Hamburg. Sophie Allison aka Soccer Mommy gehört zur amerikanischen Songwriterinnen-Offensive. Ihr neues Album „Evergreen“ ist fantastisch.

Die ganz junge Sophie Allison veröffentlichte ihre Lieder zunächst auf Bandcamp. Es waren Demos, sicher war der Teenager aus Nashville, Tennessee damals gewissermaßen selbst noch eine Demoversion der mittlerweile zum Songwriter-Adel gehörenden Künstlerin, die sie heute ist. Sophie Allison ist seit 2018 mit drei Alben zu einer Indie-Größe geworden. Und man muss vom formidablen Debüt „Clean“ nur wieder mal den Herzschmerzfetzen „Still Clean“ hören, um zu wissen, warum die 27-Jährige es geschafft hat, wie Lindsey Jordan aka Snail Mail, Phoebe Bridgers oder Julie Byrne zu den beliebtesten Künstlerinnen der jüngeren Generation zu gehören. Sie ist längst zu den Musikerinnen zu zählen, die den Unterschied machen, ohne Frauen wie Soccer Mommy wäre Rockmusik in diesen Tagen ziemlich fad.

Vom Verlassenwerden singt da eine betörende Stimme zu, was sonst, melancholischen Gitarrenakkorden. „Then you took me down to the water/Got your mouth all clean/Left me drowning/Once you picked me out your bloody teeth“ – man möchte den vampirischen Ex am liebsten persönlich ins Wasser stoßen. Sophie Allison weckt Beschützerinstinkte, klare Sache. Wobei sie Hilfe eher nicht braucht, schon gar nicht männliche. Ihr Bühnenname ist übrigens der beste, den man sich denken kann, und sicher der ironischste: Soccer Mommy. Als SUV-fahrende, gestylte Suburbs-Mutter mit Organisationsfertigkeiten für den Nachwuchs kann und möchte man sie sich einstweilen noch nicht vorstellen.

Neues Album „Evergreen“ von US-Songwriterin Soccer Mommy: Verlustbewältigung mit Melodien

Das neue Album „Evergreen“ beginnt nun mit dem Trauersong „Lost“ („I‘ve got her name/I‘ve got her face and all these things/But I don‘t know what‘s in her dreams/It‘s lost to me“). Allison hat eine ihr sehr nah stehende Person verloren, wie es im Beipackzettel der Plattenfirma heißt. Verlustbewältigung ist, wie die elf fantastischen Stücke bezeugen, beim neuen Soccer-Mommy-Album nun zu einer eingängigen Songsammlung geronnen. Soccer Mommys Melodien („Driver“, „M“) sind so süchtig machend wie vermutlich vorher noch nie, die Arrangements poppiger denn je.

Albumcover Evergreen der Künstlerin Soccer Mommy
Das Albumcover von „Evergreen“. © Concord | Concord

Es gibt den verträumten Indiepop von „Changes“, wobei Allisons ätherische Stimme tatsächlich ja immer über den Wolken schwebt. „Abigail“ ist ein erhebendes Stück über, nun ja, irgendeine hübsche, vermutlich populäre Abigail. Aber die schönste, zarteste Nummer des Albums ist „Dreaming of Falling“, eine traumwandelnde Selbstversicherung, wo sich doch gerade alles um sie herum verändert. „Salt In Wound“ und „Anchor“ sind widerborstiger, die Soccer Mommy ist eine Gitarristin, die ihren Songs mit Akkorden Energie einflößt.

Neues Album „Evergreen“: Soccer Mommy spielt 2025 im Nochtspeicher

Am 20. Mai kommenden Jahres ist Sophie Allison aka Soccer Mommy für den Nochtspeicher gebucht. Neue Songs wie „Some Sunny Day“ und alte wie „Bones“ sind live eindringliche Erlebnisse. Man wird sich dann davon überzeugen können, warum Soccer Mommy, Snail Mail und Waxahatchee und Adrianne Lenker ihren männlichen Pendants längst den Rang abgelaufen haben.

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In einem Interview hat Sophie Allison mal vom Kontrast der Höhen und Tiefen gesprochen, mit dem man im Leben zurechtkommen müsse. Ihre Karriere ist mit dem neuen Album „Evergreen“ nun auf einem ersten All-Time-High. Es wird fraglos in der Jahresbestenliste ziemlich weit oben stehen.

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