Hamburg. Der Autor findet Humor in der Tristesse. „Zauberberg 2“ ist deprimierender Stoff, den Strunk in seiner einzigartigen Lesart ad absurdum führt.

  • Am Sonnabend stellte Heinz Strunk seinen neuen Roman im Schauspielhaus vor.
  • „Zauberberg 2“ gleicht dem Original nur bedingt.
  • Strunks einzigartige Lesart sorgte trotz tristem Stoff für viele Lacher.

Thomas Manns „Zauberberg“ auf eine 90-minütige Lesung gekürzt? Das dürfte wohl die Wunschfantasie vieler verzweifelter Literaturstudenten und -studentinnen sein. Am Sonnabend ist es aber eh „Zauberberg 2“ von Heinz Strunk und nicht der namensverwandte 1000-plus-Seiten lange Bildungsroman, der in Kompaktform von des Autors eloquentem Mundwerk am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg dargeboten wird.

Das neue Buch folgt Jonas Heidbrink, wohlstandsverwahrloster Mitte-30er mit Depression, in die ostdeutsche Einöde. Klinikalltag, zerstörte Biografien und Zivilisationskrankheiten prägen die Figuren. Und am Sonnabend im Schauspielhaus? „Der essenzielle Kern des Buches auf schlanke 90 Minuten heruntergedampft“, verspricht Strunk und erntet das Gelächter des gut gelaunten Stammpublikums, er stellt seine neuen Bücher ja oft hier vor.

Obwohl laut Eigenaussage gar nicht so lustig – Stichwort Depression –, übersteigert Strunk das Sanatorium-Leben ins Komische, ohne mentale Gesundheit dabei pauschal durch den Kakao zu ziehen. Ein schmaler Grat.

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In Strunk-Manier plätschelt der graue Alltag vor sich hin; Musiktherapie wechselt mit Gesprächstherapie, wechselt mit Tanztherapie. Der Sound des Abends? „The river, she is flowing, flowing and growing, the river she is flowing, back to the sea.“ Immer wieder stimmt „Heinzer“ den einlullend-spirituellen Gesang von Hans Castorps – eeh, Entschuldigung, Jonas Heidbrinks – Musiktherapeutin („Ein spargeliges, friedlich-freundlich-vegan/vegetarisches Geschöpf“) an, zeigt die bohrende Wirkungslosigkeit des Privatzahler-Sanatoriums („Kassenpatient: bitte nicht wiederbeleben!“).

Buchcover Heinz Strunk, Zauberberg 2
Das Buchcover von Heinz Strunks „Zauberberg 2“, Rowohlt, 288 S., 25 Euro. © Rowohlt | Rowohlt

So darbt der haltlose Heidbrink im scheinbar unspektakulären Aufenthalt dahin, während Strunk auf der Bühne das ein ums andere Mal ins Kichern kommt: „Im Unterschied zum turbulenten TV-Krankenhaus-Alltag passiert im wirklichen Krankenhaus nie etwas, keine geilen Ärzte, keine verrückten Besucher, keine Liebesabenteuer, keine Überraschungen, nichts, nur Vitalwerte, Suppe und Langeweile.“ In diesem schwarzen Melancholie-Sumpf glänzt Strunk, watet knietief in den morastigen Abgründen der Seele und führt sie in seiner haspelig-überdrehten Lesart komödiantisch ad absurdum.

Einen Sprücheklopfer gibt es immer: Das Schauspielhaus feiert den spitzfindig-derben Humor

An die Tuberkulose aus dem Zauberberg erinnert im mecklenburg-vorpommerischen Sanatorium beispielsweise der 80-jährige, rauch- und feuerspeiende Klaus. Und (Achtung, Hip-Hop-Sprech) „fire spitten“ tut er wirklich, das Spruch-Sammelsurium des mental und physisch kaputten Menschen sorgt im Schauspielhaus für viele Lacher: Deftiger Rülpser? „Da gibt die Mettwurst Pfötchen, sorry.“

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Oberflächlich ist „Zauberberg 2“ erst mal weniger komisch, als man es von Strunk gewöhnt ist. Während der komprimierten Lesung des Stoffs ist aber spürbar, dass eigentlich alles drin ist, was diesen strunkisch-fiesen Humor ausmacht. Am Ende auch ein wenig Flötenspiel. Funktioniert wunderbar, auch auf 90 Minuten gekürzt.

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