Hamburg. Hamburgerin kämpft fast ein Jahr lang für Traum von eigener Kita in Eimsbüttel. Genehmigung nicht erteilt – Ersparnisse sind weg.

Die Zeilen, die Kerstin Czernig an diesem Dienstagabend in ihren Laptop tippt und später an 26 Elternpaare senden wird, gehen der 57-Jährigen nicht leicht von der Hand. Um genau zu sein, fällt ihr jeder einzelne Satz sehr, sehr schwer. Sie musste sich erst einmal sammeln, sagt sie. Ihre Stimme klingt ruhig und besonnen, dabei hätte die gelernte Erzieherin gerade allen Grund sich aufzuregen. Doch das macht sie nicht mehr, sagt sie – zu viel Kraft, Geld und Energie habe sie dafür in diesem Jahr bereits aufgewendet.

„Liebe Eltern“, beginnt Czernig ihren Brief. „Leider müssen wir euch mitteilen, dass wir unsere Kita „Puustbloom“ nicht eröffnen können. Die Behörde hat unseren Antrag zur anteiligen Nutzung für den Spielplatz an der Voigtstraße nicht genehmigt“, heißt es weiter.

Kita in Hamburg scheitert an fehlender Genehmigung

So weit, so gut. Steckt man in der Thematik nicht drin, klingt das zunächst erst einmal wie ein gewöhnlicher bürokratischer Vorgang, über den die Behörden – ganz bürokratisch – nach gewissen Kriterien formal entschieden haben und den Czernig nun mal akzeptieren muss.

Liest man Czernigs Brief weiter, ahnt man jedoch, was das für die Erzieherin, Eltern und 26 Kinder bedeutet, die nun auf die geplante Kita und damit auf Betreuungsplätze verzichten müssen: Die Spielplatznutzung, die Kitas ohne ausreichende Außenfläche beim zuständigen Bezirksamt beantragen müssen, sei abgelehnt worden, „mit der Begründung, dass kein öffentliches Interesse einer Kita an diesem Standort besteht“.

Hintergrund ist, dass Kitas, die nicht über ein eigenes Außengelände verfügen oder zu wenig Außenfläche (6 Quadratmeter pro Kind), einen Antrag auf die Sondernutzung eines öffentlichen Spielplatzes beim zuständigen Bezirksamt stellen müssen. So steht es in der seit Februar gültigen Fachanweisung der Sozialbehörde. Das Bezirksamt gibt dann anhand verschiedener Kriterien eine Einschätzung darüber ab, ob die jeweilige Kita den Spielplatz nutzen darf. Erhalten die Antragsteller jedoch keine Genehmigung für die Nutzung eines öffentlichen Spielplatzes, kann die Kita nicht eröffnet werden.

Kita in Hamburg bietet Atelier und Bauraum für Kinder

Kerstin Czernig und ihre Kolleginnen seien über die Entscheidung des Bezirksamts „mehr als fassungslos. Nach einer neunmonatigen arbeitsreichen Gründungszeit scheitert die Eröffnung“, schreibt die Erzieherin. Trotz Möglichkeit eines Widerspruchs könne sie das Projekt nun nicht mehr fortführen, da der Vermieter verständlicherweise den Leerstand der Immobilie nicht weiter tragen kann. „Wir sind darüber sehr traurig und wünschen euch und euren Familien alles Gute. Alles Liebe, Kerstin Czernig vom Puustbloom-Team“.

Kerstin Czernig wollte in Eimsbüttel die Kita „Puustbloom“ eröffnen – doch der Traum ist ausgeträumt.
Kerstin Czernig wollte in Eimsbüttel die Kita „Puustbloom“ eröffnen – doch der Traum ist ausgeträumt. © Kerstin Czerning | Kerstin Czerning

Aus und vorbei. Auch mit Czernigs Traum von der „Puustbloom“: eine eigene Kita, mit wenigen Plätzen für Krippen- und Elementarkinder, um eine möglichst gute und individuelle Betreuung zu leisten. Mit Bauraum und Atelier. So hatte sich die studierte Illustratorin und Erzieherin das vorgestellt. Als berufliches Lebensprojekt, bevor sie in Rente geht. Die passende Immobilie habe sie schon gefunden, zentral in Eimsbüttel, direkt neben einem Spielplatz. Und auch Kolleginnen, die das Ganze mit ihr für die 26 der insgesamt 36 Kinder, deren Eltern bereits Bedarf gemeldet hatten, gestartet hätten. All das hatte die Hamburgerin neben ihrer Vollzeitbeschäftigung als Erzieherin in einer Kita organisiert.

