Hamburg. Das Orchester aus London spielte Wagner, Schumann und Beethoven in der Elbphilharmonie und ließ Wünsche offen
Es war ein gutes, aber bestimmt kein herausragendes Konzert des London Philharmonic Orchestras am Mittwochabend in der Elbphilharmonie. Edward Gardner, der das traditionsreiche Orchester nun im vierten Jahr als Chefdirigent neben seinen Aufgaben als Musikalischer Leiter der Den Norske Opera & Ballett leitet, ist kein Freund ausgereizter Spannungsbögen und starker Kontraste, was er gleich in der Ouvertüre von Richard Wagners „Tannhäuser“ zeigte.
Im Gegensatz zu Beethovens „Eroica“ im zweiten Teil dieses Abends, wo die Horngruppe im dritten Satz durch viele Unsauberkeiten auffiel, waren die ersten „Tannhäuser“-Takte zweier Hörner, der Klarinette und des Fagotts und der warmtönende Streichereinsatz noch ganz geglückt, bevor die drei Posaunen die Dynamik aufdrehten und Paukenwirbel drohendes Unheil ankündigten. Gardner dämpfte aber jede Erregung, vermied dieses angespannte Drängen etwa in den Violinen, was die aufgewühlte Seele des Titelhelden mit druckvollen Gesten immer wieder bewusst machen sollte, und blieb bei seinem schlanken, ausgleichenden Klangbild. Der zehrenden Suche Tannhäusers nach Erfüllung seiner Lust und Erlösung von seiner Schuld fehlte es durch die gedämpften dynamischen Steigerungen dann aber schon ein wenig an Dramatik.
Elbphilharmonie: Beim London Philharmonic Orchestras floss alles in einem angenehmen Tempo ohne jede Schwere
Edward Gardners Behandlung des Orchesters passte da schon eher zu Robert Schumanns Violoncellokonzert a-Moll op. 129, das der zu Depressionen neigende Romantiker in seinem ersten glücklichen Jahr als Musikdirektor in Düsseldorf sechs Jahre vor seinem Tod komponiert hatte. Mit dem jungen spanischen Cellisten Pablo Ferrández geriet dieses Stück dann auch zum Höhepunkt des ganzen Abends. Durch den herrlichen Ton seines Stradivari-Cellos „Archinto“ von 1689 und seinen subtilen Ausdruck nahm der Preisträger des XV. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerbs sofort gefangen.
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Das London Philharmonic Orchestra reagierte flexibel auf die vielen Impulse, die der auf seinem Instrument förmlich singende, unerhört talentierte Ferrández unentwegt auch im Dialog mit einzelnen Bläsersolisten und selbst dem solistisch auftretenden Stimmführer der Cellogruppe im langsamen Satz aussandte. Alles floss in einem angenehmen, nie zu langsamen Tempo ohne jede Schwere, aber mit viel Elan und feinster Detailarbeit. Dass der Spanier den Übergang zum munteren Finale dann viel lässiger und mit weit weniger Kraftaufwand spielte als manch anderer Kollege, machte ihn umso wirkungsvoller.
London Philharmonic in der Elbphilharmonie: Eine blitzschnell reparierte Geige
Besonders die Holzbläser des London Philharmonic Orchestra sorgten bei Beethovens Sinfonie Nr. 3 „Eroica“ am Ende mit Akzenten in unterschiedlichsten Intensitäten immer wieder für Abwechslung, obwohl bei Gardners Dirigat wieder vieles so erwartbar und wenig zugkräftig war. Auch im zweiten Satz hatten manche Forte-Einbrüche nicht das Zerstörerische, das Beethoven sich wohl gewünscht haben mochte, und im Scherzo-Trio verunglückten die Töne gleich mehrerer Hörner.
Ein Geiger, dem zuvor eine Saite seines Instruments gerissen war (er war gezwungen, zunächst einmal das Feld zu räumen), kehrte zum Finale mit blitzartig reparierter Geige sogar zurück, um bei den wilden kontrapunktischen Passagen des Allegro molto und den wuchtigen Schlussakkorden dieser Sinfonie auch bloß nicht zu fehlen.
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