Hamburg. Neue Linien, mehr Radwege, bessere Fußwege – weniger Autos. Welche Ideen der Senat jetzt für die kommenden Jahre verfolgt.

Um den Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten, will der rot-grüne Senat in Hamburg in den kommenden 20 Jahren 35 neue Bahnhöfe bauen. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) – also der Ausbau von Bus und Bahn – sei zentrales Rückgrat der Mobilitätswende, erklärte Verkehrssenator Anjes Tjarks am Dienstag bei der Vorstellung der „StrategieMobilitätswende“, die der Senat beschloss. „Wir haben jetzt einen kohärenten Plan, wie wir die Verkehrswende in Hamburg organisieren wollen“, sagte der Grünen-Politiker.

Allein auf der rund 24 Kilometer langen Strecke der neuen U-Bahn-Linie 5 sollen 23 neue Haltestellen entstehen. Die Erweiterung der U4 zur Horner Geest (Dannerallee) sorgt bis voraussichtlich Ende 2026 ebenfalls für neue Haltestellen. Schließlich entstehen beim Ausbau der heutigen S32 (später S6) und dem Bau der S4 neue Haltestellen. Hamburg brauche den Ausbau und Ertüchtigung des Schnellbahnnetzes, auch der S-Bahn-Korridore nach Harburg. „Das macht den ÖPNV um ein Vielfaches attraktiver; wir können so viele Menschen über lange Strecken transportieren“, so Tjarks.

Verkehr in Hamburg: Öffentliches Verkehrsangebot soll mit „Hamburg-Takt“ ausgebaut werden

In zehn Handlungsfeldern wird eben diese Mobilitätswende in Hamburg weiter gefördert werden. Durch die Erweiterung der U- und S-Bahn-Netze soll ein Versprechen an die Bürger eingelöst werden: Binnen fünf Minuten sollen alle Hamburgerinnen und Hamburger von morgens bis abends ein öffentliches Verkehrsangebot erhalten. Das ist der Hamburg-Takt, der im ganzen Stadtgebiet gelten soll.

Einen Teil des Weges hat Hamburg bereits geschafft: So hat sich der Kfz-Verkehr auf Hamburgs Stadtstraßen seit 2000 um rund 19 Prozent reduziert, obwohl Hamburgs Bevölkerung in dieser Zeit um 10 Prozent gewachsen ist. Der Radverkehr ist im gleichen Zeitraum dagegen um 120 Prozent angestiegen, und der ÖPNV hat von 2000 bis 2019 um mehr als 60 Prozent zugelegt. Nach einer Corona-Delle ist er durch das Deutschlandticket zuletzt wieder auf dieses Rekordniveau angestiegen. Oder, wie Tjarks es ausdrückt: „Der ÖPNV ist back on track.“

Das Ziel: 80 Prozent der Wege in Hamburg mit Rad, Bus, Bahn oder zu Fuß

Zentrales Ziel der Strategie Mobilitätswende ist es, bis 2030 80 Prozent der Wege über den Umweltverbund zu leisten – also zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV – und nur noch 20 Prozent mit dem Auto. „Die Mobilitätswende wird von den Menschen in unserer Stadt gelebt, und das ist eine richtig gute Nachricht“, sagte Tjarks. Aufgabe der Politik sei es, diesen Prozess durch eine moderne und nachhaltige Verkehrspolitik zu unterstützen und zu beschleunigen.

Verkehr am Dammtor – der Senat will, dass mehr Strecken mit Bus, Bahn und Fahrrad zurückgelegt werden.
Verkehr am Dammtor – der Senat will, dass mehr Strecken mit Bus, Bahn und Fahrrad zurückgelegt werden. © Michael Rauhe. | Michael Rauhe

Der sogenannte Modal Split, also die Anteile der verschiedenen Verkehrsformen am Gesamtaufkommen der Wege, hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls in Richtung Mobilitätswende entwickelt. Wurden 2008 noch 39 Prozent der Wege mit dem privaten Pkw erledigt, waren es 2022 nur noch 32 Prozent. Und im Jahr 2030 sollen es dann lediglich 20 Prozent sein. Umgekehrt stieg der Umweltverbund trotz der Corona-Delle im Jahr 2022 auf 68 Prozent und soll bis 2030 auf 80 Prozent wachsen.

Deutschlandticket ist ein großer Erfolg in Hamburg

Konkret soll der Anteil des öffentlichen Personennahverkehrs von derzeit 24 auf dann 30 Prozent steigen. Der Anteil des Radverkehrs soll von 22 auf 25 bis 30 Prozent steigen.

