Hamburg. Im emotional aufgeladenen Innenausschuss haben CDU und Linke für weitere Aufklärung gekämpft. Weiter großer Ärger um Falck.
Zum Ende der Mammutsitzung am späten Donnerstagabend wurde es noch einmal richtig turbulent im Sitzungssaal 2.04 am Adolphsplatz 6. Mehr als drei Stunden hatten die Abgeordneten im Innenausschuss getagt, als Cansu Özdemir von den Linken einen flammenden Appell an die anderen innenpolitischen Sprecher der Fraktionen hielt. Noch immer gebe es so viele Probleme bei der Feuerwehr, deren Entwicklungen nicht absehbar seien, sagte Özdemir. Deswegen stellte sie den Antrag, die Selbstbefassung des Ausschusses fortzusetzen: „Die Probleme sind ja noch nicht vom Tisch!“
Es folgten emotionale Minuten, in denen Özdemir verbale Unterstützung durch Dennis Gladiator (CDU) bekam – und mehr oder weniger höflichen Widerstand von SPD und den Grünen. Die Vertreter der AfD waren zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr im Raum. „Mir wäre es wichtig, dass man mit diesen ganzen Ausreden aufhört. Es gibt keine wirkliche Begründung, die Selbstbefassung nicht offenzulassen“, sagte noch einmal Özdemir. „Ich appelliere dringend an Sie, diese Selbstbefassung nicht dichtzumachen.“
Feuerwehr Hamburg: SPD und Grüne wollen sich nicht mehr mit Problemen befassen
Doch all die flehenden Worte wollten nicht gehört werden. Und so entschied am Ende eines langen Sitzungsabends, bei dem zum zweiten Mal in Folge über den Zustand der Feuerwehr beraten wurde, die Koalitionsmehrheit aus SPD und Grünen, dass die Selbstbefassung des Innenausschusses mit der Lage bei der Feuerwehr beendet ist.
Eine ganze Reihe von Feuerwehrmännern und -frauen, darunter auch mehrere Personalräte, die in den Stunden davor aus dem Zuschauerbereich auf der Empore aufmerksam den Ausführungen im Ausschuss zugehört hatten, waren über das Ergebnis verwundert – und zum Teil auch verärgert. „Der Abschluss der Selbstbefassung ist ein Armutszeugnis der Regierungsfraktion“, war nur eine von zahlreichen Reaktionen.
Die Probleme der Feuerwehr Hamburg: Mobbing, Überlastung, Streit und Ärger
Doch worum ging es eigentlich? Nachdem das Abendblatt seit mehr als einem halben Jahr über Missstände in der Führung der Feuerwehr berichtet hatte, über Mobbing, Überlastung, Streit und Ärger, sollten all diese Probleme nun schon seit Monaten auch politisch im Innenausschuss debattiert werden. Doch erst in der vergangenen Sitzung im November gab es eine erste Selbstbefassung, die am Donnerstagabend fortgesetzt – und nun mehr oder weniger ergebnislos beendet wurde.
Dabei zeigten auch die Diskussionen am Donnerstag, dass es noch immer gesteigerten Redebedarf gibt. So fetzten sich auf offener Bühne etwa Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU, und Staatsrat Thomas Schuster (SPD), der den an Corona erkrankten Innensenator Andy Grote vertrat. Mehrfach forderte Gladiator Schuster auf, doch bitte schön die Vorwürfe zu konkretisieren, die er und die Behörde den in Ungnade gefallenen Ex-Feuerwehrchef Christian Schwarz machten.
Hamburger Staatsrat wollte nicht konkretisieren, was Feuerwehrchefs falsch gemacht haben
Doch Schuster blieb bei seinen Leisten, beziehungsweise im Ungefähren. Bei den Problemen der Akademie sei die Dienstaufsicht nicht ausgeführt worden, sagte der SPD-Politiker. Zudem habe die vorherige Feuerwehrspitze um Schwarz und dessen Stellvertreter Stephan Wenderoth eine Supervision durch die Innenbehörde gebraucht, nach der es immer noch unterschiedliche Auffassungen gegeben habe.
Zur Erinnerung: Zuletzt ist Ex-Feuerwehrchef Schwarz sogar gegen die Innenbehörde vor Gericht gezogen – musste dabei aber den Kürzeren ziehen. Doch auch die wiederholte Nachfrage Gladiators, was man der früheren Feuerwehrleitung denn konkret vorwerfe, beantwortete Schuster nicht wirklich.
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Anders als beim Problemfall Falck. Hier machte der verstimmte Staatsrat seinem Ärger Luft, dass der private Rettungsdienstanbieter, dessen Bereichsausnahme am 16. November ausgelaufen war, in der Öffentlichkeit viel zu gut wegkomme. Mehrfach betonte Schuster, dass der ehemalige Vertragspartner im Vergleich zu den Hilfsorganisationen im Rettungsdienst „nicht performed“ habe – und sagte sogar wörtlich: „Falck war deutlich schlechter als die anderen.“
Zudem präsentierten Schuster und Tobias Wilde-Zahn von der Feuerwehr Daten und Fakten, nach denen Falck tatsächlich in den Wochen vor dem Vertragsende schlechtere Quoten als zuvor hatte. „Nur in wenigen Wochen kurz vor dem Ende der Beauftragung waren die Quoten höher – und das ist ja beinahe schon erschütternd, dass Herr Schuster das in keinen Kontext setzt“, konterte Michael Beitz, der Geschäftsbereichsleiter Falck Hamburg, am Morgen nach dem Ausschuss. Tatsächlich hatte Falck im Jahr 2022 fast immer eine Ausfallquote, die zwischen null und vier Prozent lag.
Rechtliche Überprüfung der Praxis an der Feuerwehr-Akademie in Hamburg läuft weiter
Doch Falck war nicht das einzige Feuerwehr-Streitthema des Abends. Auch die schwerwiegenden Probleme an der Akademie wurden angesprochen – ohne dabei konkrete Lösungsansätze präsentieren zu können. So hatte das Abendblatt vor einem Monat aufgedeckt, dass die Feuerwehr offenbar seit Jahren ein System etabliert hat, das interne Honorarkräfte zwar finanziell begünstigt, dabei aber ganz bewusst die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeiterfassung umgeht.
Zwar hielt der neue Akademieleiter Ben Bockemühl, auf den intern große Hoffnungen gesetzt werden, einen langen Vortrag über die Ausbildung der Feuerwehr. In Sachen Arbeitszeiterfassung blieb es aber am Donnerstag beim gleichen Wording wie seit Wochen: Man prüfe die erhobenen Vorwürfe gerade intensiv rechtlich. Es sei zwar tatsächlich so, dass man den Bedarf nicht abdecken könne. Aber ansonsten laufe die juristische Überprüfung.
Frage, wann die Führung der Feuerwehr Hamburg neu besetzt wird, bleibt offen
Wie lange diese laufen wird, blieb genauso unklar wie die Frage, wann man auch offiziell die Führungsämter der Feuerwehr neu besetzen wird. Zunächst einmal wolle man die Feuerwehr konsolidieren, so Staatsrat Schuster. Danach könne man dann weitersehen. Das Schlusswort nach mehr als drei Stunden Sitzung und vielen Zankereien hatte der Vorsitzende des Innenausschusses Ekkehard Wysocki (SPD): „Die Selbstbefassung ist beendet.“