Hamburg. Finanzlage der Länder extrem angespannt – auch wegen Flüchtlingsunterbringung. Warum ein Abschluss für Hamburg extra teuer wäre.

Auf den öffentlichen Dienst in Deutschland kommen die wohl härtesten Tarifverhandlungen seit längerer Zeit zu. Während die Gewerkschaften mit der Forderung nach einem Lohnplus von 10,5 Prozent, monatlich jedoch mindestens 500 Euro mehr Gehalt, in die Tarifgespräche gehen, verweisen die Finanzminister auf die extrem angespannte Situation der öffentlichen Arbeitgeber. „Die Forderungen würden zusammengenommen Mehrausgaben für die Länder in Höhe von insgesamt 20,7 Milliarden Euro bedeuten“, wenn man von der Übernahme eines Abschlusses für Beamtinnen und Beamte ausgehe, sagt Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel.

Er führt als Chef der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) kommende Woche die Gespräche. „Die Umsetzung dieser Forderungen hätte gravierende Folgen, die für die Länder nicht vertretbar wären“, so der SPD-Politiker am Freitag. Man stehe „vor sehr harten Verhandlungen“.

Für Hamburg wäre ein solcher Abschluss noch einmal extra teuer. Denn die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes fordern zusätzlich die Einführung einer Stadtstaatenzulage in Höhe von 300 Euro monatlich für die Beschäftigten in Berlin, Bremen und Hamburg sowie für Auszubildende in Höhe von 150 Euro monatlich. „Zusammengerechnet bedeuten all diese Forderungen für Hamburg Mehrausgaben in Höhe von 1,2 Milliarden Euro“, so Dressel. Das sei ein Plus von bis zu 38,2 Prozent.

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„Wir sehen, dass die Lebenshaltungskosten in den Metropolen besonders hoch sind, das gilt aber nicht nur für Stadtstaaten, sondern auch für andere große Städte“, sagt Hamburgs Finanzsenator. „Wir müssen schauen, ob wir da nicht andere Hebel finden.“ Es könne nicht sein, dass man in Hamburg praktisch nur noch Geld habe, um die Tariferhöhungen zu schultern. „Wir wollen ja auch weiter Schulen bauen und das U-Bahn-Netz ausbauen“, so Dressel.

Generell steht man vor einem schwierigen Spagat, da ist sich Dressel mit seiner schleswig-holsteinischen Kollegin Monika Heinold von den Grünen einig, die als Stellvertreterin die Gespräche mit führt. „Wir sind gerade in Krisenzeiten sehr auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen“, so Dressel. „Wertschätzung darf sich nicht nur in warmen Worten ausdrücken, sondern auch im finanziellen Entgelt, denn die Angestellten und Beamten sind es, die diesen Staat am Laufen halten“, ergänzt Heinold.

Auch sei man angesichts des erheblichen Fachkräftebedarfs darauf angewiesen, dass der öffentliche Dienst attraktiv für Bewerber sei. „Wir können es uns nicht leisten, dass die Verwaltung bei der Gewinnung von Fachkräften das letzte Glied in der Nahrungskette wird“, so Dressel.

Hamburgs Senator Dressel findet harte Worte im Streit um Flüchtlingskosten

„Aber die Forderungen der Gewerkschaften übersteigen absolut die Leistungsfähigkeit der Länder, gerade in dieser Phase, in der wir vor großen Herausforderungen stehen“, sagt Dressel und verweist mehrfach auf den Streit mit dem Bund über die Flüchtlingskosten. „Die Art und Weise, in der die Taschen beim Bund derzeit zugenäht sind, ist in hohem Maße gefährlich“, kritisiert er.

Stand jetzt würden die Zuschüsse des Bundes an die Länder für die Flüchtlingsunterbringung in 2024 sinken, wenn keine Einigung erzielt werde. Der Bund rechne sich arm, die Länder hingegen reich, wettert Dressel. Er sei „in sehr großer Sorge“. Die finanzielle Situation der Länder sei „extrem angespannt, in einzelnen Ländern dramatisch“, sekundiert Heinold.

Für Schleswig-Holstein würde eine Umsetzung der Gewerkschaftsforderungen zusätzliche Ausgaben von 600 Millionen Euro im Jahr bedeuten, sagt Finanzministerin Heinold – und das bei einem Gesamtetat von rund 16 Milliarden Euro. Laut Steuerschätzung vom Mai kann das nördlichste Bundesland aber 2024 nur mit 4,5 Prozent mehr Steuereinnahmen rechnen – für Heinold „ein Missverhältnis“.

Länder Schlusslicht bei Gehältern im öffentlichen Dienst

Die geforderte Mindestanhebung von 500 Euro würde zudem in den unteren Entgeltgruppen zu überproportionalen Erhöhungen von bis zu 23,9 Prozent führen, was das Tarifgefüge durcheinanderbringe. Heinold mahnt: Die Länder müssten sich die Tariferhöhungen auch strukturell leisten können, denn sie addierten sich über die Jahre auf. „Die gehen nicht weg.“

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Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes fordern 10,5 Prozent, monatlich jedoch mindestens 500 Euro mehr Geld für die nach ihren Angaben rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigten der Bundesländer. Die Länder bildeten das Schlusslicht bei den Gehältern im öffentlichen Dienst, sagte Ver.di-Bundeschef Frank Werneke. Im April hatten sich beide Gewerkschaften mit den Arbeitgebern von Bund und Kommunen auf einen Lohnanstieg um durchschnittlich 11,5 Prozent geeinigt. „Wir sind frohen Muts und in guter Erwartung, dass wir einen gleich guten Tarifabschluss erreichen werden wie bei Bund und Kommunen“, so Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach.

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Es gebe im öffentlichen Dienst einen akuten Fehlbedarf von 360.000 unbesetzten Stellen, sagt Silberbach. Die Bundesländer seien als Arbeitgeber nicht mehr konkurrenzfähig. Notwendig sei deshalb eine Angleichung der Bezahlung an die bei Bund und Kommunen. In den kommenden zehn Jahren würden 1,3 Millionen Menschen den öffentlichen Dienst verlassen.

Das Tarifergebnis bei Bund und Kommunen vom April, das sich auf 11,5 Prozent Lohnplus beläuft, werde „an der einen oder anderen Stelle natürlich ein Orientierungspunkt sein“, so Dressel. Die Gespräche beginnen am 26. Oktober – weitere Runden sind für Anfang November und Dezember angesetzt. Als Ziel hat Länder-Verhandlungsführer Andreas Dressel eine Einigung noch vor Weihnachten ausgegeben. In Hamburg sind etwa 30.000 Mitarbeiter von Behörden, Landesbetrieben, Schulen und Hochschulen direkt von dem Tarifabschluss betroffen – sowie indirekt rund 40.000 Beamte.