Hamburg (dpa/lno). 5000 Kilo schwer, 11 Millionen Euro wert - das soll die Beute einer Diebesbande beim Hamburger Kupferhersteller Aurubis gewesen sein. Sechs Männer stehen nun vor Gericht, weil sie rohsilberhaltige Zwischenprodukte beiseite geschafft und verkauft haben sollen.
Ein Diebstahl mit einer ungewöhnlich wertvollen Beute beschäftigt seit Dienstag das Landgericht Hamburg. Ein Jahr lang sollen mehrere Männer silber- und goldhaltiges Material im Gesamtwert von elf Millionen Euro beim Hamburger Kupferhersteller Aurubis gestohlen haben.
Die vom Gericht zugelassene Anklage wirft vier Männern schweren Bandendiebstahl oder gewerbsmäßige Hehlerei vor, zwei weiteren Beschuldigten Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl. Der Staatsanwalt betonte, dass seine Behörde weiterhin fünf der Angeklagten als mutmaßliche Täter und nur einen als Helfer sieht.
Zwischen Februar 2020 und Januar 2021 sollen die Angeklagten rund 5000 Kilo edelmetallhaltige Zwischen- und Nebenprodukte vom Aurubis-Firmengelände im Stadtteil Veddel abtransportiert haben. Die sogenannten Rohsilberfegsel enthielten nach Angaben der Staatsanwaltschaft um die 85 Prozent Silber, aber auch etwa 3 bis 5 Prozent Gold. Die Rohsilberrückstände entstehen bei Metallrecycling- und Aufbereitungsprozessen.
Die Beute verkauften die Beschuldigten laut Anklage an bislang unbekannte Abnehmer. Beträge von mehreren Hunderttausend Euro sollen bei den Lieferungen jeweils in bar gezahlt worden sein. Ein Großteil des Diebesgutes sei zur Analyse und weiteren Verwendung an metallverarbeitende Betriebe in der türkischen Metropole Istanbul versandt worden, hieß es. Zur internen Kommunikation sollen die sechs Männer im Alter zwischen 33 und 50 Jahren Kryptohandys benutzt haben.
In der Wohnung des Hauptangeklagten in der Nähe von Stade (Niedersachsen) hatten Polizeibeamte eine Pistole und Munition gefunden, für die der 37-Jährige laut Staatsanwaltschaft keine Genehmigung hatte. Darum wurde er auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt.
Der 37-Jährige sowie zwei Beschuldigte im Alter von 34 und 42 Jahren sitzen in Untersuchungshaft, die übrigen drei sind wieder auf freiem Fuß. Die Angeklagten äußerten sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Bei einem Verständigungsgespräch vor dem Prozess hatte das Gericht einen Strafrahmen von einer noch bewährungsfähigen Haftstrafe von unter zwei Jahren bis knapp sechs Jahren Haft angeboten. Dafür müssten die Angeklagten glaubwürdige Geständnisse ablegen, erklärte der Vorsitzende der Großen Strafkammer, Nils Godendorff. Die Staatsanwaltschaft nannte nach seinen Angaben Mindeststrafen zwischen knapp zwei und sieben Jahren.
Bekannt geworden war der Fall Mitte Juni. Damals ließ die Staatsanwaltschaft mehr als 30 Objekte in fünf Bundesländern durchsuchen. Dabei waren die Angeklagten verhaftet worden. Die Ermittlungen richteten sich auch gegen weitere noch nicht bekannte Verdächtige. Nach Angaben von Aurubis handelte es sich bei den Verdächtigen um einzelne aktive und ehemalige Mitarbeiter des Konzerns beziehungsweise Mitarbeiter von Fremdfirmen, die auf dem Werksgelände des Kupferherstellers tätig waren.
Die Beamten hatten im Juni neben Unterlagen und Speichermedien zehn Fahrzeuge, 20 hochwertige Uhren, mehr als 200.000 Euro Bargeld, mehrere scharfe Schusswaffen und Munition sowie Teile des Diebesgutes sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft erwirkte Arrestbeschlüsse im Gesamtwert von über 20 Millionen Euro. Ein Arrestbeschluss ist eine richterlich genehmigte Sicherstellung von Sachwerten.
Einen noch deutlich höheren Schaden haben Betrügereien in einem Ende August bekanntgewordenen Fall bei Aurubis verursacht. Dieser Fall ist aber nicht Gegenstand des jetzt beginnenden Prozesses, vorerst jedenfalls nicht. Der Vorsitzende Richter bedauerte, dass in Medienberichten die Frage nach einem Zusammenhang aufgeworfen wurde. „Wir sind da nicht so richtig glücklich“, sagte Godendorff.
Schwierig könnte auch werden, den genauen Wert der Beute zu beziffern. Das Gericht hat einen Sachverständigen geladen, der sich zu der Frage des Marktpreises für Rohsilber äußern soll. Er habe jedoch auch Verbindungen zu Aurubis, sagte der Richter. Es sei allerdings schwer, in Deutschland einen Experten für dieses Gebiet zu finden, der nicht Kontakte zu dem Hamburger Konzern habe.