Hamburg. Zahl der Bewerber geht zurück, die der Abgänge steigt – weil Steuerberater & Co. besser bezahlen. So will Rot-Grün gegensteuern.

Für manchen Steuerzahler ist das möglicherweise eine gute Nachricht, für die Stadt und die Gesellschaft dagegen eine schlechte: Den Hamburger Finanzämtern geht das Personal aus. Der Senat berichtet von „massiven Personalabgängen“, die im Wesentlichen drei Gründe haben: Die Babyboomer-Generation geht nach und nach in Rente, die Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz sind rückläufig, und immer mehr gut ausgebildete Steuer- und Finanzexperten werden von der Privatwirtschaft abgeworben.

Dass in diesen Jahren eine große Pensionierungswelle anrollt, die die gesamte Verwaltung und darüber hinaus bundesweit die Wirtschaft betrifft, ist natürlich lange bekannt. Daher hatte der Senat schon 2018 eine „Ausbildungsoffensive“ für die Steuerverwaltung mit ihren aktuell rund 3650 Beschäftigten gestartet, die auch Früchte trug. Wie er jetzt auf eine Anfrage von SPD und Grünen in der Bürgerschaft antwortet, seien die Bewerberzahlen von rund 1300 bis 1400 im Jahr 2013 auf fast 2200 im Jahr 2021 gesteigert und die Zahl der Einstellungen von rund 125 auf 250 pro Jahr verdoppelt worden.

Finanzamt Hamburg: Zahl der Bewerber sinkt

Doch 2022 gab es schon nur noch 1400 Bewerbungen, und 2023 liegen bislang erst 1200 vor. Hinzu kommt, dass die gut ausgebildeten Steuer- und Finanzwirte oft schnell wieder weg sind. Hatten früher zehn bis 15 Nachwuchskräfte pro Jahr die Verwaltung in den ersten fünf Jahren nach der Ausbildung auf eigenen Wunsch verlassen, waren es vergangenes Jahr 35 und in diesem Jahr bis Ende Juli bereits 27.

„Die Bewerbungszahlen sind trotz erheblicher Werbebemühungen rückläufig, und eine steigende Zahl der Auszubildenden und Studierenden orientiert sich während des Vorbereitungsdienstes beruflich um“, räumt der Senat ein. Hinzu komme: „Die Abgänge aus dem Bestandspersonalkörper steigen kontinuierlich an, da die hoch qualifizierten Kräfte der Steuerverwaltung sowohl von privaten Arbeitgebern wie zum Beispiel Steuerberatungsgesellschaften oder Steuerabteilungen großer Firmen als auch von im Umland liegenden Behörden und Gemeinden massiv umworben werden.“

Nachwuchskräfte wollen mehr Geld und bessere Aufstiegschancen

Unverblümt schildert der Senat auch, welche Gründe die Fachkräfte in den Gesprächen vor ihrem Abgang angeben: „Finanzielle Aspekte“ nennt er als ersten Punkt und führt aus, dass die städtischen Steuerexperten in der Wirtschaft sehr geschätzt seien und daher hoch dotierte Jobangebote erheblich zunähmen: „Nach Angaben abgeworbener Bediensteter liegen die gezahlten Entgelte bis zu 50 Prozent und mehr über den Gehältern der Verwaltung.“

Zweitens spielten „örtliche Aspekte“ eine Rolle: Eine große Anzahl der Nachwuchskräfte der Steuerverwaltung habe Wurzeln in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, so der Senat. „Nicht zuletzt vor dem Hintergrund stark steigender Kosten in der Metropolregion Hamburg zieht es nun einige dieser Bediensteten zurück in ihre jeweilige Heimat.“ Mit anderen Worten: Das Wohnen und Leben in Hamburg ist diesen Mitarbeitern zu teuer. Hinzu komme die zunehmende Bereitschaft von Gemeinden und Kommunen, Quereinsteiger auch „unter Inkaufnahme der Verpflichtung zur Übernahme der gesamten Pensionslasten zu rekrutieren“.

Konkurrenz bietet volles Gehalt bei 30 Stunden und 100 Prozent Homeoffice

Drittens nennt der Senat „persönliche Aspekte“: Vielen Nachwuchskräften sei eine „unmittelbare und schnellstmögliche persönliche Entwicklung“ wichtig, die „mit einer bestmöglichen Balance zwischen Beruf und Freizeit“ verknüpft sein solle. Außerhalb der Verwaltung werde Fachkräften mitunter ein „volles Entgelt bei 30 Wochenarbeitsstunden und einem Homeoffice-Anteil von bis zu 100 Prozent“ angeboten, so der Senat, der selbstkritisch einräumt: „Aufgrund der nach wie vor hohen Papieraktenlage der Steuerverwaltungen der Länder sowie des zu gewährleistenden persönlichen Bürgerservice vor Ort kann die Steuerverwaltung diese Konditionen nicht bieten.“

Mehr zum Thema

Die Regierungsfraktionen wollen daher nun Maßnahmen entwickeln, um die Bewerberzahlen wieder zu steigern und die Abgänge zu reduzieren. Die Ausbildungsoffensive habe ja Wirkung gezeigt, Hamburg habe überdurchschnittlich viele neue Steuerexperten und -expertinnen ausgebildet, sagt Dennis Paustian-Döscher, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen. „Nun muss der Fokus verstärkt auch auf das Halten der Fachkräfte gelegt werden.“

Finanzämter: So sollen Steuerfachkräfte gehalten werden

„Wir müssen junge Menschen dazu motivieren, eine Laufbahn in der Steuerverwaltung einzuschlagen und dort langfristig zu bleiben“ so Paustian-Döscher. „Das gelingt nur durch ein wirkungsvolles Aufstiegsversprechen: Gute Leistung muss belohnt werden.“ Derzeit würden aber viele junge Mitarbeiter noch an die „gläserne Decke“ stoßen, durch die kein Aufstieg möglich sei. So könne man ohne Jura-Studium nicht direkt in den höheren Dienst einsteigen, und vom gehobenen in den höheren Dienst sei der Aufstieg auch nicht einfach – nur rund ein Viertel der Mitarbeiter kommt auf diesem „internen“ Weg auf die höchste Stufe.

Die Anzahl der Beförderungen vom gehobenen in den höheren Dienst müsse daher „mindestens konstant hoch“ bleiben, fordert Paustian-Döscher. Noch wichtiger sei aber eine eigene Ausbildungsmöglichkeit für Master-Absolventen, damit diese direkt in den höheren Dienst einsteigen könnten: „Nur so können wir den steigenden Konkurrenzdruck durch die Abwerbung von Steuerberatungskanzleien mindern“, sagt der Abgeordnete, der weiß, wovon er spricht: Paustian-Döscher arbeitet hauptberuflich in einer Steuerkanzlei.

Finanzamt Hamburg: So will Rot-Grün dem Personalmangel entgegenwirken

Auch Milan Pein, Haushaltsexperte der SPD-Fraktion, gibt das Ziel aus, „die Steuerverwaltung attraktiver zu gestalten“. Dank der Ausbildungsoffensiven erreiche man zwar bereits eine Ausbildungsquote von 15 Prozent (Anteil der Azubis an den Mitarbeitern), was ein „Spitzenwert in der Verwaltung“ sei: „Wir sind auf einem guten Weg“, so Pein. Trotzdem sollte geprüft werden, wie der Quereinstieg in die Steuerverwaltung erleichtert werden könne.