Hamburg. Signa zieht Konsequenzen und wirft Immobilien-Chef raus. Derweil steht der Fahrplan für ein mögliches Rückkaufsrecht des Elbtowers.
- Hamburger Senat wird von dem Baustopp am Elbtower Ende Oktober überrascht
- Immer mehr Details zu Verträgen mit Signa-Tochter kommen ans Licht
- Signa zieht jetzt Konsequenzen und schmeißt einen hohen Manager raus
Tröpfchenweise kommen neue Details zu den Verträgen des Hamburger Senats mit der Signa-Tochter Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG ans Licht. Dabei wird immer klarer: Auch die politisch Verantwortlichen fischen im Trüben, was die Lage im Firmen-Imperium des einstigen Star-Investors René Benko betrifft. Wie viele Experten wurde der Senat vom Baustopp am Elbtower Ende Oktober überrascht. Dabei hätte genau eine solche „Überraschung“ vermieden werden sollen.
In den monatlichen Berichten des unabhängigen Büros, das den Baufortschritt an dem 245-Meter- und 950-Millionen-Projekt minutiös dokumentiert, waren keine Anzeichen dafür zu finden, dass die Baufirma Lupp die Arbeiten einstellt. So zumindest stellt der Senat es dar. Offenbar hat Lupp alle Aktivität gestoppt, weil noch 37 Millionen Euro an Zahlungen fehlen. Nach der Insolvenz der Signa-Holding ist umso ungewisser, was aus den Forderungen wird.
Elbtower Hamburg: So plant der Senat für eine „wirtschaftliche Verschlechterung“
Die Elbtower-Gesellschaft ist mit dem Stand vom Montagmittag voll geschäftsfähig. Wie der Hamburger Senat auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Heike Sudmann jetzt erklärte, sei bis zum 7. Dezember keine Mitteilung über eine mögliche Insolvenz eingegangen. Dazu sei die Elbtower Immobilien GmbH verpflichtet – wenn es denn so wäre. Denn sobald sich eine „wirtschaftliche Verschlechterung“ der Turmbauer ergebe, könnte das ein Rückkaufsrecht für das Grundstück auslösen. „Unabhängig von der Mitteilungspflicht der Käuferin verfolgt die HCH die täglichen Entwicklungen und die amtlichen Insolvenzbekanntmachungen“, schreibt der Senat.
In der HafenCity Hamburg GmbH flöht man offenbar täglich die einschlägigen Internetseiten, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein, wenn man schon vom Baustopp wie vom Blitz getroffen wurde. In der Antwort auf die Sudmann-Fragen beschreibt der Senat, was im Insolvenzfall sein Weg in diesem Szenario wäre: „Unmittelbare Auswirkungen für das Vertragsverhältnis würden sich lediglich aus einer Insolvenz der Käufergesellschaft, also der Hamburg, Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG, ergeben. In diesem Falle würde ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet, welches sich an den insolvenzrechtlichen Verfahrensvorgaben ausrichtet. Die FHH würde ihre Rechte auch im Insolvenzverfahren sichern und nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters umgehend mit diesem in Kontakt treten.“
Private Investoren für den Elbtower gesucht
Von einem Insolvenzverwalter erwarte die Stadt, dass er private Investoren für den Elbtower suche. Dann solle weitergebaut werden – „zeitnah“. Wie realistisch das ist, steht dahin. Auf dem 100-Meter-Stumpf kann aber sicher kein Spaßbad oder ein Abenteuerspielplatz entstehen. „Wesentliche Veränderungen des Gesamtprojektes können nur im Einvernehmen mit der FHH erfolgen.“ FHH ist die Freie und Hansestadt Hamburg. Die Mietverträge kennt die Stadt nicht. Ihr wurde lediglich von Signa versichert, dass die Quote von 30 Prozent Vermietung vor Baubeginn erfüllt wurde.
