweren Bandendiebstahls oder gewerbsmäßiger Bandenhehlerei erhoben worden. Die fünf Tonnen Rohsilberfegsel die die Beschuldigten „abzweigten“, sind wohl nur die Spitze des Eisbergs. Das Unternehmen stellte das Fehlen von Metallen im Wert eines dreistelligen Millionenbetrages fest.
Für einen Großeinsatz am Flughafen sorgte Salman E. Anfang November. Der 35-Jährige hatte seine kleine Tochter gekidnappt und war mit ihr zum Flughafen in Fuhlsbüttel gefahren. Dort durchbrach er mit seinem Wagen ein Tor und fuhr auf das Rollfeld. Der irre Plan: Der Mann wollte mit der Vierjährigen dort von einem Flieger mitgenommen werden, der ihn in seine Heimat, die Türkei, bringt. Dazu schoss der Mann und zündete zwei Brandsätze. Außerdem deutete er an, Sprengstoff dabeizuhaben. Es folgte eine Sperrung des Flughafens und ein 18-stündiger Großeinsatz, an dem 920 Beamte beteiligt waren, darunter Spezialeinsatzkräfte aus mehreren Bundesländern. Am Ende gab der Mann auf. Seine Tochter blieb unversehrt.
Kriminalität Hamburg: Junge Frau entführt im „psychischen Ausnahmezustand“ ein Baby
Entführt wurde im November auch ein fünfeinhalb Wochen altes Baby. Die 18 Jahre alte Täterin hatte im Krankenhaus Mariahilf im Stadtteil Heimfeld die Mutter unter einem Vorwand aus dem Patientenzimmer gelockt und das dort schlafende kleine Mädchen mitgenommen. Zwei Stunden später brachte ihre Familie die 18-Jährige dazu, das Baby zurückzubringen. Die junge Frau hatte offenbar in einem psychischen Ausnahmezustand gehandelt. Sie soll kurz vor der Tat eine Totgeburt gehabt haben. Auch dieser Fall hatte einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst.
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Im Westen Hamburgs hielten ebenfalls im November fünf Knirpse die Polizei auf Trab. Erst bedrohten zwei von ihnen in der Stadtteilschule Blankenese während des Unterrichts eine Lehrerin mit einer Pistole, was einen Amokalarm auslöste. Schüler und Lehrer verbarrikadierten sich. Polizei und Feuerwehr rückten an. SEK-Beamte durchkämmten schwer bewaffnet das Schulgebäude. Die Jungs waren bereits getürmt. Später tauchten sie an der Schule Mendelssohnstraße in Bahrenfeld auf und zogen die gleiche Nummer ab. Vier Jungen wurden noch in der Nähe der Schule gestellt, ein fünfter später ermittelt. Alle kamen ins Polizeipräsidium, wo sie später von ihren Eltern abgeholt wurden.