Hamburg. In Hessen stimmen die Sozialdemokraten einem Genderverbot zu. Die Stimmung dreht, und die Hamburger Initiative wird professioneller.
Es gibt so manches, was dem Hamburger Senat schlaflose Nächte bereiten kann: Dazu gehören die schwierige Lage im Wohnungsbau, die Herausforderungen durch die Flüchtlingswelle oder der umstrittene Einstieg der Großreederei MSC bei der HHLA.
Die Initiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ gehörte bislang nicht unbedingt dazu. Doch das könnte sich nun ändern.
Hessen will Gendern abschaffen – politische Großwetterlage dreht sich
Das liegt zunächst einmal an der veränderten politischen Großwetterlage: Die Entscheidung der CDU, in Hessen mit der SPD statt den Grünen zu koalieren, ist eine Weichenstellung weit über das Bundesland hinaus. Geradezu exemplarisch ist einer der Beschlüsse der neuen schwarz-roten Landesregierung: Sie will das Gendern in öffentlichen Einrichtungen abschaffen.
Gendersterne, -unterstriche und -doppelpunkte werden aus den Schulen verbannt, das Gendergestottere im Rundfunk abgeschafft. Was progressive Gruppen für einen Skandal halten, befürworten zwei Drittel bis drei Viertel aller Deutschen. Es sollte den Hamburger Sozialdemokraten, der „CSU des Nordens“, zu denken geben, wenn die Parteifreunde in Hessen den Vorstoß unterstützen.
Die Grünen haben sich zu sehr auf Identitätspolitik fixiert
Denn der Zeitgeist beginnt, die Richtung zu ändern – und das in einer Geschwindigkeit, die durchaus alarmieren darf. Grüne Themen, die im Mainstream bislang einen Freifahrtschein hatten, stoßen auf immer mehr Hindernisse und Blockaden. Beim Umbau hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft ist das gefährlich, beim Gendern hingegen könnte es ein Segen sein.
Gerade weil die Grünen in den Regierungen viele Kompromisse eingehen mussten, haben sie sich zuletzt zu sehr auf Fragen der Gesellschafts- und Identitätspolitik fixiert. Sie dürfen nicht vergessen: Selbst bei den grünen Wählern überwiegt die Mehrheit der Gender-Kritiker.
Hamburger Initiative wirkt inzwischen deutlich professioneller
Ein echter Gamechanger in Hamburg aber ist die neue Aufstellung der Initiative. Ihr hat der Abgang der bisherigen Frontfrau gutgetan, sie kommt weniger verbiestert und deutlich kompromissbereiter daher. Im Gleichstellungsausschuss am Donnerstag im Rathaus präsentierte sich die Initiative mit einer Umarmungsstrategie.
Sie kämpft fortan nicht den Kampf der Ewiggestrigen, sondern setzt sich listig an die Spitze der Bewegung: Geschlechtersensibel sei eine Sprache, die kein Geschlecht benachteiligt und nicht ständig auf die Unterschiedlichkeit der Geschlechter hinweist, heißt es nun. Dafür gibt es, und das lehrten Sprachwissenschaftler bis zum Einzug der Ideologen an den Universitäten, das generische Maskulinum. Es hat mit dem tatsächlichen Geschlecht ungefähr so viel zu tun wie der Stich einer Biene mit dem süßen Bienenstich.
Das Gendern polarisiert und politisiert die Sprache
Zweifellos war das Gendern gut gemeint – es erreicht aber das Gegenteil. Es polarisiert, es politisiert die Sprache, und es macht Deutsch selbst für deutschsprachige Menschen zur „Fremdsprache“. Da hat Jens Jeep, Vertrauensperson der Initiative, recht. Es ist ein Unding, dass beispielsweise an Hamburgs Schulen Eiferer die geltende Rechtschreibung und Grammatik kurzerhand aushebeln und im Klassenraum und in Klassenarbeiten gendern. Es ist übergriffig, wenn der HVV seine Kunden plötzlich permanent angendert.
- Keine digitale Unterschrift – Anti-Gender-Volksbegehren in Hamburg blockiert?
- Gender-Sprache spaltet Frankreich – Senat erlässt Verbot
- Kritik am „Sonderweg“ beim Gendern an Schulen
Man soll sich nicht täuschen: Sprache ist der Menschen Heimat. Derlei Eingriffe entfremden sie von der Politik, den Institutionen, dem Land. Gendern macht die Welt nicht besser, es spaltet die Gesellschaft. Wenn Sozialdemokraten und Grüne klug beraten sind, treten sie nun mit der Volksinitiative in Gespräche ein. Wenn sie schlecht beraten sind, begeben sie sich in ein beträchtliches Risiko.