Doch weiß die FHH, was der britische Star-Architekt David Chipperfield mit den Finanzierern vereinbart hat? Linken-Stadtentwicklungsexpertin Sudmann weist darauf hin, dass Chipperfield ja Urheberrechte an den Plänen haben könnte oder Schadenersatz verlangen dürfte, wenn die Stadt nach einer möglichen Insolvenz in die Verträge eintreten sollte. Hierauf schreibt der Senat: „Der Senat geht von einer Fertigstellung des Bauvorhabens in der geplanten Form aus und beantwortet hypothetische Fragen grundsätzlich nicht. Der Architektenvertrag ist dem Senat – mit Ausnahme einzelner Klauseln – zudem nicht bekannt.“
Was kann Architekt David Chipperfield verlangen?
Sudmann erklärte dem Abendblatt: „Dem Senat ist der Architektenvertrag nicht bekannt, also weiß er nicht, was Chipperfield noch verlangen kann: Weiterbau um jeden Preis oder hohe Entschädigung bei Nichtweiterbau. Schon seltsam, dass sich der Senat im Kaufvertrag die Eintrittsrechte in Verträge sichert, die er nicht kennt.
- Nach Elbtower-Drama auch neuer Ärger um XXL-Einkaufszentrum
- Wie Wempe am Jungfernstieg unter der Signa-Pleite leidet
- Abwarten und zuschauen reicht nicht zur Rettung der City
Die Verwirrung um die Fristen, die für Strafzahlungen oder ein Rückkaufsrecht gelten, wenn bestimmte Baufortschritte nicht eingehalten werden, hat sich augenscheinlich aufgelöst. Der Senat stellte klar, dass der Grundstückskaufvertrag noch einen Nachtrag hat. Einmal gelten Fristen ab Übertragung des Grundstückes, einmal ab Baubeginn. Bei Bohrungen nach Abschluss des Kaufvertrages habe sich herausgestellt, dass das Verankern des Turms im schlammigen Untergrund der östlichen HafenCity erheblich aufwendiger sei als gedacht.
Elbtower über mehrere Jahre ein „Mahnmal“?
Im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft hat Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) bereits erklärt, dass die Großbohrpfähle, die den Turm im Hamburger Grund verankern „von dem, was gebaut wurde, bislang das Teuerste“ seien. Und wie es hieß, sei der Elbtower, gemessen an der Bauleistung, bereits zu 25 Prozent fertig. Aber: Selbst fertig bauen will die Stadt nicht.
Es herrscht große Uneinigkeit darüber, ob der Vertrag mit der Elbtower-Gesellschaft nun ein vorteilhafter für den Senat ist oder nicht. Sudmann meint, dass er für den Senat „schlecht ausgehandelt“ worden sei. Nach den Senatsangaben und ihrer Rechnung könne man das Grundstück mit dem Rohbau frühestens im Februar 2029 zurückkaufen. Ihr Fazit klingt etwas bitter: „Vielleicht hat es aber auch was Gutes, wenn der Senat und die ganze Stadt vier Jahre lang auf das Mahnmal des ,Kurzen Olaf‘ mit seiner Großmannssucht gucken muss. Ein abschreckendes Beispiel für investorengeleitete Stadtentwicklung.“
Pflichten verletzt? Signa-Boss Timo Herzberg gefeuert
Unterdessen wurden am Montag bei Signa weitere Konsequenzen gezogen. Timo Herzberg, Vorstandsvorsitzender der Tochtergesellschaften Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG, wurde von den Aufsichtsräten mit sofortiger Wirkung seinen Funktionen enthoben und außerordentlich und fristlos gekündigt. Grund für die Entlassungen sei „ein dringender Verdacht auf grobe Verletzungen der Pflichten als Vorstandsmitglied“, wie es in einer Mitteilung hieß.
Herzberg hatte vergangenes Jahr im Abendblatt-Interview den Elbtower als „modernstes Gebäude der Welt“ gepriesen. Zum Sprecher des Vorstandes beider Gesellschaften wurde Erhard Grossnigg bestellt. Er solle „die Sanierungs- und Restrukturierungsschritte für die beiden Immobiliengesellschaften fortsetzen und in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat dieser Gesellschaften agieren“, wie es hieß.