Hamburg. CDU-Fraktionschef Dennis Thering überrascht mit Vorschlag zu Kitas. Zudem will er die Innenstadt umgestalten – nach spanischem Vorbild.

Die Hamburger CDU will künftig auch in der Familienpolitik stärkere Akzente setzen – und hat bei diesem Thema jetzt einen überraschenden und womöglich recht teuren Vorschlag gemacht. Der Besuch einer Kita soll für alle Hamburger Kinder künftig für bis zu zehn Stunden pro Tag kostenlos sein – bisher sind es in Hamburg nur fünf Stunden. Das forderte CDU-Fraktionschef Dennis Thering exklusiv im Abendblatt-Sommergespräch.

„Auch aufgrund der hohen Inflation, der steigenden Kosten und der hohen Mieten sind Familien finanziell sehr, sehr stark belastet“, so Thering. „Deshalb ist es mir ein Herzensthema, Familien zu entlasten. Die beitragsfreie Kita für zehn Stunden ist dafür eine gute Möglichkeit.“ In anderen Bundesländern wie etwa Berlin oder Rheinland-Pfalz gebe es dieses Angebot bereits, so Thering. „Zum einen würde viel von dem aktuellen bürokratischen Aufwand wegfallen. Wer derzeit nach den fünf freien Stunden eine weitere Stunde buchen will, muss ja sofort einen Gehaltsnachweis vorlegen, das ist alles sehr umständlich. Das alles hätten wir dann nicht mehr.“

Kita Hamburg: Wie das Angebot bezahlt werden soll, lässt der CDU-Chef offen

Zum anderen könne eine Verlängerung der kostenfreien Kita-Betreuung auf zehn Stunden „sicherlich auch den Berufseinstieg für Eltern wieder attraktiver machen“ so Thering. „Wir machen die Kita kostenfrei und erleichtern damit Eltern, wieder Vollzeit in den Beruf einzusteigen. Das wäre für die Gesellschaft gut, und dadurch würden sie durch höhere Steuereinnahmen die Kosten schnell wieder hereinholen“, so Thering.

Genaue Angaben zu den Kosten wollte der CDU-Fraktionschef und designierte Bürgermeisterkandidat allerdings nicht machen. „Das kann man auch nicht, weil man jetzt nicht sagen kann, wie viele Eltern das Angebot dann auch annehmen.“ Ebenso wenig wie für die Kosten wollte der Fraktionsvorsitzende ein Konzept bieten, wie denn die zusätzlichen Stunden an Betreuung mit Fachpersonal gewährleistet werden sollen. Klar sei aber, dass man das Kita-Gutschein-System grundsätzlich reformieren müsse. Man wolle mit dem Vorschlag der kostenlosen Zehn-Stunden-Betreuung auch in den Wahlkampf 2025 gehen. Laut Sozialbehörde kostet die Kita-Betreuung die Stadt nach dem aktuellen Modell 1,1 Milliarden Euro im Jahr.

Barcelona als Vorbild: Jungfernstieg und Mönckebergstraße sollen Flaniermeilen werden

Das neue System müsse für die Familien, „aber auch für die Kita-Träger attraktiv sein, damit sie neue Plätze schaffen“, so Thering. „Wir sehen auch heute, dass es extrem schwierig ist, einen Kita-Platz zu bekommen, und wenn wir das ganze Finanzierungsmodell attraktiver machen, wird das natürlich auch dazu führen, dass sich mehr Träger berufen fühlen, neue Standorte zu eröffnen. Wie wir das dann im Detail machen, das werden wir dann unter anderem mit den Kita-Betreibern besprechen.“

Mit seinem Vorschlag weicht Thering von einer langjährigen CDU-Position in Hamburg ab. Die Partei hatte die Kita-Gebühren in ihrer Regierungszeit in Hamburg stark erhöht und dies stets als sozial ausgewogen verteidigt. Unter SPD-Bürgermeister Olaf Scholz dagegen wurde in Hamburg die kostenlose Betreuung für fünf Stunden täglich eingeführt.

