Hamburg. Die erste Winterwoche seit Jahren offenbart: Solarzellen fallen zur Energieerzeugung aus, und die Fahrradstadt kommt ins Rutschen.

Ich gestehe: Ich bin ein Öko. Wer in Zeiten des Waldsterbens, schwermetallgeschwängerter Luft, giftglänzender Flüsse groß und politisch mündig geworden ist, hat seine Lektion auch ohne Greta gelernt. Umweltschutz beginnt bei jedem zu Hause im Alltag. Ich bin schon Fahrrad gefahren, als Radler noch für Großstadt-Guerilleros gehalten wurden, die man geflissentlich übersehen, weghupen, abdrängeln, kujonieren und drangsalieren durfte.

Die Familienkutsche haben wir nach einem zentralen Wert ausgesucht, nicht der Höchstgeschwindigkeit oder Pferdestärken, sondern dem CO2-Ausstoß. Dass der in Wolfsburg mehr oder weniger ausgewürfelt wurde, ahnten wir damals nicht. Unser Niedrigenergiehaus ist mit einer Photovoltaikanlage ausgerüstet, das Licht in den Zimmern lösche ich schneller als die Feuerwehr.

Energiewende in Hamburg – Schnee ist dabei nicht eingeplant

Keine Sorge, der Text soll jetzt nicht ins ökologische Poesiealbum geklebt werden oder ein Bewerbungsschreiben für eine der zahlreichen ökologisch-klimarettenden NGOs („Nicht“-Regierungsorganisationen) werden, sondern die These einleiten: So, wie wir uns die ökologische Wende vorstellen, könnte sie möglicherweise nicht funktionieren.

Schnee jedenfalls ist im Solarland Deutschland nicht vorgesehen – in Norddeutschland betrug die Ausbeute zuletzt null Kilowatt, dank des etwas wärmeren Wetters im Süden trugen Solarzellen am Nikolaustag insgesamt 0,6 Prozent zur Stromproduktion bei, am Tag davor waren es 0,7 Prozent, am 4. Dezember nur 0,3 Prozent.

Offenbar waren die naturwissenschaftlichen Kenntnisse schon vor dem jüngsten PISA-Schock bei deutschen Energiepolitikern nicht sonderlich weit verbreitet: Hamburg beispielsweise liegt zwischen dem 53. und dem 54. Breitengrad und hat eine astronomisch bedingte gewaltige Schwankung: Im Sommer gibt es angesichts langer Tage viel Strom, im Winter entsprechend wenig. Nur blöd, dass der Stromverbrauch im Winter viel höher ist. Im Dezember 2022 brachte meine Photovoltaikanlage 52 kWh, im Juni hingegen 903 kWh.

Nicht einmal zehn Prozent der Stromproduktion liefern derzeit Sonne und Wind

Und weil wir uns gerade die Strommengen anschauen. In diesen Tagen merken wir, was eine Dunkelflaute ist – oder nennen wir es Schneeflaute? Photovoltaik fällt aus, und auch der Wind wird uns nicht retten: Am Nikolaustag kamen 14,3 Prozent unseres Stroms von Rotoren, am 30. November gar nur 4,1 Prozent – über mehrere Tage trugen Wind und Strom nicht einmal zehn Prozent zur Produktion bei. Vor allem die Kohle half, dass die Lichter nicht ausgingen – und Atomstrom aus Frankreich.

Dafür ist die Klimabilanz in der Bundesrepublik in diesen Tagen verheerend. Die Koalition der selbst ernannten Klimaschützer hat durch den ideologiegetriebenen Atomausstieg die Bilanz der Bundesrepublik weiter verschlechtert. In Wintertagen wie diesen ist Deutschland nach Polen, aber noch vor dem Kosovo und Tschechien das Land mit dem zweitgrößten CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde. Der Klimalehrmeister Deutschland hat keine weiße Weste, sondern eine kohlrabenschwarze.

Elektroautos sind derzeit mobile Kohleöfen

Manche werden sagen, das Wetter sei schuld. Ich würde sagen: Nein, die Politik ist schuld. Frankreich schafft es derzeit, pro Kilowattstunde nur ein Sechstel bis ein Zehntel an CO2 zu emittieren. Wer ist da der Klimaschützer?

Natürlich ist der Zubau von erneuerbarer Energie richtig, natürlich sieht die Bilanz im Sommer anders aus – und trotzdem misstraue ich einer Politik, die auf schönem Wetter beruht. Was passiert, wenn ein richtig harter Winter kommt?

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Apropos Schönwetterpolitik: Auch die Verkehrswende stößt in diesen Eistagen an ihre Grenzen. So eifrig die Stadtreinigung Hamburg auch die Wege räumt, dem Verkehrsmittel Fahrrad, das doch 25 bis 30 Prozent aller Wege erledigen soll, geht es wie den Solarzellen. Hier sinkt die Ausbeute gegen null. Und bei den Fußgängern dürfte der Anteil angesichts notorisch schlecht geräumter Wege von 27 Prozent auf unter zehn Prozent sinken. Dann steigen die Menschen doch wieder auf das Taxi beziehungsweise den eigenen Wagen um. Man kann nur hoffen, dass es angesichts des deutschen Energiemix kein E-Auto ist. Am Nikolaustag kamen drei Viertel des Stroms aus Kohlekraftwerken – da wird das vermeintlich ökologische E-Auto zum mobilen Kohleofen.

Was uns das Wetter zeigt? Deutschland benötigt in der Politik mehr Physik – und weniger Ideologie.