Hamburg. Regisseurin Alicia Geugelin legt mit ihrer Kammeroper ein Stück vor, bei dem nicht ganz klar ist: Was ist real, was Fantasie?
- Ein 16-jähriges Mädchen scheint vollkommen in ihrem medialen Umfeld gefangen zu sein
- Die starke Musik zum Stück ist von Popkultur und Jazz beeinflusst, es gibt arienartige Monologe
- Die Kammeroper ist unglaublich kurzweilig, unterhaltend und doch extrem komplex
Sind wir in der Gegenwart oder in der Vergangenheit, in der Realität oder in einer Traumwelt, die von Elementen unseres virtuellen Umfelds geflutet wird und uns am Ende machtlos zum reinen Beobachter macht? Die am Freitag in der Opera stabile uraufgeführte Oper „Dollhouse“ von Clemens K. Thomas und seinem Librettisten Friedemann Dupelius gibt keine Antworten darauf, sondern spielt mit abstrakten Räumen und noch viel abstrakteren Persönlichkeiten.
Die neue Produktion des Internationalen Opernstudios in Zusammenarbeit mit der Claussen-Simon-Stiftung und dem Institut für kulturelle Innovationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hamburg erzählt von einem 16-jährigen Mädchen, das nicht nur in seinem Jugendzimmer, sondern auch in seinem medialen Umfeld gefangen zu sein scheint. Kurz vor seinem Geburtstag tritt ein interessierter Nachbar ins Leben seiner Mutter, beides Figuren, die in diesem Stück nicht wirklich auftreten, sondern von der Heranwachsenden in der Fantasie auf die sie umgebenden Puppen übertragen werden.
„Dollhouse“: Die Suche nach der eigenen Persönlichkeit jenseits der Medienüberflutung bricht hervor
Ein genialer dramaturgischer Einfall, den die Regisseurin Alicia Geugelin mit Videoproduktionen der Avatarin des Mädchens im Internet, einem lebendig gewordenen Puppenquartett und Cute Objects, die im Publikum platziert sind und auf den Gesang mit Piepsen, Stöhnen oder kollektiven „Awws“ reagieren, brillant in Szene setzt. Marie Maidowski als Mädchen hat in Thomas’ von avantgardistischer, aber auch von Popkultur und Jazz beeinflussten Musik intimste, arienartige Monologe zu gestalten, in der ihre Suche nach der eigenen Persönlichkeit und Menschsein jenseits der Medienüberflutung hervorbricht.
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Dass diese von Rupert Burleigh packend geleitete Kammeroper so unglaublich kurzweilig, unterhaltend und doch extrem komplex geraten ist, liegt an der Überlagerung pseudorealer Ereignisse mit der Fantasie und einer sich verselbstständigenden virtuellen Welt, was sich alles in der Musik umwerfend widerspiegelt. Aaron Godfrey-Mayes singt und gestaltet hinreißend den Erzähler in Puppengestalt, der sich in die Rolle des Nachbarn hineinträumt und die Mutter des Mädchens begehrt. In Anlehnung an Operettenmelodien Lehárs und Künnekes singt er seine Arie „Es ist nichts passiert, alle Würstchen sind noch da“ und landet am Ende selbst auf dem Grill, ermordet von einem einsamen, im Leben und in der virtuellen Welt verlorenen Mädchen.
„Dollhouse“ 3./4.12 + 6./7.12., Opera stabile, Kleine Theaterstraße, Karten: staatsoper-hamburg.de
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