Hamburg. Das Orchestre National de France war in Hamburg zu Gast und hatte auch speziell gebaute Instrumente im Gepäck – für den französischen Sound.
In der Programmauswahl für seinen Auftritt bei der ProArte-Reihe „Faszination Klassik“ am Montag in der Elbphilharmonie war das Orchestre National de France auf jeden Fall ziemlich konsequent. Alle gespielten Stücke waren in seiner Heimatstadt Paris entstanden und passten perfekt zur aktuellen Tournee im 90. Jubiläumsjahr dieses Spitzenorchesters. Seinen besonderen französischen Tonfall und eine außergewöhnliche Transparenz im Orchesterklang hat das Orchestre National de France unter der Leitung seines Musikdirektors, des Rumänen Cristian Măcelaru, immer weiter perfektionieren können.
Warum die Werke von Paul Dukas, Maurice Ravel und dem Wahl-Pariser Igor Strawinsky in der Hamburger Elbphilharmonie so anders klangen, als man sie auch in Interpretationen anderer großer Orchester dieser Welt im Ohr hat? Das lag auch daran, dass die Franzosen mit speziellen Bauarten des französischen Fagotts und der französischen Klarinette auftraten. Außerdem folgten sie, wie die Soloflötistin des Orchesters in einem Interview zwischendurch sogar noch erläuterte, einem bestimmten französischen Stil mit deutlich reduziertem Vibrato, was die Bläsertöne geradliniger und schlanker klingen ließ.
Elbphilharmonie: Orchestre National de France – warum klangen Ravel und Strawinsky anders?
All das konnte man schon bei Paul Dukas Programmmusik „L’apprenti sorcier“ nach Goethes Ballade vom „Zauberlehrling“ heraushören. In lähmender Ruhe stellten Klarinette und Oboe, begleitet von kurzen Harfenakzenten, das Thema vor, bevor ein erster frecher Blitz durchs Orchester fuhr und die Folgen eines verunglückten Zauberversuchs einleitete. Aber selbst dort, wo der lebendig gewordene und sich zum Entsetzen des Lehrlings auch noch vermehrende Haushaltsgegenstand seine unheilvolle Arbeit beginnt, setzte Măcelaru weiter auf Durchhörbarkeit und dosierte die großen Steigerungen sehr fein.
Ein Schwerpunkt auf lyrische Elemente und weiche Konturen prägte auch das vor Anleihen aus dem Jazz nur so strotzende Klavierkonzert G-Dur von Maurice Ravel mit der fantastischen italienischen Pianistin Beatrice Rana als Solistin. Die Leichtigkeit des Orchesterklangs war auch dadurch bedingt, dass Măcelaru große Abstände zwischen den Bläsern zuließ und Posaune oder Trompete ganz weit links außen hinter den Hörnern platziert waren.
Elbphilharmonie: Großer Auftritt des Solo-Paukers zum Schluss
Rana reagierte darauf mit viel zarteren Anschlägen, als man das bei diesem oft kantiger gespielten Werk zu hören gewohnt ist. Zu einem herrlichen Cantabile fand sie in ihrem langen Solo zu Beginn des Adagio assai und nahm sich gleich zurück, als der Englischhorn-Bläser des Orchesters die melodische Führung übernehmen und sie ihn mit auf- und absteigenden Figuren voller Eleganz begleiten durfte.
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In Strawinskys zweiter Feuervogel-Suite brillierten die tiefen Streicher zunächst mit einer Spannung erzeugenden düsteren Einleitung, bevor der scheue märchenhafte Vogel durch alle Bläserregister des Orchesters flatterte. Nach dem Auftritt des Zauberers Kacheij mit harten Xylofonschlägen und schleifenden Glissandi in den Blechbläsern hatte im triumphalen Schluss dann auch noch der Solo-Pauker seinen großen Auftritt, der mit beiden Schlegeln gleichzeitig voller Kraft auf nur eine einzige Pauke einzuschlagen hatte.
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