Hamburg. Immer deutlicher wird: Die Entscheidung für René Benko könnte für Hamburg nach hinten losgehen

Hinterher ist man immer schlauer. Es klingt etwas wohlfeil, mit dem Wissen von heute die Entscheidungen von gestern zu kritisieren. Und doch müssen sich Politiker daran messen lassen, was sie in ihrer Amtszeit beschlossen und durchgesetzt haben. Deshalb ist der Elbtower in Hamburg mehr als ein Wolkenkratzer, er ist eben auch das Vermächtnis des langjährigen Bürgermeisters an seine Heimatstadt. Wie sagte Olaf Scholz beim Vertragsabschluss 2018 zum Bau des Wolkenkratzers? „Ich als Bürgermeister möchte, dass die Hamburger sagen, das hat der Scholz gut gemacht … wenn das fertig ist.“

Seit einigen Tagen wachsen daran die Zweifel. Ob der Elbtower gut für die Stadt ist, stellten viele schon damals infrage. Inzwischen aber steht nicht einmal mehr fest, wann und ob er jemals fertig wird. Derzeit ruhen die Bauarbeiten an den Elbbrücken zwar nur, zudem ist das Projekt, um in der Sprache der Banker zu bleiben, „too big to fail“, zu groß, um zu scheitern. Es gibt zu viele Teilhaber und Beteiligte, die Interesse am Weiterbau haben. Zudem waren die Hürden für die Genehmigung – hier gilt es, die Kritiker bei SPD und Grünen ausdrücklich zu loben – so hoch, dass das 245-Meter-Gebäude am Ende eigentlich auch vermietet werden und funktionieren dürfte.

Elbtower: Schon 2018 hätte man skeptisch sein können

Zugleich aber zeigt sich angesichts der Nachrichtenlage aus dem Signa-Reich, dass der Bürgermeister auf das falsche Pferd gesetzt hat, als er auf den schillernden Investor René Benko aus Österreich vertraute. Es halten sich Gerüchte, dass ein Mitbewerber der Signa bei der Vergabe des Projekts lange vorn lag, aber Olaf Scholz (SPD) unbedingt Benko und den Chipperfield-Entwurf wollte. Offenbar überstrahlte die Idee des Stararchitekten die latenten Vorbehalte gegenüber dem Investor: Benko nämlich war schon 2018 umstritten, auch weil er bereits 2014 wegen Korruption verurteilt worden war.

Seit dem Elbtower-Einstieg hat seine Signa in der Hansestadt noch weitere wichtige Immobilien erworben. Kaum ein Investor ist für die Entwicklung der Stadt inzwischen so wichtig. Bekommt Signa Probleme, hat die Stadt ein Problem.

Eines lässt sich schon in bester Lage besichtigen: Auch bei der Gänsemarkt-Passage ruhen jetzt die Bauarbeiten. Zudem gehören Signa das Alsterhaus, das Kaufmannshaus zwischen den Großen Bleichen und dem Bleichenfleet, die Alster­arkaden, die Gänsemarkt-Passage, das Karstadt-Haus an der Mö und das HCOB-Gebäude am Gerhart-Hauptmann-Platz.

In den Scholz-Jahren ging manches schief in der Stadtentwicklung

Die Vergabe an Benko könnte ein weiterer Fehler in der Stadtentwicklung sein, der in die Scholz-Ära fällt: 2016 verzichtete Hamburg auf den Ankauf des Holsten-Areals in Altona, welches dann Carlsberg als Eigner meistbietend verkaufte. Das war eine schöne Wirtschaftsförderung für die Brauerei, aber schlecht für die Stadt. Es hat verschiedene „Investoren“ reich und reicher gemacht, dummerweise aber ist dort bis heute keine einzige Wohnung entstanden.

Und auch eine dritte Entscheidung des an Stadtentwicklung stets interessierten Olaf Scholz wird man vielleicht schon in einigen Monaten deutlich kritischer sehen: Er holte 2014 – auch aus Angst vor einer ewigen Baugrube – mit Unibail-Rodamco einen Großinvestor für die Realisierung des südlichen Überseequartiers ins Boot.

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Damit wird die HafenCity – anders als einst versprochen – am Ende doch eine echte Konkurrenz für die Innenstadt werden. Und wenige Monate vor der Eröffnung des XXL-Einkaufszentrums wird die bessere Vernetzung mit der City noch immer nur geplant statt realisiert.

Hinterher ist man immer schlauer. Aber manchmal wäre es schön, wenn Politik schon vorher schlau ist.