Hamburg. Nachhaltig selbst Strom erzeugen – das wollen viele Hamburger. Was es kostet, wie es funktioniert, ob es sich lohnt und wo es hakt.

Der 1. Juli war nicht nur ein grauer, er war ein schwarzer Freitag. Nein, es geht nicht um die Börse, aber schon ums Geld. Denn der 1. Juli war der erste Regentag im Norden seit Langem, und was Gemüse-, Weizen- und Waldbauern erfreut, ärgert die Solarbauern. Die üppige Ernte eines sonnenreichen Juni fällt zu Beginn des Hochsommermonats eher mäßig aus. Seit Mai steht auf unserem Dach eine Fotovoltaikanlage mit 16 „Hochleistungsmodulen von Ampere Solar“.

Und bislang hält die Anlage, was die Werbeprofis versprochen haben: Den berechneten Energieertrag von 789,8 KWh, die der Anbieter – Energiekonzepte Deutschland – für Juni berechnet hatte, hat der Juni 2022 locker in den Schatten gestellt. Am Ende wurden es über 900 kWh. Und auch wenn sich die Kinder – mit ewig brennendem Licht, dauersteckenden Ladekabeln und exzessiver Computernutzung – alle Mühe geben – so viel Ertrag schafft keine fünfköpfige Familie im Verbrauch. So ging weit mehr als die Hälfte als Einspeisung ins Netz, die Energieautarkie lag deutlich über 80 Prozent.

Energie: Speicher schaltete sich für mehrere Tage ab

Wahrscheinlich hätte sie in diesem magischen Juni sogar die magische 100-Prozent-Marke erreicht, hätte nicht der Speicher sich Anfang des Monats für mehrere Tage abgeschaltet. Denn wir haben uns für eine Lösung entschieden, die nicht nur auf Produktion, sondern auch auf Speicherung setzt. Im Keller steht ein kleiner Schrank, der es in sich hat – genauer gesagt, ein Lithium-Ionen-Akku der Firma Senec.Home mit 7.5 kWh Leistung.

Er soll gewährleisten, dass unser Haushalt an einem Regentag nicht gleich wieder das Kraftwerk in Wedel anzapft: Nach einem Sommersonnentag lassen sich die kommenden 24 Stunden problemlos mit dem Speicher überbrücken – wichtiger noch, er gibt auch Solarenergie ab, wenn die Sonne längst untergegangen ist – für den Fernsehabend, die Spül- oder Waschmaschine.

Speichertechnologie weist noch Macken auf

Doch die noch neue Speichertechnologie – darauf deutet die Fernabschaltung hin – läuft noch nicht ganz rund. Nachdem es im Frühjahr zu drei Verpuffungen gekommen war, hat der Anbieter sie in den Ruhezustand versetzt und erst nach mehreren Tagen und mit einer Software wieder hochgefahren. Trotzdem habe ich im Keller lieber noch einmal aufgeräumt.

Die Nachricht von einer Detonation in einer Doppelhaushälfte liest man als Besitzer eines Batteriespeichers einer Fotovoltaikanlage weniger entspannt. Zumal es deutschlandweit noch zwei weitere solcher Verpuffungen gab. Andererseits hat Senec 80.000 Speicher installiert. Und eine umfangreiche Studie eines deutsch-schweizerischen Forscherteams mit dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme sieht kein erhöhtes Risiko.

Ertrag hängt von Strompreisentwicklung ab

Das will ich auch hoffen. Denn der Speicher hatte mit 8700 Euro einen stolzen Preis. Vieles spricht dafür, dass sich in den kommenden Jahren die Technik erheblich weiterentwickelt. Aber sonst wird eine privat genutzte Anlage schnell zu einem Liebhaberprojekt und lohnt sich nicht mehr: Wer ohne Speicher Strom produziert, gibt ihn am Mittag zum Schnäppchenpreis von 6,2 Cent ins öffentliche Netz, um ihm am Abend dann für mehr als 30 Cent zurückzukaufen. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 bekamen Solarbauern noch rund 50 Cent.

Ohnehin ist das Investment eher etwas für Umweltschützer als für Renditejäger – der Ertrag bei langfristigen Anleihen steht und fällt mit der Strompreisentwicklung. Steigt er wie in den vergangenen Jahren, lohnt sich das Investment rasch, verharrt er aber oder sinkt sogar, ist die Geldanlage ein Flop. Berechnungen von Finanztest der Stiftung Warentest (März 2022) kommen im Bestfall zu einer jährlichen Rendite von acht Prozent, im Worst Case hingegen zu einer Negativverzinsung. Im Mittel seien vorsichtig kalkuliert drei bis vier Prozent drin.

Bis zu 30.000 Euro kostet die Anlage

Derlei Zahlen hängen vom Einstandspreis ab. Derzeit steigen die Modulpreise wieder deutlich an, ohne Mehrwertsteuer sollten Haushalte pro Kilowatt Leistung mit rund 1500 Euro kalkulieren. Bei normalen Dächer sind zwischen fünf und zehn Kilowatt realistisch. Damit aber ist nur ein kleiner Teil finanziert - hinzu kommen die Handwerkerkosten, Unterkonstruktion, Wechselrichter, Gerüstkosten, Anmeldegebühren.

