Hamburg. Warum isst der Schriftsteller gerade zehn Tage lang nichts? Hat das mit Thomas Mann zu tun? Bald kommt Strunks neues Buch. Ein Ortstermin.
- Beim Abendblatt-Besuch ist Heinz Strunk an einem körperlichen Tiefpunkt - aus Gründen
- Zur Recherche für den Roman ging der Autor für zehn Tage als Selbstzahler in ein Sanatorium
- Was das neue Buch angeht, hatte Strunk auch mit Widerständen zu kämpfen
Der Hausherr öffnet in komplett schwarzer Kluft, Pulli, Jogginghose. Draußen ist graues Selbstmordwetter, bei Heinz Strunk zu Hause im obersten Stockwerk des Schanzen-Mehrparteienhauses lässt es sich jedoch immer gut aushalten. Warum so traurig, Heinz Strunk? Ist er ja gar nicht, wie der 62-Jährige eilig kundtut, so richtig depressiv ja eh nicht, „aber für die, die es sind, ist der Sommer immer schlimm, nicht der graue Herbst“.
So steht es auch in Strunks am 28. November erscheinendem neuen Roman „Zauberberg 2“ geschrieben. In der Thomas-Mann-Variation geht es um einen erfolgreichen Mann, der aus lauter Lebensüberdruss und Mangel an Glück in ein Sanatorium in der ostdeutschen Provinz reist. Dort erlebt er rein gar nix und doch ganz viel, Strunks Heilanstaltsroman ist der dunkle Versuch, die Tristesse einzufangen, die das mentale Siechenheim durchdringt. Das ist ein schwerer Strunk-Stoff, vielleicht noch totaler in seiner Endgültigkeit als alles andere, was er je geschrieben hat: Sanatorium for life, was anderes hilft nicht mehr.
Hausbesuch bei Heinz Strunk in Hamburg: der vierte von zehn Fastentagen
Ist der Romanheld Jonas Heidbrink ein Alter Ego Strunks, des Meisters des Trübsinns? Sind sie ja, aber nur ganz entfernt, immer ein wenig, seine Figuren. Betonung: ein wenig. Also, Heinz Strunk ist nicht traurig an diesem Tag, aber dennoch an einem (körperlichen) Tiefpunkt.
Es ist der vierte von zehn Fastentagen, es gibt ausschließlich Grüntee und Wasser. Er macht das seit Jahrzehnten, bis zu 40 Tage im Jahr insgesamt. Ein Korrektiv, sagt Strunk, „ich mache zu wenig Sport und will nicht verfetten wie ein alternder Schlagersänger“.
Bald ist er wieder auf der Bühne, nach mehr als einem halben Jahr Pause, Plauze nicht erwünscht also; außerdem gehört zum Fasten auch Alkoholverzicht, gute Sache. Hangry, wütend wegen Hungers, ist Strunk während des Gesprächs aber nicht. Weil er, wie er sagt, Profi ist. Fasten, das kann er.
Auf Schreiben verzichten aber nicht, das schöpferische Tun am Schreibtisch ist sein Lebenselixier. Menschen mit Elixieren sind tatsächlich nicht depressiv, könnte einem dazu einfallen. Wir sind für das Strunk-Update Jahresende 2024 gekommen und stellen fest: Der Bestsellerautor ist insgesamt sogar recht guter Dinge.
Heinz Strunks neuer Roman „Zauberberg 2“: zunehmende Eremitage
Man kann über ein Buch wie diesen neuen, strunkisch organisierten Depri-Roman – viel Elend, aber auch viel Fun unter der wuchernden Grasnarbe der Lebens – reden und dabei Umwege nehmen, die das abklappern, was man dem Leben gewinnbringend abfordern muss. Strunk, derzeit also im Fastenstand und Nicht-Esser, berichtet von seiner „im Alter zunehmenden Eremitage“. Heißt: Nur einmal oder so die Woche essen gehen (vielleicht auch im eigenen Lokal). Und ansonsten gerne, „ich bin ein halbwegs talentierter Koch“, alleine zu Hause kochen. Zum Beispiel ein Gericht, das Eingang in den Roman gefunden hat. Steckrübeneintopf mit Chili, Koriander und Backpflaumen. Strunkkulinarik ohne Fleisch und mit Gemüse.
