Hamburg. In dieser gefeierten US-Serie ist Wokeness ziemlich funny. Nun gibt es aber Anschuldigungen gegen Hauptdarsteller Brian Jordan Alvarez.

  • Kurz vor Weihnachten gibt es mit dem viel gelobten „English Teacher“ noch einmal Seriennachschub.
  • Allerdings scheint den Star der Show nun seine Vergangenheit einzuholen.
  • In einem Statement weist er die Vorwürfe eines Kollegen entschieden zurück.

Wokeness hieß früher Political Correctness und ist selbstverständlich eine amerikanische Erfindung. Das gilt auch fürs Erfolgsmodell Comedy. „English Teacher“ ist jetzt neu im Angebot von Disney+, die viel gepriesene und tatsächlich sehr gute neue Sitcom-Serie aus den USA. Merkmale: ultraschnell, doppelbödig, gegenwartsgeil und sehr, sehr funny.

Brian Jordan Alvarez („Will & Grace“) ist Evan Marquez, der schwule, engagierte und im Herzen gute Englischlehrer einer Highschool in einem Vorort von Austin. Texas, genau, da gibt es viel Konservatismus, aber natürlich auch jede Menge linke Lehrer.

Neue Serie „English Teacher“: Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs steht im Raum

So, wie Amerika eben ist: ein Land, das sich im Kulturkampf von zwei sich meist unversöhnlich gegenüberstehenden Seiten in schwindelerregende Spiralbewegungen begibt. Wenn man da wieder herauskommt, dröhnt einem der Kopf. Kopfschmerzen dürfte derzeit auch die Verantwortlichen des Senders FX haben, bei dem „English Teacher“ in Amerika zu sehen ist. Grund dafür sind die nun öffentlich gewordenen Anschuldigungen des Schauspielers Jon Ebeling. Der arbeitete mit Alvarez 2016 bei der Serie „The Gay and Wondrous Life of Caleb Gallo“ zusammen und behauptet nun, er sei damals sexuellen Angriffen von Alvarez ausgesetzt gewesen. Alvarez fungierte auch als Regisseur der Serie.

Nach einem diesbezüglichen Artikel auf der Website von „Vulture“ reagierte Brian Jordan Alvarez mit einem Statement: „Die Interaktionen von Brian Jordan Alvarez mit Jon Ebeling verliefen immer völlig einvernehmlich“, heißt es da. Ebeling sei nicht zu trauen; zahlreiche Medien hätten sich geweigert, seine empörenden Behauptungen zu veröffentlichen.

Neue Serie bei Disney+: „English Teacher“ – ein Feuerwerk des Zeitgeists

Ein Stoff, der in die Metoo-Gegenwart passt, ganz gleich, wie die Wahrheit denn nun tatsächlich aussieht. Was die Mode angeht, zum Boykott von Künstlern aufzurufen, die mit diskriminierenden Äußerungen oder Schwerwiegenderem auffällig wurden, wäre der Fall Alvarez, wie immer er weitergeht, ebenfalls Zeitgeist pur.

Zurück zu „English Teacher“: „Bei uns wird nicht gecancelt“, blökt der Rektor der Schule (Enrico Colantoni) einmal unter Verwendung eines Zentralbegriffs der Gegenwart, als es um das jährliche Footballspiel unter umkehrten Vorzeichen (die Athleten als Cheerleader, die Cheerleader als Athleten) geht. So passiert das in „English Teacher“ durchgehend, es ist ein Feuerwerk des Zeitgeists: Wokeness, Cancel Culture, Minderheitenbedürfnisse, Geschlechterrollen – es wird alles abgespult, wunderbar, pointiert und selbstverständlich aufs Unwahrscheinlichste zusammengemengt.

Serie
Gymnastik im Namen der Wokeness: Szene aus der Serie „English Teacher“ auf Disney+. © Steve Swisher/FX | Steve Swisher/FX

Unversöhnlich darf in so einer bei aller gesellschaftlichen Stichhaltigkeit vor allem komischen Serie aber nichts sein. Also sind die Storys – alle sind zwischen 20 und 25 Minuten lang – immer befriedigend, was ihr Ende angeht. Egal, ob es um die Rache einer Mutter geht, die sich bei der Schulbehörde über Evans Bussi für seinen Boyfriend vor versammelter Schülerschaft beschwert. Oder um den möglicherweise für sensible (sprich in diesem Fall: sehr gestrige) Menschen kontroversen Drag-Auftritt der Highschool-Footballer.

„English Teacher“ auf Disney+: Der Sportlehrer als un-woker Trampel

Mit „KEKs“ hat auch eine Hamburger Schulhof-Serie dieses Jahr ihr Debüt gefeiert. „English Teacher“ ist politischer, ohne dabei je den Unterhaltungsaspekt auch nur ansatzweise zu vergessen. Nach dem Bussi-Desaster darf Evan sich auf keinen Fall mehr mit einem Kollegen einlassen. Andernfalls droht ihm die Suspendierung. Blöd, dass mit dem Physiklehrer Harry (Langston Kerman) ein potenzielles Love Interest neu an der Schule ist.

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Was „English Teacher“ sehenswert macht, ist die im Grunde genommen unideologische Herangehensweise von Showrunner Brian Jordan Alvarez: Mit Sportlehrer Markie (Sean Patton) gibt es einen komplett un-woken Trampel, der Evan ein guter Freund ist, obwohl er Schwulsein insgesamt doch eher als ziemlich unmännlich ansieht. Es wird also auch republikanische Betonköpfe geben, die an „The English Teacher“ Gefallen finden.

Die ersten acht Teile über die Vollgaslehrkraft Evan Marquez, die ihre Schülerinnen und Schüler nicht nur dazu bringen will, Dickens zu lesen, sondern auch dazu, gute Menschen zu werden, ist ein Fest für alle (und insbesondere Pädagogen), die gerne über die Diskurse der Jetztzeit lachen.

„English Teacher“ ist auf Disney+ abrufbar.

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