Der CDU-Fraktionschef, der mittlerweile auch die Hamburger Partei führt, machte im Gespräch mit dem Abendblatt auch einen weiteren Vorschlag, der Diskussionen auslösen könnte – und zwar zur Entwicklung der Hamburger Innenstadt: Er möchte die Mönckebergstraße und möglicherweise auch den Jungfernstieg nach dem Vorbild von reinen Flaniermeilen umgestalten, wie es sie etwa in spanischen Innenstädten gebe. Ein Beispiel könne der mittlere Teil der bekannten Fußgängerpromenade „La Rambla“ in Barcelona sein – allerdings aus Platzgründen ohne die dort vorhandenen breiten Fahrspuren zu beiden Seiten. „Wenn man den Verkehr aus Teilen der Stadt heraushält, dann muss man das auch konsequent machen“, sagte Thering. „Es reicht ja nicht, den Jungfernstieg für den Individualverkehr zu schließen, wenn weiterhin Taxis und Busse durchfahren können. Das ist ja nun keine Attraktivitätssteigerung.“

Verkehr Hamburg: „Brauchen den Mumm, den Jungfernstieg ganz dichtzumachen“

Wenn man so etwas mache, dann müsse man „wirklich so konsequent sein und sagen, wir machen jetzt den Jungfernstieg für alle dicht, machen es wirklich schick mit kulinarischen Angeboten, mit kleinen Cafés und mit schönen Sitzgelegenheiten. So wie jetzt mit ein paar Blumenkübeln in der Mitte mit verdorrten Blumen, und rechts und links fahren Busse, Taxis und Fahrradfahrer – das ist doch keine Attraktivitätssteigerung.“

Jetzt hätten SPD und Grüne lediglich den Autoverkehr verbannt, so Thering. „Darüber kann man denken, wie man will. Aber wenn man das macht, muss man auch den Mumm haben, den wirklich großen Wurf zu wagen, und sagen: Jetzt machen wir das komplett dicht. So halb gare Geschichten bringen am Ende nichts.“ Dasselbe gelte für die Mönckebergstraße, wo die Fahrbahn ja geblieben sei und Busse und Räder unterwegs seien. Die Ramblas in Barcelona seien dagegen mittlerweile einer der bekanntesten Orte in Barcelona und könnten Hamburg teilweise als Vorbild dienen.

Transgender: Auch Thering für ein Selbstbestimmungsgesetz – aber nicht in dieser Form

Darüber hinaus sprach sich Thering im Interview nur grundsätzlich für das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz aus, nach dem Menschen bis zu einem Mal pro Jahr ihr Geschlecht amtlich ändern können. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zu dem Thema am Mittwoch beschlossen. Wie auch seinen Parteikolleginnen und -kollegen auf Bundesebene ist die derzeitige Gesetzesfassung dem 39-Jährigen nach eigenen Worten allerdings „zu extrem“. Die Möglichkeit, einmal im Jahr sein Geschlecht zu ändern, gehe der CDU „deutlich zu weit“, so Thering.

Zwar sehe er „durchaus die Notwendigkeit eines Selbstbestimmungsgesetzes, und da muss man jetzt in die Diskussion gehen“. Doch fühle man sich Thering zufolge „entweder als Mann oder als Frau. Aber ich kann nicht sagen, dieses Jahr fühle ich mich als Frau, aber nächstes Jahr möchte ich ein Mann sein.“ Was aus seiner Sicht ganz konkret an dem Gesetz geändert werden müsse, ließ Thering offen.

Ärzte Hamburg: Thering will die Versorgung deutlich verbessern

Ein wichtiges Anliegen sei ihm auch die medizinische Versorgung der Menschen in Hamburg, sagte Thering. Um die Ärzteversorgung in den Bezirken, insbesondere in den strukturschwächeren Teilen der Stadt, zu verbessern, schlägt der Fraktionsvorsitzende vor, einen Gesundheitsfonds einzurichten. „Teilweise geht bei den Fachärzten ja niemand mehr ans Telefon“, sagte Thering. „Und wenn Sie dann jemanden erwischen, kriegen Sie vielleicht in einem halben Jahr einen Termin.“ Damit sich aber wieder mehr Ärzte in Bezirken wie etwa Wilhelmsburg ansiedelten, müsse man diese finanziell unterstützen, so der CDU-Chef.

Dazu könnte etwa die Finanzierung der Praxisausstattung zählen. „Wir sind uns bewusst, dass es in einigen Bezirken nicht so viele Privatpatienten gibt und die Finanzierung der Arztpraxen deshalb schwieriger ist als in Bezirken mit vielen Privatpatienten. Eine komplett ausgestattete Praxis über Steuergelder würde den Ärzten aber die Möglichkeit geben, günstig und mietfrei zu praktizieren“, sagte der CDU-Chef. „Wenn es uns gelingt, eine weitere Kinderarztpraxis in Wilhelmsburg oder Billstedt gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung und mit Unterstützung der Steuerzahler anzusiedeln, dann ist das in meinen Augen gut investiertes Geld.“