Hamburg. Das Elbphilharmonie-Konzert des Pianisten mit Rafael Payare und dem Orchestre symphonique de Montréal war keine Punktlandung.

  • Trifonovs Haltung zu Schumanns Klavierkonzert blieb entschieden unentschieden
  • Dirigent Rafael Payare ist in Montreal der Nachfolger von Hamburgs Generalmusikdirektor Kent Nagano
  • Besonderer Spezialeffekt bei Berlioz‘ „Symphonie fantastique“ im Großen Saal der Elbphilharmonie: zwei Kirchenglocken hinter der Bühne

Robert Schumann!? Tja …, schwierig. Ein gern genommenes Pauschalurteil, aber wenn selbst ein pianistischer Eigentlichdochalleskönner wie Daniil Trifonov nicht recht zu wissen scheint, wohin mit dieser in sich eigenwilligen, fordernden Musik, ist für manche hin und wieder wohl doch etwas dran. Auf der Haben-Seite seines Elbphilharmonie-Auftritts mit dem Orchestre symphonique de Montréal (OSM) konnte Trifonov immerhin verbuchen, dass er von Anfang an Ruhe und Übersicht in das a-Moll-Klavierkonzert brachte.

Kein überzogenes Stürmen und Drängen, die Linien blieben klar und die Gewissheit fürs größere Ganze hörbar. Trifonov dachte und spielte orchestral, ordnete sich damit in den Gesamtablauf des Erzählflusses ein und genauso pragmatisch auch mal unter, sobald sein Part nicht das Maß aller Dinge zu sein hatte. Schafft auch nicht jeder Virtuose seiner Gewichtsklasse. Hier wäre es als Ergänzung zielführend gewesen, einen Dirigenten dabeizuhaben, der ebenfalls Wichtiges von weniger Wichtigem zu trennen weiß.

Elbphilharmonie-Konzert: Selbst ein Daniil Trifonov hat einmal einen schlechten Tag

Rafael Payare, seit zwei Jahren Nachfolger von Hamburgs Generalmusikdirektor Kent Nagano beim OSM, machte nicht unbedingt diesen Eindruck. Er ließ viel laufen, griff sortierend und gewichtend zu wenig ein. Das Stück irgendwiete entsprechend unklar vor sich hin.

Die Soll-Seite Trifonovs dabei: Er blieb zu unentschlossen, zu vage in der Gestaltung. Die schönen Stellen schön spielen, kein Problem. Sie sinnstiftend miteinander in Beziehung zu setzen? Das dann doch, erstaunlicherweise. Klammert man die sanft ausmodellierten Passagen im langsamen Satz und die funkelnde Geläufigkeit des Finales aus, hinterließ dieser Auftritt lediglich den Eindruck einer unfallfrei geschafften Stückgutlieferung.

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Orchestre symphonique de Montréal / Daniil Trifonov / Rafael Payare
Rafael Payare trat 2022 die Nachfolge des Hamburger Generalmusikdirektors Kent Nagano beim Orchestra symphonique de Montréal an. © Antoine Saito | © Antoine Saito

Berlioz‘ „Symphonie fantastique“!? Komplett irre, vom ersten Ton an! Wenn der erste Abschnitt dieses vertonten Psychogramms schon mit „Rêveries, Passions“ überschrieben ist, sollte sich jedes Orchester und jeder Dirigent tunlichst daran halten und erst gar nicht nur auf Sicherheit spielen. Doch auch in diesem Teil des Programms, an und für sich eine Steilvorlage für fünfsätziges Staunen, drehte Payare unentschieden zu wenig durch. Das war noch nicht schon feinster Berlioz, das war in der Klangunschärfe eher noch später Beethoven mit sonderbar überdehnter Instrumentation.

Auch als Zugabe wurde in der Elbphilharmonie Berlioz gespielt

Die Walzer-Szene? Ganz ordentlich, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die Szene auf dem Lande hielt nicht die Spannung, die das Konzept versprach. Den einen Spezialeffekt – die Solo-Oboe hinter der Bühne – hatte Payare weit oben in einem Saal-Rang platziert, der andere – das Geläut – war durch echte Glocken statt „nur“ Röhrenglocken etwas aufgewertet worden, aber dadurch bei Weitem noch nicht spielentscheidend.

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Obwohl Payare mit großen Ganzkörper-Gesten sehr demonstrativ in die Streichergruppen vor seinem Pult hineindirigierte, geriet dieser Berlioz vor allem manierlich statt manisch. Die letzte Sicherung blieb undurchgebrannt, diese „Symphonie“, mit all ihren abrupten Stimmungsschwankungen und Gefühlsausbrüchen, war letztlich nur fast fantastisch und ungenügend fanatisch.

Erst im allerletzten Moment, dem berserkerhaft losbretternden Ende des Hexensabbats, ließ Payare sein Tutti doch noch von der Kette, vor der Zugabe, die – mais oui – unbedingt von Berlioz zu sein hatte: der „Marche hongroise“ aus „La Damnation de Faust“.

Nächstes Trifonov-Konzert: 26.5. 2025 Sonaten und Walzer von Tschaikowsky, Barber und Chopin / Tschaikowsky: Dornröschen-Suite. Laeiszhalle, Gr. Saal. Aktuelle Einspielung: „My American Story – North“ Musik von Tatum, Gershwin, Copland u. a. (DG, CD ca. 30 Euro)

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