Er sei, erklärt Strunk, zwecks Recherche für zehn Tage als Selbstzahler ins Sanatorium. Wie funktioniert das da? Was macht das mit ihm? Die Idee war vorhanden, es war klar, dass ein Roman daraus entstehen würde. 100 Jahre „Der Zauberberg“, einmalige Chance! Und Strunk ist eh nicht für Schreibblockaden bekannt. Wichtig war ihm diesmal, nicht einen alten weißen Mann in den Mittelpunkt zu rücken. Seine Figur Heidbrink ist erst 36 (freilich schon so endfertig wie ein 60-Jähriger). Sex und Alkohol sollten auch keine Rolle spielen, wobei Alkohol zumindest in einem Kapitel einen kleinen Auftritt hat.
Heinz Strunk war bei den Thomas-Mann-Tagen zu Gast
Hatte Strunk den „Zauberberg“ eigentlich schon gelesen, als er an seine Sanatoriums-Elegie dachte? Tatsächlich nicht. Aber er hat sich das deutsche Literaturmonument dann natürlich vorgenommen. „Anstrengend, aber nicht so ermüdend, wie ich erwartet habe“, urteilt Strunk. Ob er das auch so bei den Thomas-Mann-Tagen in Lübeck kundgetan hat, bei denen er dieses Jahr zu Gast war? Auf jeden Fall war es so, dass Strunk ein wenig Argwohn entgegenschlug, als er den Mann-Ultras sein Projekt vorstellte. Mann-Ultras sind konservativ, da ist man schnell in der Sakrilegzone, wenn man das Werk belehnt. Strunk scheint jeglicher Gegenwind allerdings nichts auszumachen.
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Mit Widerständen hatte er, was das neue Buch angeht, eh zu kämpfen, wie Strunk berichtet. Das lapidare „2“ im Titel, die dem „Terminator“-Film entnommene Schrifttype, in der der Romantitel und Autorenname gehalten sind, er musste seine Vorstellungen durchsetzen. Es hat sich gelohnt, das Paket stimmt. Es gibt aber, Terminator hin oder her, null Action in „Zauberberg 2“, zumindest vordergründig. Das ist Herrn Strunks Gespür für leise Ironie.
„Zauberberg 2“: Jedes Jahr ein neues Buch
Man fragt dann frech, ob Strunk mit „Zauberberg 2“ denn sein Alterswerk eingeläutet habe. Muss, kann wohl notwendigerweise nicht anders sein, sagt Strunk da mit angedeutetem Grinsen. Der Mann denkt sowieso voraus, Struktur hilft, auch auf Jahre gedacht. Kommendes Jahr erscheint ein neuer Erzählungsband, „Kein Geld, kein Glück, kein Sprit“, 2026 dann der neue, bereits fertige, übersinnliche Mystery-Roman „Memories of Heidelberg“. Planungssicherheit, sagt Strunk, ist alles. Er will jedes Jahr ein Buch veröffentlichten, das klappt ziemlich gut, wie seine Veröffentlichungsliste zeigt.
Er hat übrigens Freunde, die Beamte sind; von seiner früheren Tanzkapelle Tiffanys, die wir aus „Fleisch ist mein Gemüse“ kennen, gibt es zum Beispiel zwei. Die wissen, referiert Strunk, wann die nächste Beförderung ansteht, wie die Rente aussieht. Er selbst ist Künstler. Und er hat dennoch eine Regelmäßigkeit in seinem Schaffen, die andere so nicht haben.
„Zauberberg 2“: Man unterschätze nie Heinz Strunks Ehrgeiz
Was „Zauberberg 2“ angeht, habe er übrigens ein gutes Gefühl, sagt der immer recht freimütig über seine Tops und Flops sprechende Strunk dann noch. Die „Käsis“ etwa, sein 2023 erschienener Comic, sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Was auch für die Comedy-Serie „Last Exit Schinkenstraße“ gilt. Bei der hätte man nur die eigene Bubble abgeholt, aber eben nicht die Ballermann-Besucher.
Unterschätze nie jemand den Ehrgeiz dieses Mannes, der nach seiner erfolglosen Mucker-Zeit, seiner kultischen Studio-Braun-Karriere nun eine seit zwei Jahrzehnten währende Sensation als Erfolgsautor ist. Er wirkt bei diesem Hausbesuch wie ein Mann, der zu schätzen weiß, was er schon längst erreicht hat: ein viel gelesener Schriftsteller zu sein. In der gegenwärtigen Phase des Nicht-Essens kann er gut arbeiten, versichert er einem noch; muss er ja auch, es gibt ja so viele Freiräume, wenn man nicht einkaufen, kochen, essen muss.
Satt geworden sind seine Leserinnen und Leser immer, bei jedem Buch. Beim neuen wird das genauso sein, weil niemand so tief und amüsant über die Trübsal schreibt wie Heinz Strunk.
Heinz Strunk stellt seinen neuen Roman am 14. Dezember im Schauspielhaus vor.
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