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Doch daraus wird nichts. Kurz nachdem die Erzieherin vergangene Woche auf Nachfrage telefonisch erfahren habe, dass es mit der Spielplatznutzung nichts wird, habe sie ihren Vermieter informiert. Fast acht Monate habe sie auf diese Antwort der Behörden gewartet, die bis heute nicht schriftlich bei ihr eingegangen sei. Und das, obwohl sie im Frühjahr bereits ein Gespräch mit der Sozialbehörde geführt habe, bei dem Czernig genauestens von ihren Plänen berichtete und für die sie im Februar auch bereits einen Antrag beim zuständigen Bezirksamt eingereicht hatte.

Alle Ersparnisse stecken in gescheiterten Kita-Plänen

Sowohl Brandschutz als auch weitestgehend alle Denkmalschutzmaßnahmen seien vom Bauamt bereits genehmigt worden, sagt Czernig. Hier seien zwar Nachbesserungen erforderlich gewesen, erst deshalb habe sie aber überhaupt einen Architekten beauftragt, der die weiteren Umbauvorhaben des denkmalgeschützten Hauses geplant habe. Mit Mobilitätskonzept und allem Drum und Dran – so, wie es die Vorgaben für die Errichtung einer Kita vorsehen.

18.000 Euro und damit ihr gesamtes Ersparnis seien es gewesen, die Czernig für Architekten, Akustiker, Brandschutzplanungen, Steuerberater und eine betriebswirtschaftliche Fortbildung ausgegeben habe. „Für manche ist es vielleicht nicht viel Geld, für mich ist das aber eine große Summe, die ich nicht noch einmal so einfach ansparen kann“, sagt die Erzieherin, die sich das Geld von ihrem Gehalt mühsam zurückgelegt hatte.

Verlust von Tausenden Euro Mieteinnahmen

Und auch Czernigs Vermieter ist fassungslos. Fast ein Jahr lang habe er die Immobilie für Czernigs „tolle Idee“ freigehalten, sagt der freundlich klingende Mann, der seinen Namen in der Zeitung nicht nennen möchte. Eine mittlere fünfstellige Summe an Mieteinnahmen seien ihm und seiner Familie, der das Haus gehört, dadurch verloren gegangen. Doch das sei ihm nicht wichtig gewesen. „Frau Czernig hat sich so in die Sache hineingegeben und war so engagiert. Das muss man doch belohnen“, findet der Vermieter. Für was könne der Raum denn besser genutzt werden als für die Zukunft von Kindern?

Die Sozialbehörde gibt keine Auskunft zum Einzelfall, wie eine Sprecherin auf Anfrage sagt. Generell, so heißt es, ist die Sozialbehörde im Rahmen des geregelten Baugenehmigungsverfahrens durch die Bezirke beteiligt. Zudem wird das zuständige Bezirksamt – in diesem Fall Eimsbüttel – um Stellungnahme hinsichtlich des öffentlichen Interesses an einer Kita an diesem Standort gebeten.

Kitas in Hamburg: Bezirksämter für Beurteilung zuständig

„Hierfür werden rechnerische Größen wie beispielsweise die Betreuungsquoten im Einzugsgebiet, die Anzahl der bestehenden und neu geplanten Kitas in zumutbarer Entfernung sowie Wohnungsneubauvorhaben zugrunde gelegt. Als weitere Kenngröße werden die offenen Platznachweisverfahren im Einzugsgebiet der neu geplanten Kita als Indikator für die Versorgung mit Kita-Plätzen herangezogen.“ Was das jedoch für Eimsbüttel konkret bedeutet, bleibt offen.

Auch auf die Frage, wie viele Kitas aktuell auf die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis warten, gab die Behörde keine Antwort. Ebenso wenig wie auf die Frage, wie viele Ablehnungen von der Sozialbehörde bereits beschieden worden seien. „Die von Ihnen erfragten Zahlen werden von der Sozialbehörde nicht erhoben, da die Sondernutzungserlaubnis bei den Bezirksämtern zu beantragen ist.“ Eine Abfrage bei allen Bezirksämtern sei in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, schreibt eine Sprecherin.

Kita in Hamburg: Erzieherin sucht weiter nach passendem Ort

Das Bezirksamt Eimsbüttel teilt hingegen mit, dass bis zum 15. September dieses Jahres zwei Anträge auf Sondernutzung für Kitas ohne eigene Außenfläche im Bezirk gestellt worden seien. Eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer könne die Behörde deshalb schwerlich nennen, sagte Pressesprecher Kay Becker.

Czernig wundert das nicht. Doch aufgeben, das will die 57-Jährige „auf keinen Fall“, wie sie sagt. Ihr aktueller Arbeitgeber habe ihr die Nummer von einem Dachverband weitergeleitet, der sich unter anderem um den Verkauf von bereits bestehenden Kitas kümmert. „Vielleicht habe ich hier Glück. Auch wenn das bedeutet, einen anderen Weg als ursprünglich geplant zu gehen.“