Hamburg. Summe nicht gezahlter Abgaben erreicht Rekordhöhe. Finanzverwaltung der Hansestadt überlastet, weniger Steuerkontrollen. Die Folgen.
Unbesetzte Stellen, sinkende Prüfquoten, ausufernde Rückstände: Aus Sicht der Linken-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft gefährdet die Unterbesetzung der Finanzbehörde in der Hansestadt die Steuergerechtigkeit. Derzeit seien mehr als 100 Planstellen nicht besetzt, wie die Linke aus der Antwort des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage erfuhr. Es fehlten insbesondere Betriebsprüfer.
Besonders bemerkenswert: Die Summe der nicht eingezogenen Steuerrückstände ist auf sage und schreibe 1,8 Milliarden Euro angestiegen. Stichtag für diese Angabe ist der 30. Juni dieses Jahres. Zum Jahresende 2022 waren es noch 1,6 Milliarden Euro gewesen – und schon das waren 600 Millionen Euro mehr als Ende 2021. Die höchsten Rückstände, also die Summe der fälligen, aber nicht bezahlten Steuern, gibt es den Senatsangaben zufolge bei der Umsatzsteuer, gefolgt von der Einkommenssteuer und der Gewerbesteuer.
Steuern: Prüfquoten bei Großbetrieben historisch niedrig
Die Unterbesetzung in der Behörde, so die Linke, führe zu sinkenden Prüfquoten. Bei Großbetrieben lag diese im Jahr 2022 bei 13,8 Prozent und erreichte damit einen historischen Tiefstwert – vor zehn Jahren waren es noch mehr als 20 Prozent. Auch sehr Reiche mit besonders hohen Einkommen (ab 500.000 Euro im Jahr) habe es noch seltener getroffen – hier waren es nur noch 1,2 Prozent der Fälle. 2013 war diese Quote fünfmal so hoch.
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„Die Finanzbehörde leidet unter einem solch eklatanten Personalmangel, dass angesichts der Überlastungssituation und sinkenden Prüfquoten kaum noch von einem ordnungsgemäßen Steuervollzug gesprochen werden kann“, sagt David Stoop, haushaltspolitischer Sprecher der Linken-Fraktion. Die Zahl der unbesetzten Stellen sei im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen.
Steuern: Finanzbehörde in Hamburg wirbt aktiv um Personal
Der Senat erklärte, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Steuerverwaltung in Anbetracht einer hohen Fluktuation sowohl durch pensionsbedingte Abgänge geburtenstarker Jahrgänge als auch Abwerbung hoch qualifizierter Kräfte von privaten Arbeitgebern sowie Behörden und Gemeinden aus dem Umland habe für ihn höchste Priorität. Man steuere den massiven Personalabgängen bereits seit 2018 durch eine Ausbildungsoffensive entgegen.
„Die Arbeit der Steuerverwaltung ist Kern unserer Verwaltungstätigkeit. Ohne Steuereinnahmen könnten wir keine Investitionen tätigen, kein Personal bezahlen und kein Projekt vorantreiben. Klar ist, dass wir alles dafür tun, die Steuern so effizient wie möglich nach geltendem Recht einzutreiben“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel auf Abendblatt-Anfrage. „Wir bündeln unsere Kräfte, prüfen verstärkt dort, wo es sich lohnt und sorgen für Nachwuchs.“ Die Steuerverwaltung habe mit 15 Prozent die höchste Ausbildungsquote aller Behörden. „Daran werden wir auch weiter aktiv arbeiten.“
Eine geringere Anzahl durchgeführter oder nicht rechtzeitig abgeschlossener Betriebsprüfungen resultiere neben einem rückläufigen Personalbestand auch noch aus den Auswirkungen der Corona-Pandemie mit hohen Krankenständen sowohl in den geprüften Betrieben als auch bei den steuerberatenden Berufen, sowie den Mehrbelastungen dieses Berufszweigs durch die gesetzlich verlängerten Abgabefristen für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021. Und dann seien auch noch die abzugebenden Grundsteuererklärungen und die Bearbeitung von Corona-Überbrückungshilfen dazugekommen., heißt es aus der Finanzbehörde.
Bei den Vermögenden mit Einkommen von mehr als 500.000 Euro ergebe sich nur in Einzelfällen Potenzial für eine Außenprüfung. Die Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung sei in aller Regel bekannt, da Lohnsteuerbescheinigungen oder bei Kapitalvermögen Steuerbescheinigungen durch die ausschüttende Gesellschaft erstellt werden.
Bei den ausstehenden Steuern in Milliardenhöhe habe es einen Sondereffekt gegeben: Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vereinnahme nämlich erhebliche Hamburg zustehende Umsatzsteuererträge, informiere und leite die Gelder jedoch oft erst mit erheblicher Verzögerung nach Hamburg weiter, so die Finanzbehörde. Die in den 1,8 Milliarden Euro enthaltene Umsatzsteuer habe Ende Juni gut eine Milliarde Euro betragen, sei aber bis Ende September auf unter 430 Mio. EUR gesunken. „Tatsächlich hat es sich zu keiner Zeit um rückständige Beträge gehandelt, die die Finanzämter in Hamburg hätten eintreiben können“, so die Behörde.