Hamburg. Das Wunderkind des Indierock spielte mit seiner tollen Band ein stoisches Set im Hafenklang. Ob er bald die Mona Lisa sieht?

Manchmal schunkelten die Americana-infizierten Indierocksongs von MJ Lenderman (eigentlich Mark Jacob Lenderman) so dahin. Und dann entlud sich doch noch ein Gewitter, ein Feedbackgrollen. Tolle Gitarreninfernos, insbesondere auch bei einem seiner ganz neuen Songs, „Pianos“. Den widmete der 1999 in Asheville, North Carolina, geborene Musiker den Hurricane-Opfern in seiner Heimat. Faire, zu Herzen gehende Sache: Heimatverbundenheit gerade in schweren Zeiten.

Lenderman ist das, was man einen Slacker nennen könnte, einen Abhänger. „I’ve never seen the Mona Lisa/ I’ve never real­ly left my room/ I’ve been up too late with Gui­tar Hero/ Play­ing ‚Bark At The Moon‘“, heißt es in einem seiner Songs. Das Fantastische ist: Der Sofa-Held ist trotzdem einer der talentiertesten Songwriter seiner Generation, ja, was soll der Wortgeiz: ein Wunderkind des Pop. Davon konnte man sich nun im Hafenklang überzeugen, das am Dienstagabend aus allen Nähten platzte.

Hafenklang: MJ Lenderman in Hamburg – superb lakonische Texte

Lenderman stellte mit seiner sensationellen Band The Wind die Stücke seines neuen Albums „Manning Fireworks“ vor. Live waren die oft noch hypnotischer als auf Platte, druckvoller auf jeden Fall. Wobei man über den beneidenswert vollhaarigen Lenderman, der auch Mitglied der schwer angesagten Indierockband Wednesday ist, unbedingt sagen muss: So was, Pardon, Arschcooles hat man auf der Bühne lange nicht gesehen. Knuffig (oder so) war die Lockenpracht, und sie ruhte vor allem still auf dem kaum bewegten Haupt des Gitarristen und Sängers.

Es wurde der geniale Kontrast (man konnte sich gar nicht satt sehen) natürlich völlig absichtlich hergestellt, dass Ethan Baechtold am Bass und Jon Samuels an der zweiten Gitarre mit enormen Körpereinsatz tatsächlich abrockten, während Lenderman fast schon schläfrig danebenstand und lässig seine superb lakonischen Texte sang.

Hafenklang: „She‘s Leaving You“, die Hymne aller Verlassenen

Jetlag? Bekifft? Oder lag‘s am Astra? Lendermans Auftritt im Hafenklang war jedenfalls großartig, der Stoizismus seiner persönlichen Performance passte hervorragend zu den Songs. Die Hymne aller Verlassenen, der Lonesome-Cowboy-Song „She‘s Leaving You“ kam recht früh und entzückte das längst nicht nur studentische Publikum. Das Komplementärstück „Catholic Priest“ („Ein bisschen eine wahre Geschichte“, teilte Lenderman mit) sprach allen Herzschmerzpatienten dann sicher auch aus der Seele: „Used to believe I wanted to be a catholic priest/I would never have to worry/About the girls tryin‘ to break my heart“.

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Neil-Young-Gitarrengegniedel, Noiserock à la Dinosaur jr., Schlucke aus der Schnapspulle, der Einsatz der Fiddle, Lendermans so bestechend nöliger Gesang: Es vermengte sich alles zu einem tollen Konzertabend mit einem noch jungen Mann und seiner Band, die beim nächsten Hamburg-Besuch in einem größeren Club auftreten werden, ganz sicher. Die Chancen, dass Lenderman, der zuletzt auch am aktuellen Album der gefeierten Songwriterin Waxahatchee mitwirkte, die Mona Lisa sehen wird, stehen übrigens gut. In Paris tritt er auf dieser Europa-Tour auch auf.

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