Hamburg. Die Bluesrock-Sängerin gab ein fantastisches Konzert mit unvorhersehbarer Setlist. Etwas verbindet sie – leider – mit Janis Joplin.
Als Beth Hart den Titelsong ihres neuen Albums „You Still Got Me“ anstimmt, ist es 22.05 Uhr. Zwei Stunden gibt die kalifornische Bluesrock-Sängerin in der Barclays Arena nun schon alles – und der Zugabenteil ist noch nicht einmal in Sicht. Mit ihren dicht beringten Fingern hämmert die 52-Jährige auf das E-Piano ein. Sie schreit, sie pfeift, sie faucht, sie wütet, sie röhrt, irgendwann scheint ihr Mund fast mit dem Mikro zu verwachsen.
Vergleiche mit Legenden können mitunter nerven, etwa wenn das Boulevard eine leidlich erfolgreiche deutsche Tennisspielerin als „neue Steffi Graf“ preist. Doch wer Beth Hart die legitime Nachfolgerin der Ikone Janis Joplin nennt, greift ins richtige Regal. Die Stimme, die Ausstrahlung, das passt so gut, dass Beth Hart zu Beginn ihrer Karriere im Musical „Love Janis“ die Hauptrolle übernahm.
Konzert Hamburg: Beth Hart singt in der Barclays Arena ihre berührenden autobiografischen Balladen
Leider gleichen sich auch die Tiefpunkte ihrer Biografien. Genau wie Janis Joplin, die 1970 mit erst 27 Jahren an einer Überdosis Heroin starb, kämpfte auch Beth Hart lange gegen die Dämonen der Sucht und eine bipolare Störung.
Sie hat daraus nie ein Geheimnis gemacht, im Gegenteil, auch in Hamburg singt sie ihre berührenden autobiografischen Balladen. Gerettet, sagt sie, habe sie ihr Ehemann. Ihm widmet sie mehrere Lieder, sagt stolz „This is my husband“, als er ihr auf der Bühne ein Getränk reicht.
Begleitet wird sie von Gitarrist Jon Nichols, Drummer Bill Ransom und Bassist Tom Lilly, allesamt herausragende Musiker. Mitunter scheint sie ihr Glück kaum fassen zu können, mit dieser Crew touren zu dürfen. Dass die Barclays Arena trotz geschlossenem Oberrang deutliche Lücken zeigt – mit knapp 4000 Fans kamen ähnlich viele Besucher wie zu ihrem Stadtparkkonzert im vergangenen Jahr – scheint sie überhaupt nicht zu irritieren. Barfuß tänzelt sie durch den bestuhlten Innenraum, mit unfassbarer Energie.
Bluesrock-Sängerin Beth Hart kehrt bei jedem Konzert ihr Innerstes nach außen
Alles wirkt spontan, die Lightshow sparsam und dezent. Beth Hart hasst durchchoreografierte Konzerte, kein Gastspiel soll dem anderen gleichen. Gerade mal eine Handvoll Songs spielt sie verlässlich bei jedem Konzert ihrer Tour, von ihren Mitstreitern erwartet sie, dass diese 100 Songs draufhaben, damit sie auswählen kann. Dabei kehrt sie Abend für Abend ihr Innerstes nach außen: „Es ist mir sehr wichtig, verwundbar zu bleiben. Denn ansonsten hätte ich das Gefühl, etwas zu verbergen. Ich möchte mich ja nicht belügen – daher ist es das Beste, was ich machen kann, offenzubleiben“, hat sie einmal gesagt.
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Vor der zweiten Zugabe wendet sie sich an ihr Publikum, mahnt eindringlich, sich von Krisen nicht fertig machen zu lassen. Angst, sagt sie, sei der falsche Weg. Und dann singt sie „Wonderful World“ aus ihrem aktuellen Album mit der Liedzeile: „Sei ganz Du selbst, denn das ist es, was ich sehen will.“ Der perfekte Vers für ein großartiges Konzert.