Hamburg. Ilya Gringolts und Johanna Vargas machen aus Kurtágs „Kafka-Fragmenten“ mehr als „nur“ Musik. Das beeindruckt auch einige besondere Gäste.
- Einziges Requisit bei den dezent inszenierten „Kafka-Fragmenten“: ein hölzerner Stuhl
- In György Kurtágs Vertonung der „Kafka-Fragmente“ verbinden sich Wort und Ton kongenial
- Vargas und Gringolts machen aus der Aufführung des Zyklus ein Gesamtkunstwerk
Als die Lichter ausgehen, sind die Augen für einen Moment unfähig, irgendetwas zu erkennen. Selbst das Notausgangs-Grün nehmen sie nicht wahr. Die komplette Dunkelheit ist natürlich Absicht; nur ein Huschen ist zu hören, dann leuchtet auf der Bühne ein Tablet den Geiger Ilya Gringolts an, bevor schließlich blaues Licht von unten auf die Buckel an den Wänden im Kleinen Saal der Elbphilharmonie scheint.
Ein paar leise Töne schiebt Gringolts hin und her, die Sopranistin Johanna Vargas singt lange Noten dazu: „Die Guten gehn im gleichen Schritt“. Aber das Gleichmaß währt nicht lange. Schon in der übernächsten Zeile ist vom Tanzen die Rede, und die Singstimme befreit sich aus dem Gleichmaß, hüpft, kollert, zwitschert. Keine Minute dauert das, aber die Zeit scheint bedeutungslos geworden zu sein, so still ist es, so atemlos lauscht das Publikum.
„Kafka-Fragmente“: Wenn Geige und Sopran in der Elbphilharmonie tanzen
„Kafka-Fragmente“ stehen auf dem Programm dieses denkwürdigen Abends. Der ungarische Komponist György Kurtág, Jahrgang 1926, hat eine Auswahl aus dem literarischen Œuvre des Schriftstellers, aber auch aus Briefwechseln und Notizen vertont. Für nichts als Geige und Sopran, was mit dem verdichteten Charakter der Miniaturen eine kongeniale Verbindung eingeht. Der sechsteilige Zyklus hat Eingang ins Konzertrepertoire gefunden, was bei Neuer Musik keine Selbstverständlichkeit ist.
Ein Programm für Feinschmecker also. Die Dichte an Berufsmusikerinnen und Berufsmusikern im Publikum ist bemerkenswert. Sie wissen zu schätzen, wie Vargas und Gringolts aus der Aufführung der „Kafka-Fragmente“ ein Gesamtkunstwerk machen. Ein bisschen Regie darf auch sein; einziges Requisit: ein Holzstuhl. Der dient mal als Gefängniszelle und mal als Hut. Vargas trägt ihn herum oder steigt darauf, und das alles, während sie mühelos singt.
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