Mit Speicher sind mindestens 20.000 Euro, schnell 25.000 Euro oder sogar 30.000 Euro fällig. Allerdings kann man sich mithilfe des Steuerberaters zumindest die Mehrwertsteuer vom Staat zurückholen. Es gibt auch Möglichkeiten, Solaranlage plus Speicher gegen Gebühr zu mieten – das Angebot war mir persönlich zu teppichhändlerartig.

Bürokratie erfordert Zeit

Anbieter gibt es viele auf dem Markt, das größte Problem teilen sie: die Verfügbarkeit von Solarteuren, Zellen und Speichern. Lagen die Wartezeiten in unserem Fall vor dem Überfall auf die Ukraine zwischen Bestellung und Installation noch bei zweieinhalb Monaten, sind sie nun oft doppelt so lang. Und auch nach der Installation kann man nicht gleich seinen Strom nutzen – denn dafür bedarf es eines Zweirichtungszählers. Den muss Stromnetz Hamburg einbauen. Wir mussten nur wenige Tage warten, Nachbarn klagen über mehrere Wochen. Ohnehin muss man tapfer sein – die Bürokratie mit Marktstammdatenregister, Steuer & Co. erfordert etwas Zeit.

Das ist ein starkes Argument für Anbieter, die alles aus einer Hand anbieten. Das vielleicht stärkste Argument ist hingegen mehr ein Nebenprodukt – aber eines, das Spaß macht und Strom spart. In Echtzeit lässt sich per Smartphone ablesen, wie viel Strom auf dem Dach produziert wird, wie viel davon ins Netz, in den Speicher oder den aktuellen Verbrauch fließt. Die Daten sind so genau, dass ich am Abend ablesen kann, ob jemand das Licht im Keller angelassen hat. Und schnell merke ich: Große Stromverbraucher wie die Waschmaschine müssen in der Mittagssonne laufen.

Hamburg nur eingeschränkt für die Nutzung geeignet

Das Ziel bei Installation sollte ein möglichst hoher Eigenverbrauch sein – je mehr der erzeugte Strom im eigenen Netz verbleibt, umso besser. Speicher sind zwar teuer, aber setzen an diesem Punkt an – laut Anbieter soll unserer Anlage auf 65 Prozent Eigenverbrauch kommen. Das funktioniert gerade im hohen Norden nur mit einem Trick – Anbieter wie die EnBW-Tochter Senec bieten einen virtuellen Speicher in einer Cloud an. Das wäre natürlich höhere Physik – leider kann man Strom noch nicht in einer Wolke speichern. Tatsächlich verkauft EnBW den Strom sofort und liefert dann im Winter aus einer zugekauften Quelle. Für Hamburg ist das interessant: Denn der nördliche Standort ist nur eingeschränkt für die (gleichmäßige) Nutzung geeignet.

Zum einen ist die Hansestadt durch ihre Lage auf dem 53,5. Breitengrad im Winter benachteiligt – die Sonne geht später auf und früher unter. So strahlte sie auf Hamburg im Januar 2022 nur mit 11 bis 15 kWh pro Quadratmeter – in Kempten waren es hingegen 41 bis 45 kWh.

Der Sommer in Hamburg ist nicht sonnig genug

Der Verlust lässt sich im Sommer nicht voll kompensieren, weil die Sommer im Norden nicht sonnig genug sind: Im Juni 2021 half die Astronomie nicht – da blieb Hamburg bei 175 kWh, in München waren es mehr als 210 kWh. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes macht das Nord-Süd-Gefälle im Jahr 200 kWh aus. Hamburg landet demnach bei 950 kWh, die bayerische Hauptstadt bei 1150 kWh. „Besonders gut für Fotovoltaikanlagen ist der Süden Deutschlands geeignet. Aufgrund starker Sonneneinstrahlung werden hier Spitzenwerte erreicht“, heißt es beim Anbieter Solarwatt. „Aber auch der Norden ist dank des stärkeren Windes und der dadurch effizienteren Kühlung der Solarmodule bestens für die Gewinnung von Solarenergie geeignet.“

Na ja. Immerhin soll die Anlage knapp 5300 kWh Stunden erzeugen – und damit 2,4 Tonnen CO2 für das Klima sparen. Allerdings muss man wissen, dass beträchtliche Mengen des benötigten Polysiliziums aus China kommen – und bei der Produktion viel Kohleenergie verbraucht wird. Zudem wird in der Heimat der Uiguren produziert – ganz so frei sind die Freiheitsenergien vielleicht doch nicht.

Energie: Im Dezember wohl nur 58 kWh zu erwarten

Und ich muss die Ansprüche für die kommenden Monate deutlich herunterfahren – von nun 900 kWh dürfte der Ertrag bis zur Wintersonnenwende von Monat zu Monat abnehmen, im Dezember sollen es nur noch 58 kWh sein. Damit werde ich Putin leider nur wenig beeindrucken.