Hamburg. Zwei barocke Werke in moderner Inszenierung: Manchmal wäre etwas weniger Wollen etwas mehr Können gewesen.

„Kannst Du Dich erinnern?“, fragt Aeneas seine Dido, mit einem Glucksen in der Stimme. Aber natürlich kann sie. Kichernd denken die beiden an die gemeinsame Zeit zurück, damals, in Karthago, hihi, als Dido sich aus Liebesschmerz das Leben nahm.

Mehr Distanz geht nicht. Der junge Regisseur Martin Mutschler betrachtet Henry Purcells über 300 Jahre alte Oper „Dido and Aeneas“ mit dem nüchternen Blick eines modernen Gefühlsforschers. Gleich der erste, hinzugedichtete Dialog in deutscher Sprache, rückt das Geschehen demonstrativ in historischen Abstand.

Mutschlers Hochschul-Produktion – erster Teil eines Purcell-Doppelpacks an der opera stabile – durchbricht die lineare Erzählform mit multimedialen Perspektivwechseln: Videoprojektionen schaffen eine Sichtebene oberhalb der Bühne, eine Stimme aus dem Off bellt kurze Kommandos und knipst so den Handlungsschalter an („Now!“) und aus („Sleep!“).

Bloß nicht zu viel Nähe, bloß kein Naturalismus: nach dieser Devise lenkt Mutschler die Figuren über die karge Bühne. Die weißen Kostüme (Dennis Peschke) verstärken die klinische Anmutung. Willkommen im Emotionslabor.

Auch der zweite Teil des Doppelpacks ist ambitioniert

Ähnlich ambitioniert, aber mit einem ganz anderen Ansatz, inszeniert Alicia Geugelin im zweiten Teil Henry Purcells „Fairy Queen“. Schon bevor der erste Ton erklingt, hecheln da verstörte, in Karminrotnuancen gewandete Gestalten über die Bühne. Ein Mann, der panisch seinem Hund nachrennt, eine rucksackbepackte Touristin, und eine Geschäftsfrau mit Sprühsahnefetisch. Lauter verhetzte Menschen, einsam, auf der Suche nach der Sehnsucht, die ihre Seelenleere füllt.

Geugelin formt ihre Charaktere plastisch und handwerklich gekonnt, sie verfolgt eine klare Idee. Aber genau die steht einem packenden Opernerlebnis mitunter auch im Weg.

Im verständlichen Bemühen, etwas zu beweisen, schießen beide Jungregisseure über das Ziel hinaus. Dass etwas weniger konzeptionelles Wollen manchmal noch mehr Können gewesen wäre, zeigt sich in den stärksten Momenten des Abends – und die gehören der wunderbaren Musik. Sie entfaltet ihre Wirkung vor allem dort, wo sie etwas Freiraum genießt: wie in der Arie „O let me ever weep“, in der die Sopranistin Pia Bohnert stellvertretend das hohe sängerische Niveau der „Fairy Queen“-Besetzung demonstriert, präzise geleitet von der jungen Dirigentin Bar Avni.

Die „Dido and Aeneas“, deren historisch informierte und etwas weniger einheitliche Aufführung Felix Schönherr vom Cembalo aus koordiniert, hat in Juliane Dennert eine großartige Hauptdarstellerin. Ihre Arie „When I am laid in earth“ verströmt genau jene expressive Wärme, die der Inszenierung abgeht.