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Dazu würden auch die On-demand-Angebote weiter ausgebaut und mit dem ÖPNV verzahnt. Das Deutschlandticket habe dazu beigetragen, das Tarifsystem gerechter, einfacher und digitaler zu gestalten. Nicht zuletzt soll die Qualität der Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr erhöht werden.

Hamburg soll jährlich doppelt so viele Radwege bauen wie Berlin

„Wir wollen den Radverkehr ausbauen und auch mehr Platz für Fußgänger schaffen, die vorhandenen Fußwege darüber hinaus sanieren“, erläuterte Tjarks. Hamburg habe weiterhin das Ziel, jährlich 60 Kilometer Radwege zu bauen – doppelt so viele wie Berlin. Laut Konzept sollen 10.000 neue Stellplätze für Räder entstehen sowie 40.000 Bike+Ride-Stellplätze für Umstiege zwischen Rad und Bahn. .

Interessant ist, dass deutlich mehr Menschen pendeln. Zwischen 2000 und 2022 sei die Zahl der Einpendler (also Menschen, die im Umland leben und in Hamburg arbeiten) um 44 Prozent, die der Auspendler (die in Hamburg leben, aber im Umland arbeiten) um 98 Prozent gestiegen.

Schon jetzt weniger Autos mit Verbrennungsmotor auf Hamburgs Straßen

Rund 40 Prozent der Privatautos sollen bis 2030 mit Elektroantrieb fahren – so das Ziel. Der Anteil der Verbrennungsmotoren ist ohnehin rückläufig. Nach Angaben der Verkehrsbehörde sank die Zahl der Fahrzeuge mit Dieselmotoren seit 2017 von rund 266.400 auf 228.360, die der Benziner von 530.000 auf rund 500.000.

Von der Opposition hagelte es Kritik: Die rot-grüne Verkehrspolitik sorge weiterhin für erheblichen Unmut in Hamburg, erklärte Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion, wobei er nicht Tjarks, sondern Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) namentlich aufs Korn nahm: „Bürgermeister Tschentscher fügt mit seiner Verkehrspolitik Hamburg und der Wirtschaft schweren Schaden zu.“

Hamburger Opposition: „Autofeindliche Politik von Rot-Grün ein Standortnachteil“

Die großen Problemfelder blieben auch mit dem vorgestellten Konzept ungelöst, sagte Thering und zählte auf: „Die Stau- und Baustellenproblematik, Behinderung der Wirtschaftsverkehre, Parkplatzabbau und das stark kritisierte Anwohnerparken. Die autofeindliche Politik von SPD und Grünen ist für Hamburg ein echter Standortnachteil.“ Die sogenannte rot-grüne „Mobilitätswende“ zeichne sich in Hamburg vor allem durch mehr Baustellen, Dauerstau, steigende Unfallzahlen und eine Anti-Autofahrer-Politik aus.

Auch die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein vermutet hinter der Komplexität der Verkehrsstrategie bei Tjarks ein „ideologisches Ziel der Zurückdrängung des Autoverkehrs“. „Dieser Tarnversuch scheitert an der tristen Realität einer weithin gescheiterten Verkehrspolitik: Zunehmende Verödung von Stadtteilzentren und City durch Straßenverengung und Parkplatzabbau, Stauerzeugung auf vielen Magistralen durch Fahrbahnumwidmung, schleppender Ausbau des ÖPNV und ein erfolgloses Busbeschleunigungsprogramm – das ist wahre Bilanz dieses Verkehrssenators.“ AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sprach von einer „einseitigen Anti-Auto-Wende“.

Linke bringt erneut Straßenbahn für Hamburg ins Gespräch

Das vom Senat selbst gesteckte Ziel sei nicht zu erreichen, sagte hingegen die Linken-Politikerin Heike Sudmann, die in dem Konzept viele gute Punkte sieht. Beim Senat überwiege das Prinzip Hoffnung: „Hoffnung, dass der Bund jetzt immer noch genug Geld für die extrem teuren Bahnprojekte hat (U5, Verbindungsbahnentlastungstunnel). Und auch Hoffnung, dass mehr E-Autos in Hamburg fahren werden. Für uns steht fest: Für die Mobilitätswende bis 2030 muss der Senat jetzt mit der Straßenbahnplanung beginnen. Die Straßenbahn ist schneller zu bauen, kostet weniger und kann viel mehr Stadtteile besser erschließen.“